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Ende der Krise in Mazedonien?
Wahlkampf unter schwierigen Vorzeichen

Mazedonien steckt seit langem in einer tiefen politischen Krise. Unter dem Druck der Opposition musste Regierungschef Gruevski zurücktreten. Das machte den Weg für Neuwahlen am 11. Dezember frei. Unter diesen, sehr schwierigen Vorzeichen hat der Wahlkampf nun begonnen. Gruevski könnte wieder an die Macht kommen.

Von Stephan Ozsváth | 23.11.2016
    Demonstranten versammeln sich abends vor dem Parlament in Skopje am 20.06.2016 mit dem Slogan 'Bürger für Gerechtigkeit'
    Demonstranten vor dem Parlament in Skopje am 20.06.2016 (AFP/Robert Atanasovski)
    "Du kennst den Weg", spricht die konservative Partei des Langzeitpremiers Gruevski ihre Wähler in Spots an. In Ohrid sprach der umstrittene Politiker selbst zu seinen Anhängern, die ihn mit "Nikola, Nikola"-Rufen anfeuerten. Gruevski war Anfang des Jahres nach zehn Jahren im Amt als Premier zurückgetreten. Hintergrund ist eine seit zweieinhalb Jahren schwelende Staatskrise. Die oppositionellen Sozialisten hatten Abhörprotokolle veröffentlicht.
    Tausende Mazedonier wurden illegal abgehört
    Danach ließ Gruevski Tausende Menschen abhören. Die Protokolle zeichnen das Bild einer korrupten Regierung, die Wahlen fälschte und sich die eigenen Taschen vollstopfte. Oppositionsführer Zoran Zaev, der bei seinem Wahlkampfauftritt von seinen Anhängern bereits als künftiger Premier gefeiert wurde, forderte seinen Widersacher Gruevski symbolisch zum Duell auf. Da wolle man nach Dingen fragen, die man seinerzeit nicht veröffentlicht habe - aus Anstand, so Zaev. Die Antworten werde man nicht verschweigen, sagte der Kandidat der Sozialisten. Die Sonderstaatsanwaltschaft bestätigte jetzt, dass mindestens 6.000 Menschen abgehört wurden, eher mehr. Auch Zaev steht auf der Liste der Bespitzelten. Als der Präsident - ein Gruevski-Vertrauter - die Beschuldigten in der Abhör-Affäre im Frühjahr amnestieren wollte, gingen die Mazedonier wochenlang auf die Straße. Immer wieder wurden Neuwahlen verschoben - und das obwohl Mazedonien in der Flüchtlingskrise zum europäischen Türsteher wurde. Insgesamt treten nun elf Parteien und Bündnisse bei der Parlamentswahl in dem Balkanland an. Aus den Wählerlisten wurden 30.000 Karteileichen gestrichen - eine der Bedingungen aus dem Abkommen von Prizino, das die Konfliktparteien unter EU-Vermittlungen letztes Jahr ausgehandelt hatten.
    Bewaffnete Auseinandersetzungen mit vielen Toten
    In Mazedonien leben Albaner und christliche Mazedonier eher neben- als miteinander. Die ethnischen Spannungen nehmen wieder zu. Im Frühjahr 2015 starben fast zwei Dutzend Menschen bei Schießereien zwischen Polizei und bewaffneten Albanern im Norden des Landes, in Kumanovo. Die Hintergründe sind bis heute unklar. Der Vater eines Getöteten schimpft auf Albaner-Führer Ali Ahmeti:
    "Ali Ahmeti hat meinen Sohn getötet. Er hat den Kumanovo-Zwischenfall inszeniert und dadurch acht mazedonische Söhne auf dem Gewissen. Er hat Mütter ohne Söhne gelassen, Frauen ohne Männer und Kinder ohne Väter. Die getöteten mazedonischen Polizisten waren unsere Söhne. Dieser hinterhältige Mensch hat sie auf dem Gewissen. Er ist nicht mehr willkommen - nicht in Kumanovo, nicht in Mazedonien."
    Ahmetis Albaner-Partei war Koalitionspartner von Gruevskis Partei VRMO. Auf die Ethno-Karte setzt die Albaner-Allianz um Zijadin Sela:
    "Wir fordern einen gemischt-ethnischen Staat: Entweder volle Gleichberechtigung für Albaner und christliche Mazedonier, oder Vereinigung aller Albaner durch Föderalisierung."
    Öl ins Feuer goss auch die Partei von Ex-Premier Gruevski. Sie stellte den ehemaligen Polizisten Johan Tarculovski als Kandidaten auf - einen verurteilten Kriegsverbrecher. Während des kurzen Krieges 2001 hatte die von Tarculovski angeführte Polizeieinheit in einem Albaner-Dorf bei Skopje sechs Menschen getötet und mehr als 100 schwer misshandelt.