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Ende der Schonzeit für Gordon Brown

Als Gordon Brown das Amt des Premierministers übernahm, hatte er keinen schlechten Start: Die versuchten Terrorakte in Glasgow, die Flut, und selbst die Maul- und Klauenseuche lieferten ihm die nötige Plattform, um sich in Szene zu setzen, als einer, der die Ärmel hochkrempelt. Mittlerweile aber ziehen erste Wolken auf am Horizont: In der Irak-Politik wirkt Brown schwankend. Außerdem drohen die Gewerkschaften mit Streik, die Jugendgewalt liefert jeden Tag neue Schlagzeilen, und die Europapolitik treibt Gordon Brown so in die Enge, dass er vielleicht schneller Neuwahlen abhalten muss, als ihm lieb ist. Aus London berichtet unser Korrespondent Martin Zagatta.

03.09.2007
    Ein Streik in der Londoner U-Bahn droht ab heute Abend für Chaos in der Hauptstadt zu sorgen. Doch Kopfzerbrechen bereiten der Regierung vor allem landesweite Protestaktionen der Gefängniswärter. Denn ihre Unmutsbekundungen, so muss Gordon Brown fürchten, könnten auch auf andere Bereiche des öffentlichen Dienstes übergreifen.

    Die Regierung habe durch Lohndisziplin für eine stabile Wirtschaft gesorgt und werde nichts, aber auch gar nichts tun, um das aufs Spiel zu setzen. So hat der Premierminister den Forderungen des Gefängnispersonals nach höheren Bezügen schon eine Abfuhr erteilt. Ob die Regierung es allerdings bei den zugesagten Gehaltserhöhungen um 1,9 Prozent belassen kann, ist fraglich. Millionen von Beschäftigen im öffentlichen Dienst wollen es nicht länger hinnehmen, dass ihre Löhne derzeit nur halb so schnell steigen wie die Preise.

    Die Regierung müsse ein "frisches Denken" einbringen, wenn in dieser Woche verhandelt wird. Sie müsse davon abrücken, die Lohnerhöhungen auf zwei Prozent zu begrenzen, verlangt Gary Smith von der Gewerkschaft GMB. Sonst müssten die Gewerkschaften auf Konfrontationskurs gehen zu der ihnen eigentlich nahe stehenden Labour-Führung.

    Damit gerät Premierminister Brown gut zwei Monate nachdem er Tony Blair als Regierungschef abgelöst hat in erste Schwierigkeiten. Laut den jüngsten Umfragen hat sich der deutliche Vorsprung der Labour-Partei auf die konservative Tory-Opposition, den sich die neue Regierung durch einen gelungenen Start erarbeitet hatte, bereits verringert. Ob Gordon Brown nun, wie spekuliert wurde, tatsächlich Neuwahlen ansetzt, möglicherweise schon im nächsten Monat, ist damit erst recht unklar.

    Der Premierminister, der mit der nächsten Wahl theoretisch noch bis 2010 warten kann, wäre bei einem vorgezogenen Urnengang zwar noch immer Favorit. Doch vor allem die Ermordung eines Elfjährigen in Liverpool hat für einen Stimmungsumschwung zugunsten der Opposition gesorgt. Mehr als die Hälfte der Briten geben nun Kriminalität als ihre größte Sorge an, vor allem die Jugendbandenkultur, die sich in vielen Städten auf der Insel ausgebreitet hat.
    Bei einer Parlamentswahl sollte es um ein großes Thema gehen - seiner Meinung nach darum, wie man Großbritanniens "zerbrochene Gesellschaft" heilen könne. So macht der Oppositionsführer David Cameron schon deutlich, dass er mit Forderungen nach einem härteren Vorgehen gegen Jugendkriminalität punkten will. Solche Ankündigungen kommen an, nachdem allein in London in diesem Jahr schon 19 Teenager von Altersgenossen ermordet wurden.

    Zustimmung zu verlieren droht die Regierung auch durch die Weigerung Browns, einen Termin zu nennen für den Rückzug der britischen Truppen aus dem Irak, und vor allem durch den immer heftiger werdenden Streit um den neuen EU-Vertrag. Dass Gordon Brown diesen Vertrag nur vom Parlament absegnen lassen will, dass er seinen Landsleuten ein ursprünglich zugesagtes Referendum nun verweigern will, mit dem Argument, es handele sich ja um keine Verfassung mehr, hat nicht nur bei der Opposition Empörung ausgelöst. Auch 120 Labour-Abgeordnete sollen mittlerweile die Forderung nach einer Volksabstimmung unterstützen, ein Drängen, dem sich Brown nur noch schwer entziehen kann, und das laut Meinungsumfragen von 81 Prozent der Briten geteilt wird.

    Selbst Gisela Stuart, die Labour-Abgeordnete, die einst den EU-Verfassungsentwurf mit ausgehandelt hatte im Auftrag der britischen Regierung, hat sich nun dem Verlangen nach einem Referendum angeschlossen. Alles andere wäre ein Vertrauensbruch - Worte, die Gordon Brown nun noch zusätzlich unter Druck bringen.