Archiv


Endlich (wieder) sattelfest

Fahrradfahren - das lernt man einmal und verlernt es nie wieder - theoretisch zumindest. Doch wer noch nie oder lange nicht mehr auf einem Drahtesel gesessen hat, hätte vielleicht gerne etwas Anschubhilfe. In spezielle Fahrradkursen, wie sie beispielsweise Fahrradvereine anbieten, entdecken Erwachsene das Glück auf zwei Rädern für sich.

Von Susanne Kuhlmann |
    Der Radius ist größer als beim Spazierengehen, man sieht mehr, es lassen sich Dinge erledigen oder transportieren - wer mit dem Fahrrad unterwegs ist, hat viel mehr Möglichkeiten als ein Fußgänger. Sollte sich die Kindheit in einer Stadt mit steilen Straßen abgespielt haben oder in einer Familie oder einem Kulturkreis, wo Fahrradfahren keine Rolle spielte, bleibt später nur eins: der Radfahrkurs für Erwachsene. Es gibt kommerzielle Angebote und solche von Vereinen.

    "Jetzt habe ich tatsächlich an einem Tag Fahrradfahren gelernt. Ich habe 31 Jahre gebraucht, aber ich habe nie gedacht, dass ich es irgendwann lernen könnte. Ich bin wirklich glücklich."

    Zweiter Tag beim Wochenendkurs des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs, ADFC in Bonn und Sissy ist begeistert. Geübt wird auf dem gepflasterten Gelände einer Firma, wo rot-weiße Hütchen einen Radweg mit Gegenverkehr markieren und auch als Slalomstrecke aufgebaut sind. Auf diesem Parcours wird gekurvt, gewendet, Handzeichen gegeben. Der erste Tag begann mit Gleichgewichtsübungen und mit dem Trainieren von Aufsteigen und Bremsen, erzählt die 45-jährige Ázuman.

    "Für mich ist das Anhalten nicht ganz so einfach, und Slalomfahren ist auch schwierig. Aber heute vor allem schwierig: Handzeichen geben, also eine Hand loslassen. Das war für mich sehr schwer heute. Man ist schon sicherer auf dem Rad, auch wenn es noch nicht hundertprozentig klappt. Aber man kann auch schon alleine, denke ich, unterwegs sein. Aber ich hatte ganz schön Muskelkater."

    "Radfahren lernen ist für unsere Kursteilnehmer Schwerstarbeit. Da braucht man viel Pausen und auch viel zu trinken."

    Paul Kreutz leitet die Radfahrschule des ADFC in Bonn und kümmert sich mit zwei oder drei weiteren Trainern um die Teilnehmer.

    "Wir haben ein ganz bestimmtes Übungsprogramm zum Aufsteigen und auch wieder Absteigen. Das lernen die Damen und Herren erst mal mit einer Pedale. Sie müssen auf die Pedale steigen, Schwung holen, sich in den Sattel setzen, dann wieder auf die Pedale stellen und dann stehen bleiben."

    Ganz zu Anfang Gleichgewichtstraining auf dem Laufrad, dann Losfahren und Bremsen mit einer Pedale üben - mit dem geeigneten Programm kann jeder Fahrradfahren lernen, meint Dr. Achim Schmidt von der Sporthochschule Köln. Wer als Kind oder Jugendlicher schon erste Erfahrungen gesammelt hat, greift sogar noch auf alte Bewegungsmuster zurück und kommt meistens schneller zurecht als absolute Anfänger.

    "Man muss nicht zwangsläufig einen Kurs belegen. Wenn man sich einigermaßen sicher fühlt, körperlich, motorisch, dann sollte man sich selber mal auf einen Parkplatz begeben und mal schauen, wie die Fähigkeiten so sind. Wenn man dann merkt, das ist jetzt schon sehr schwierig für mich, dann ist der Kurs bei einem der größeren Anbieter - zum Beispiel beim ADFC - sicherlich der richtige Weg, wieder in das Thema einen Einstieg zu finden."

    Auch die 45-jährige Jeremy ist eine Wiedereinsteigerin, die einen Teil ihrer täglichen Wege gerne wieder mit dem Rad erledigen möchte.

    "Ich würde gerne zur Arbeit fahren, am Rhein, ich wohne in Bonn. Das habe ich auch früher gemacht, aber vor ein paar Jahren. Ich möchte das einfach wieder machen."

    Angelika ist 64 und hatte mit Anfang zwanzig einen schweren Sturz mit dem Fahrrad. Jetzt träumt sie vom Elberadweg, aber die nötige Sicherheit fehlt ihr am zweiten Kurstag noch.

    "Ich kann zwar noch nicht wieder Radfahren, aber ich habe deutlich mehr Vertrauen zu dem Teil. Ich muss sagen, wie die das hier in Bonn machen, das ist einfach toll. Ich werde mich wahrscheinlich noch mal anmelden, weil ich das heute sicher noch nicht auf die Reihe kriege. Aber so langsam kriege ich wieder Vertrauen zu dem Fahrrad. Und das ist, glaube ich, mal die Voraussetzung dafür."

    Manche Wiedereinsteiger und ältere Menschen glauben, mit einem Pedelec, also einem Elektrofahrrad besser zurechtzukommen. Achim Schmidt von der Sporthochschule Köln ist anderer Ansicht.

    "Das Problem dabei ist, dass ich deutlich schneller fahre, also durchaus 5, 6, 7 km/h schneller fahre, als ich alleine fahren würde. Und das stellt gerade den Radanfänger, aber auch geübtere Radfahrer vor große Probleme."

    Er rät, zuerst wieder auf einem normalen Fahrrad zu üben und danach bei Bedarf aufs E-Bike umzusteigen. Ideal wäre dann ein Fahrsicherheitstraining, das Fahrradclubs und private Veranstalter allerdings im Moment erst ganz vereinzelt anbieten.

    Mehr zum Thema:

    Der ADFC bietet regelmäßig Fahrradfahrschulen für Erwachsene an.