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Endzeit: Westerwelle taucht auf

Die FDP auf der Schlussgeraden im Wahlkampf, in Kleve am Niederrhein. Natürlich ist Christian Lindner da, aber auch der einstige FDP-Chef Westerwelle steht auf der Bühne. Hier ist wichtiger, was von den Beiden nicht gesagt wird - denn das spricht Bände.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 12.09.2013
    "Ich werde mal kurz nach dem Hauptgeschäftsführer der FDP suchen und fragen, ob Christian Lindner schon eingetroffen ist ... "

    Wieso das denn? Guido Westerwelle guckt pikiert – wieso Lindner, wieso jetzt noch warten und nicht anfangen, ich bin doch da, sagt dieser Gesichtsausdruck ...

    " ... oder ... Herr Westerwelle, ich frage Sie sonst, ob Sie möchten, dass Sie beginnen, dass Sie auf die Bühne kommen, meine Damen und Herren ... dann, äh, würd' ich sagen, beginnen wir mit der Rede des Bundesaußenministers Dr. Guido Westerwelle!"

    Kleve am Niederrhein: Ausgerechnet Jürgen Möllemann ist hier mal zur Schule gegangen. Sonst gibt es über Kleve nicht so furchtbar viel zu sagen, und so fackelt Westerwelle nicht lange: Nach einer Minute Redezeit landet er zwischen Sparkasse und Turm-Café mitten im Syrien-Konflikt:

    "Wir leben in ausgesprochen ernsten Zeiten. Wir haben in Syrien 100.000 Tote zu beklagen, und wir haben ein Chemiewaffeneinsatz am 21. August gehabt."

    Die örtlichen Liberalen haben auf dem kleinen Marktplatz Mann und Maus zusammengetrommelt – es gibt Applaus für den Außenminister. Staatsmännisch und ernst tritt er hier auf - nur gelegentlich blitzt der "alte" Westerwelle hervor:

    "Wir müssen in unserem Land ein Klima haben, wo sich Leistung lohnt und wo derjenige, der morgens aufsteht und fleißig ist."

    Ein bisschen Innenpolitik muss sein – aber eigentlich will Westerwelle vor allem als Außenminister punkten. Sein Regierungsamt ist nicht gerade wenig, und doch das Einzige, was die Partei ihm gelassen hat, seitdem jene liberale Boygroup namens Rösler-Bahr-Lindner den Chef vor zwei Jahren vom Hof jagte. Westerwelle, der Ex-Parteichef, hat das bis heute nicht vergessen – das ist auch in Kleve noch zu spüren:

    "Und jetzt begrüße ich besonders herzlich ... und ich schlage vor, dass du rauf kommst ... weil, hier oben ist es ehrlich gesagt ein Stück trockener ..."

    Nur wegen des Regens darf sein einstiger politischer Ziehsohn also offenbar mit auf die Bühne.

    "Den Christian Lindner, unseren Partei- und unseren Fraktionsvorsitzenden in Nordrhein-Westfalen ... heißen Sie ihn mit mir sehr herzlich willkommen."

    Da stehen sie nun plötzlich zu zweit, Linder im dunklen Anzug, Westerwelle blass, mit dickem Schal um den Hals. Es gibt keine Umarmung, dafür aber gleich zig vielsagende Fotos, auf denen Westerwelle in die eine, und Linder in die andere Richtung guckt.

    "Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, liebe Bürgerinnen, liebe Bürger ... "

    Es folgen die gleichen Bilder, nur umgekehrt: Während nun der Jüngere redet, guckt der Ältere freundlich, aber keinesfalls begeistert. Selbstverständlich hält Guido Westerwelle sich selbst noch immer für den besten Wahlkämpfer, auch wenn er das so direkt nie sagen würde:

    "Jetzt heute? Ach, ich glaube, dass man da keine Noten vergeben muss, das ist nicht erforderlich ..."

    Erklärt Westerwelle anschließend im Interview mit unserem Sender. Man muss schon genau hinhören, um mitzubekommen, dass er dann selbstverständlich doch noch Noten vergibt: Ganz am Ende seiner Antwort ein Lob für Christian Linder, und drei Mal Lob für sich selbst:

    "In aller Bescheidenheit ... wir haben ja auch in den letzten Jahren wirklich sehr gute Wahlergebnisse immer wieder in Nordrhein-Westfalen schaffen können. Christian Lindner hat das fabelhaft gemacht in Nordrhein-Westfalen. Und auch die letzten drei Bundestagswahlen waren ja wirklich ausgesprochen erfolgreich für die FDP."

    Neulich gab es wieder Gerüchte, Westerwelle sei ja nur deshalb so viel im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen unterwegs, um es allen in seiner Partei noch mal zu zeigen: dass es ohne ihn nicht geht. Eine späte Rache für seinen erzwungenen Rückzug vom Parteivorsitz ...

    "Das ist alles vergossene Milch und alles Schnee von gestern ..."

    "Das ist Unsinn und ausgedacht ... "

    Findet auch Christian Lindner. Westerwelle sei bei der Bundestagswahl nun mal der Spitzenkandidat in NRW. Ganze 37 Termine absolviert er hier. Philipp Rösler kommt hingegen nur drei Mal in das so wahlentscheidende bevölkerungsreichste Bundesland. Parteikreise müssen erst einmal mühsam überlegen, bevor ihnen diese drei Termine überhaupt einfallen. Dazu ein leichtes Grinsen. Christian Lindner redet hingegen Klartext – seine Botschaft richtet sich an den Spitzenkandidaten Westerwelle. Eine Absage an Machtspielchen:

    "Diesen Wahlkampf für den Landesverband verantwortet der Landesvorsitzende, und das bin ich!"

    Ausgerechnet in diesem Moment erinnert Lindner so sehr an den Ex-Steuermann Westerwelle, der vor Jahren schon auf jedem Schiff, das dampft und segelt, derjenige sein wollte, der die Sache regelt. Doch genau das nimmt jetzt Linder für sich in Anspruch – wenn auch vorerst nur in Nordrhein-Westfalen. Noch einmal ist der Adressat jetzt Guido Westerwelle:

    "Er ist unser Spitzenkandidat, also insofern ist es nicht sein, sondern es ist unser Wahlkampf. Und gemeinsam haben wir ein Interesse daran, dass die FDP-Gesamtpartei davon profitiert, dass wir hier ein gutes Ergebnis erzielen."

    Bei so viel Gemeinsamkeit bleibt eigentlich nur eine Frage – warum die FDP überall in NRW mit diesem einen Plakat wirbt, auf dem zwei Liberale abgebildet sind, die gar nicht für den Bundestag kandidieren: nämlich Genscher und Linder. Guido Westerwelle erklärt das so:

    "Ja, weil das ein Plakat ist, das drei Nordrhein-Westfalen zeigt!"

    Ach so. Westerwelle selbst ist übrigens auch auf dem Wahlplakat zu sehen. In der ersten Reihe. Das eigentliche Spitzenduo der FDP, Rösler-Brüderle – fehlt hingegen, aber nur, weil die beiden nicht aus Nordrhein-Westfalen kommen.