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Energiespar-Gang

Biomechanik. - Biomechaniker vermessen, wie die unterschiedlichsten Tierarten Bewegungsabläufe gelöst haben und vergleichen sie miteinander. Forscher aus Belgien haben jetzt auch Elefanten vermessen und mit einem ziemlich aufwendigen Experiment das Geheimnis ihres Gangs herausgefunden.

Von Kristin Raabe |
    Wenn sich die ansonsten eher gemütlichen Elefanten doch einmal zu höheren Geschwindigkeiten aufraffen, bietet sich dem Zuschauer bei genauerem Hinsehen ein seltsames Bild. So rennt sonst kein anderes Tier: Mit den Vorderbeinen scheinen Elefanten einfach nur schnell zu gehen, die Hinterbeine machen eher so etwas wie einen munteren Trab. Diese Beobachtung ist aber nicht der einzige Grund, warum Norman Heglund von der Katholischen Universität im belgischen Löwen sich so sehr für die Fortbewegung der Elefanten interessierte:

    "Weil sie so groß sind – deswegen wollte wir sie unbedingt untersuchen. In der Biologie ändert sich einfach alles mit der Größe, die Herzfrequenz beispielsweise. Wie die Muskeln, ja der ganze Körper arbeitet – all das hängt von der Größe ab. Elefanten sind nun mal die größten landlebenden Tiere. Wir mussten sie einfach vermessen."

    In einer ersten Studie untersuchten Norman Heglund und sein Team, den Sauerstoffverbrauch der Elefanten. Dadurch lässt sich errechnen, wie viel Energie ein Tier bei der Fortbewegung verbraucht. Um den Sauerstoffverbrauch der Tiere zu messen, verpasste der Forscher afrikanischen Elefanten im Zoo eine gigantische Maske die Mund und Rüssel der Tiere umschloss.

    "Sie verbrauchen bei der Fortbewegung pro Kilo Körpermasse weniger Energie als jedes andere Tier. Das kam allerdings nicht ganz unerwartet. Da der Energieverbrauch immer mit der Körpermasse abnimmt. Wenn aber die Arbeit, die bei der Fortbewegung verrichtet wird, gleich bleibt, bedeutet das, dass Elefanten extrem effiziente Energieverwerter sind. Wir wollten wissen: Sind Elefanten supereffizient?"

    Jetzt musste Norman Heglund nur noch die Kräfte untersuchen, die Elefanten bei der Fortbewegung aufbringen. Dazu verwendet er gewöhnlich bei Menschen in seinem Labor eine sogenannte Kraft-Plattform. Mit ihr kann er einfach alle Kräfte messen, die jemand beim Gehen oder Rennen über diese Plattform aufbringt. Für die Elefanten musste das alles ein wenig größer sein:

    "Die Kraftplattform besteht aus 16 Platten, von der jede einen Quadratmeter groß ist und etwa 300 Kilo wiegt. Wir mussten also 6 Tonnen Ausrüstung nach Thailand verschiffen, um dort die Elefanten zu untersuchen."

    Im Thailändischen Elefantenschutzzentrum in Lampeng haben Elefantenführer – die sogenannten Mahouts – ihre Tiere über die Plattform laufen lassen. Dabei waren die gut trainierten Tiere extrem kooperativ – von einer Ausnahme abgesehen.

    "Wir hatten einen Elefanten, der irgendwie sauer auf uns war. Er trompetete wild und schoss mit den Füßen Dreck auf uns und unsere Ausrüstung"

    Als die Forscher aus Belgien alle Daten ausgewertet hatten, war klar: Elefanten sind keine supereffizienten Energieverwerter. Einen Trick haben sie allerdings: Bei der Fortbewegung machen sie sich so wenig Arbeit wie möglich.

    "Sie haben einfach einen ungewöhnlichen Gang. Elefanten bewegen zuerst die beiden Beine einer Seite und dann die der anderen. Die meisten anderen Vierbeiner bewegen ihre Beine diagonal. Elefanten bewegen zuerst den rechten Vorderfuß mit dem rechten Hinterfuß und dann die Beine der linken Seite. Gleichzeitig versuchen sie immer möglichst viele Beine am Boden zu lassen. Wenn sie sich sehr langsam bewegen ist immer nur ein Bein in der Luft. Bei einem schnelleren Tempo bleibt auch immer mindestens ein Fuß am Boden, meistens sind es zwei. Das Ergebnis dieser besonderen Gangart ist, dass der Körperschwerpunkt eines Elefanten sich bei jedem Schritt nur wenige Zentimeter auf und ab bewegt. Das ist viel weniger als es bei einem gehenden Menschen der Fall ist. Und das bei einem großen Elefanten."

    Würde ein etwa drei Tonnen schwerer erwachsener Elefanten seinen Körperschwerpunkt bei jedem Schritt so sehr nach oben wuchten, wie ein Mensch es tut, dann bräuchte er dafür ungeheure Mengen Energie. Die Forschungen von Norman Heglund geben auch einen Hinweis, wie noch größere - schon längst ausgestorbene Tiere - ihren Energieverbrauch minimieren konnten. Dinosaurier, wie der gigantische Apatosaurus, hatten höchstwahrscheinlich auch eine besonders sparsame Gangart.