Archiv


Entscheidung zwischen Job und Master

Ohne Promotion ist es für Naturwissenschaftler kaum möglich, in der Industrie oder in Forschungseinrichtungen Karriere zu machen und eine leitende Position zu übernehmen. Für Chemie-, Biologie - oder Physikstudenten macht der Bachelor deshalb nur Sinn wegen der internationalen Vergleichbarkeit der Abschlüsse. Ohne Master fürchten sie um ihre spätere berufliche Karriere.

Von Solveig Grahl |
    " Also ganz klar, wir haben im Körper das Problem, dass wir den Wirkstoff erst mal dahin bringen müssen, wo er hin soll, Also wir nehmen ihn irgendwie über den Darm auf ... "

    Chemievorlesung an der Universität Konstanz. Eine kleine Gruppe von Studierenden lauscht den Ausführungen von Juniorprofessor Thomas Exner und schreibt eifrig von der Tafel ab. Auch Thomas Lohmiller. Der 23jährige studiert Life Science, eine Mischung aus Biologie und Chemie. Im vergangenen Sommer hat er seinen Bachelor-Abschluss gemacht. Jetzt sitzt er im ersten Semester des Master-Studiengangs. Nach dem Bachelor gleich ins Berufsleben einzusteigen, das kam für den Schwaben nicht in Frage:

    "In naturwissenschaftlichen Studiengängen ist es eher schwierig, nach sechs Semestern einen Abschluss zu haben, der einen wirklich fürs Berufsleben qualifiziert. Gerade in der Biologie und der Chemie, wo über 80 Prozent der Studierenden nach der Diplomarbeit noch eine Doktorarbeit anschließen. "

    Und das hat seinen Grund: Ohne Promotion ist es für Naturwissenschaftler kaum möglich, in der Industrie oder in Forschungseinrichtungen Karriere zu machen und eine leitende Position zu übernehmen. Für Chemie-, Biologie - oder Physikstudenten mache der Bachelor deshalb nur Sinn wegen der internationalen Vergleichbarkeit der Abschlüsse, glaubt Thomas Lohmiller. Es sei damit leichter, im Ausland einen Praktikumsplatz zu bekommen oder dort eine zeitlang zu studieren. Verkürzen würde sich das Studium mit den neuen Abschlüssen nicht, da eben so gut wie alle den Master machten:

    "Ich weiß jetzt von niemandem, der Bewerbungen losgeschickt hat. Ein Punkt ist halt auch, dass es in der Industrie oder in der Wirtschaft keine Berufsbilder für Bachelorabsolventen gibt. Das kann irgendwann mal sein, zum Beispiel dass man dann mit dem Bachelor einen Beruf anfängt und die Spezialisierung, die durch den Master erfolgt, dass das dann die Firmen selber machen. Das könnte ein Zukunftsmodell sein."

    Für Bastian Stetter war der Bachelor eigentlich ein Zukunftsmodell. Drei Jahre studieren, schnell den akademischen Abschluss in der Tasche - und dann ins Berufsleben durchstarten. So hatte sich der Wirtschaftsinformatiker das ursprünglich vorgestellt. Im vergangenen Sommersemester hat der 24jährige an der Universität Stuttgart den Bachelor gemacht - und sitzt jetzt trotzdem wieder in Vorlesungen:

    "Für mich hat es sich rausgestellt, dass ich den Master machen muss. Dann bin ich auf der Stufe, die der Diplomwirtschaftsinformatiker auch erreicht. Und ich denke, beim Master haben die Unternehmen auch nicht so die Berührungsängste. Ich möchte nicht immer, dass die Leute schmunzeln, wenn ich meinen Titel nenne. Es gab mal einen Professor, das war am Anfang meines Studiums, der hat sich so ausgedrückt: Der Bachelor ist der besser bezahlte Sachbearbeiter."

    Die Bachelor-Ausbildung an der Universität sei zwar breit angelegt, gehe aber nirgendwo richtig in die Tiefe, findet der 24jährige Student. Seit Beginn seines Studiums arbeitet Stetter nebenbei in einer Unternehmensberatung im IT-Bereich. Ohne diese Praxis-Erfahrung würde er sich nach sechs Semestern Bachelor-Studium sehr unqualifiziert fühlen, sagt der Wirtschaftsinformatiker. Und für eine spätere verantwortungsvolle Position in einem Unternehmen reiche das bloße Bachelor-Wissen sicherlich nicht aus:

    "Ich hatte das Gefühl, ich muss mich noch spezialisieren, weil ich sonst überall nur normal bin. Ich wollte mich so spezialisieren, dass auch Unternehmen sehen: Der Bewerber hat das Profil, das passt genau auf uns. Ich wollte nicht so nach dem Gießkannenprinzip ein bisschen hier was können, ein bisschen hier was können."

    Studenten wie Thomas Lohmiller und Bastian Stetter fürchten ohne den Master um ihre spätere berufliche Karriere - und sind damit in guter Gesellschaft. Laut einer Studie des Hochschulinformationsdienstes aus dem Jahr 2005 startet bislang nur ein Viertel der Bachelor-Absolventen direkt ins Berufsleben. Die anderen bleiben an der Uni. Das könnte sich mit den Jahren allerdings ändern. Bereits heute machen große Unternehmen wie DaimlerChrysler, IBM oder die Deutsche Bahn Werbung für den noch sehr jungen Abschluss: Ganz explizit fordern sie Bachelor-Absolventen auf, sich bei ihnen zu bewerben - mit der Aktion "Bachelor Welcome".