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EPO verkürzt das Leben

Epo ist allem Anschein nach gefährlicher als bisher angenommen. Bei Krebsexperten verstärkt sich der Verdacht, dass das Wachstumshormon mehr schadet als nützt. Denn Erythropoietin, wie Epo medizinisch heißt, fördert nicht nur die Bildung von roten Blutkörperchen, sondern es fördert auch das Wachstum von Krebszellen und macht sie zudem unempfindlicher gegen Kebstherapie.

Von Margrit Braszus | 11.03.2008
    Strahlen- oder Chemotherapie schlagen weniger gut an, die Heilungschancen sinken. Nach den neuesten Erkenntnissen, warnt der Freiburger Krebsforscher Michael Henke, sollte Epo nicht mehr bedenkenlos verabreicht werden:

    "Was jetzt rausgekommen ist bei dieser Metaanalyse, wo wir eben diese Studien zusammengefasst betrachtet haben, das ist eine rote Karte, die bedeutet für Ärzte und auch für Patienten, EPO nicht standardmäßig Krebspatienten zu geben, sondern sehr wohl abzuwägen, wer hat davon Gewinn, wer hat davon Nachteile."
    Erste Hinweise zur negativen Wirkung von Epo gab es bereits 2003: Krebsforscher Michael Henke und seine Kollegen wiesen nach, dass Patienten mit Tumoren im Hals- Kopfbereich früher gestorben waren, wenn sie Epo bekommen hatten, die Todesrate war um 10 Prozent gestiegen. Die neuen Studien, bei denen sie Befunde von über 13.000 Patienten analysiert hatten, belegen jetzt, dass ein erhöhtes Sterblichkeitsrisiko auch bei Brustkrebs, Gebärmutterhalskrebs und Bronchial-karzinomen besteht. Die Ergebnisse der Freiburger Studie haben zu Verunsicherungen geführt- was sollen Ärzte nun tun?
    "Ich denke, die Sicherheit der Patienten geht klar vor, insbesondere, was die Lebenserwartungen angeht. Und wir möchten nicht mit einem Medikament die Effekte, die wir durch Therapie ausgelöst haben, wieder rückgängig machen, indem wir ein Medikament einsetzen, welches das Tumorwachstum beschleunigt."

    Der Onkologe Thomas Bauknecht vom Freiburger Josefs - Krankenhaus hat Konsequenzen aus der Studie gezogen: Er hat das Medikament bei seinen Patienten abgesetzt und greift auf die klassische Bluttransfusion zurück.

    Epo ist seit vielen Jahren das am meisten eingesetzte Mittel in der Krebstherapie, um Blutarmut entgegenzuwirken. Denn es sorgt dafür, dass der Körper neue rote Blutkörperchen bildet, die für die Sauerstoffaufnahme wichtig sind. Ein großer Vorteil des Präparats besteht vor allem darin, dass es - im Gegensatz zur Bluttransfusion - verabreicht werden kann, ohne die Blutgruppe des Patienten zu berücksichtigen.

    Die neuen Erkenntnisse über Epo , so hofft Experte Michael Henke, werden dazu führen, dass man mit der Gabe von blutbildenden Mitteln nicht - wie bisher - allzu großzügig umgeht:

    "Das hört jetzt auf. Man wird eine kritische Indikation stellen, man wir eine individuelle Indikation stellen, man wird auf den Patienten eingehen. Viele Kollegen sind auf Bluttransfusion zurückgegangen, und ich glaube man muss ein bisschen unterscheiden, wie der Einzelfall ist. Man wird nicht sagen, dass alle Leute, die Epo bekommen, heute eine Bluttransfusion kriegen, das wäre sicherlich falsch. Aber man wird sich im Einzelfall überlegen, ob nicht die Bluttransfusion vielleicht das bessere "Medikament" - in Anführungsstrichen - für den Patienten ist."

    Bei welchen anderen Krebsarten Erythropoietin mehr Schaden anrichtet, als es nützt und also eine Bluttransfusion erfolgen sollte, das wollen die Mediziner der Universität Freiburg in weiteren Studien abklären.