Mittwoch, 24. April 2024

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Erbschaftssteuer
"Die großen Familienunternehmer werden sehr stark belastet"

Angesichts schwankender Märkte und der Digitalisierung sei es heutzutage schwierig, ein Unternehmen erfolgreich in die Zukunft zu führen, sagte Lutz Goebel, Präsident im Verband der Familienunternehmer, im DLF. Wenn eine Firma mit Konjunkturproblemen zu kämpfen habe, könne sie durch die Erbschaftssteuer ganz schnell in die Pleite rutschen.

Lutz Goebel im Gespräch mit Christine Heuer | 20.06.2016
    Portraitfoto eines Mannes in mittleren Jahren mit grau-blonden Haaren, der milde lächelt und einen Anzug trägt
    Ist nicht mit dem neuen Gesetz einverstanden - der Präsident im Verband der Familienunternehmer, Lutz Goebel (Imago Müller Stauffenberg)
    Heuer: Die Erbschaftssteuer wird reformiert. Wonach ist Ihnen heute mehr, Sekt oder Selters?
    Goebel: Weder noch oder sowohl als auch. Ich bin hin und hergerissen. Es ist jetzt da ein doch relativ kompliziertes Gesetz herausgekommen, was zum Glück den Schaden für viele Familienunternehmer begrenzt. Auf der anderen Seite werden die großen Familienunternehmer auch sehr, sehr stark belastet, viel mehr als früher. So bin ich also hin und hergerissen.
    Heuer: Sie selbst leiten ja ein mittelständisches Maschinenbau-Unternehmen. Fangen wir damit an. Machen Sie sich selber Sorgen um Ihren Betrieb?
    "Ein Unternehmen erfolgreich in die Zukunft zu führen, ist schwierig"
    Goebel: Ja, Sie müssen das folgendermaßen sehen: In der heutigen Zeit ist es so, dass wir alle Unternehmen strukturell extrem herausgefordert sind. Wir haben sehr schwankende Märkte, wir haben das Thema der Digitalisierung. Ein Unternehmen erfolgreich in die Zukunft zu führen, ist per se schon mal schwierig.
    Dann haben wir als Besonderheit bei den Familienunternehmern immer das Thema Nachfolger, jemanden zu finden, der bereit ist und in der Lage ist, das Unternehmen zu führen. Und wenn wir dann solche Substanzsteuern haben, wie hier die Erbschaftssteuer, dann kommen die Kinder zu uns und sagen, unter solchen Bedingungen will ich das Unternehmen gar nicht haben. Davor habe ich ein bisschen Sorge und das höre ich auch von den Familienunternehmern immer mehr.
    Heuer: Gibt es ein Familienunternehmen in Deutschland, das wegen der Erbschaftssteuer dicht gemacht hätte, abgewandert wäre oder auch Pleite gegangen ist?
    Goebel: Ja, da macht man es sich zu einfach. Es ist natürlich nie so oder ganz selten so, dass wegen einer einzigen Ursache das Unternehmen gleich in die Knie geht. Aber wenn ein Unternehmen schwach ist oder wenn es Konjunkturprobleme gibt, und dann kommt die Erbschaftssteuer on top, die bezahlt werden muss, dann kommt man ganz schnell in schwieriges Fahrwasser und dann kann es durchaus passieren, dass man in die Pleite rutscht, und das müssen wir natürlich verhindern.
    Heuer: Aber passiert ist es noch nicht, Herr Goebel?
    Goebel: Ja gut. Die Erbschaftssteuer war ja in den letzten Jahren noch relativ bevorzugt für die Familienunternehmen, weil die Politik erkannt hat, welche Bedeutung die Familienunternehmen für Deutschland haben. Und da müssen wir auch in Zukunft gucken, dass die nicht durch so eine Substanzsteuer praktisch ins Grab gebracht werden.
    Heuer: Aber da hilft Ihnen die Große Koalition ja gerade kräftig und stützt Sie, denn so viel ändert sich mit dem neuen Gesetz ja gar nicht. Firmenerben können weiter auf viele Ausnahmen von der Erbschaftssteuerpflicht setzen.
    Goebel: Verwaltungsvermögen muss jetzt komplett versteuert werden
    Goebel: Ja da muss man jetzt mal genauer hinschauen. Bei den kleinen Unternehmen ist es ja so, dass praktisch ab fünf Mitarbeiter jetzt auch eine Dokumentationspflicht ist, dass man nachweisen muss, in welcher Form man die Lohnsumme erhält. Das ist ganz neu geworden. Früher begann das erst bei 20 Mitarbeitern. Dadurch kommen viele neue Unternehmen mit hinein.
    Das Zweite ist: Die großen Unternehmen, die einen Unternehmenswert haben von über 26 Millionen pro Erbe, die müssen entweder eine Bedürfnisprüfung erfüllen, also nachweisen, dass sie die Erbschaftssteuer nicht bezahlen können, um verschont zu werden, oder praktisch gibt es so ein Abschmelzmodell. Das ist relativ kompliziert.
    Aber eins trifft praktisch fast alle Familienunternehmen, und zwar, dass wir unser Verwaltungsvermögen - das sind die liquiden Mittel oder auch Grundstücke, die nicht betriebsnotwendig sind - komplett versteuern müssen, und das ist neu. Damit sind doch sehr viele jetzt mittlerweile betroffen, die früher außen vor waren.
    Heuer: Herr Goebel, Sie sagen, das Gesetz ist äußerst kompliziert. Da kann ich Ihnen nur recht geben. Es ist wirklich schwierig, zu durchdringen. Machen wir es noch mal einfacher. Sie sagen, die großen Familienunternehmen, das sind die mit einem Betriebsvermögen über 26 Millionen Euro, denen werde das Leben schwer gemacht. Wenn ich das richtig verstanden habe, betrifft das ein Prozent der deutschen Unternehmen?
    Goebel: Ja, das kann durchaus sein, dass die Anzahl der Unternehmen, dass das nur ein Prozent ist. Aber das sind natürlich die Schwergewichte, die auch den Großteil der Beschäftigung haben, und deswegen ist das schon von der Größe und der Beschäftigungswirksamkeit extrem wichtig.
    Heuer: Machen Sie mal ein Beispiel, Herr Goebel. Über welche Art Unternehmen reden wir, die jetzt durch die neue Erbschaftssteuer, durch die Reform in Gefahr geraten?
    Goebel: Das sind so Firmen wie Heraeus, Henkel, Haniel, Miele, die da im ganz großen Stil von betroffen werden, die zwei bis dreistellige Millionenbeträge an Erbschaftssteuer zu zahlen haben.
    Heuer: Und wegen solcher Beträge könnte es sein, dass Henkel Pleite geht?
    Goebel: Henkel ist ja noch an der Börse notiert und Pleite gehen werden die im Zweifel nicht. Aber wir reden über riesige Summen und das wollte ich Ihnen nur mal sagen. Es ist ja die Frage, ob die noch in der Zukunft in der Lage sind, praktisch so erfolgreich für Deutschland zu wirtschaften, und ob die jetzt immer gleich null oder eins Pleite gehen, das ist ja noch eine andere Frage.
    Goebel: Von der Flat Tax zur Fat Tax wäre gefährlich
    Heuer: Das neue Gesetz soll dem Staat gerade einmal 235 Millionen Euro im Jahr mehr einbringen. Wie kann so etwas gefährlich sein, weil wir reden ja über Unternehmen mit einer deutlich größeren Wirtschaftskraft?
    Heuer: Das neue Gesetz ist wahnsinnig kompliziert. Wir haben jetzt ganz viele verschiedene Details auch angesprochen in unserem Gespräch. Wäre es Ihnen eigentlich lieber gewesen, man hätte diese ganzen Ausnahmetatbestände abgeräumt und dafür die Erbschaftssteuer einfach gesenkt?
    Goebel: Ja. Es wird ja immer wieder diskutiert, und das ist nicht unberechtigt, dass man sagt, wir schaffen das alles ab, keine Ausnahmen mehr, keine Sondertatbestände, wir machen eine Flat Tax und die ist dann einfach zu berechnen, kann jeder nachvollziehen und da sind alle in einem kleinen Umfang betroffen, nicht wie heute bei den hohen Steuersätzen. Das einzige große Risiko dabei ist, dass natürlich die nächste Bundesregierung dann sagt, nicht mehr Flat Tax, fünf bis acht Prozent auf alles, sondern wir erhöhen das mal eben schnell auf 15 oder 20 Prozent, und dann ist es eine Fat Tax und das ist für Unternehmen sehr, sehr gefährlich. Aber eine so komplexe Steuer, da haben Sie recht, ist angreifbar. Die wird wahrscheinlich wieder vor dem Bundesverfassungsgericht landen, weil das Thema Privatvermögen in unseren Augen - wir haben da einige Studien gemacht - wohl nicht halten wird. Und es wird sehr kompliziert. Die Finanzbehörden können zu einem Erben nach Hause gehen und sagen, was hast Du denn da an der Wand hängen, das gefällt uns aber gar nicht, dafür kannst Du Erbschaftssteuer bezahlen.
    Heuer: Eine lange Zukunft sagen Sie dem neuen Gesetz nicht voraus, wir bleiben im Gespräch, Herr Goebel?
    Goebel: Ganz genau. So wird es sein.
    Heuer: Lutz Goebel, Präsident im Verband der Familienunternehmer war das im Interview mit dem Deutschlandfunk. Haben Sie vielen Dank!
    Goebel: Ja danke schön! - Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.