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Erdbeobachtung
Durch die Augen des Wächters

Die Europäische Weltraumbehörde ESA will mit Unterstützung durch EU-Gelder die Erde rund um die Uhr beobachten - mit einer ganzen Flotte von Satelliten, umfassender und genauer als je zuvor. Anfang April ist der erste Satellit "Sentinel", zu deutsch Wächter, gestartet und liefert inzwischen erste Bilder.

Von Benedikt Schulz | 08.05.2014
    Sichtlich stolz präsentiert Volker Liebig die ersten Aufnahmen von Sentinel 1A. Liebig, bei der ESA Direktor für Erdbeobachtungsprogramme, erläutert die technischen Details des gut zwei Tonnen schweren Satelliten. Wenn die Testphase im Sommer abgeschlossen ist, wird Sentinel etwa 1,8 Terabyte an Daten zur Erde senden - pro Tag.
    Ein Bild der westantarktischen Pine-Island-Gletscherzunge, wie in einem impressionistischen Gemälde wälzen sich die Eismassen Richtung Ozean - daneben Aufnahmen des Salar de Uyuni, einer riesigen Salzpfanne in Bolivien. Beeindruckende Ansichten unseres Planeten. In Zukunft soll die Erde flächendeckend und alle paar Tage aktualisiert in dieser Qualität abgebildet werden. Bisher liefert nur Sentinel 1A Daten, gestartet vor genau fünf Wochen in Französisch-Guyana - sein Zwillingsbruder Sentinel 1B soll 2015 folgen.
    Umweltkatastrophen schneller bemerken
    Sentinel arbeitet mit Radartechnologie. Gegenüber optischen Sensoren hat das den Vorteil: Aufnahmen sind auch bei dichter Bewölkung und nachts möglich. 560 Einzelantennen liefern kontinuierlich Daten und ermöglichen so einerseits, langfristige Umweltentwicklungen auf breiter Basis zu untersuchen und andererseits, plötzliche Ereignisse wesentlich schneller zu bemerken - zum Beispiel Ölkatastrophen auf offenem Meer.
    "Das Programm ist für die Umwelt der Schritt, den wir vor 30 Jahren in der Meteorologie gemacht haben, nämlich der Aufbau eines operationellen Satellitenbeobachtungssystems, damit wir ständig Daten von unserem Planeten haben."
    So sollen die Satelliten in der Klimafolgenforschung eingesetzt werden - etwa durch Beobachtung von Meereis. Bei Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Fluten könnten die Daten die Koordinierung von Rettungsmaßnahmen unterstützen. Doch die Sentinel-Zwillinge sollen auch anderen Zwecken dienen - zum Beispiel im Kampf gegen Piraterie, aber auch: im Kampf gegen illegale Einwanderung. Sentinel bedeutet übersetzt: Wächter. Und so wird wohl auch die europäische Außengrenzen-Agentur Frontex auf die hochaktuellen Bilder zurückgreifen - denn sie sollen zukünftig im Netz frei zugänglich sein. Die Sentinel-Satelliten könnten helfen, Boote mit Flüchtlingen schnell zu entdecken. Einen Missbrauch zu militärischen Zwecken, etwa im Syrienkonflikt, hält Volker Liebig für unwahrscheinlich:
    "Also grundsätzlich ist ja Technik neutral und man kann sie für alles nutzen. Wir haben die Möglichkeit, das hat das EU-Parlament entschieden, sollte es zu Konflikten kommen in irgendwelchen Regionen, kann man auch die Veröffentlichung von bestimmten Regionen aussetzen für die Zeit des Konfliktes."
    Im Sommer erste Bilder im Internet
    Die Betreiber erhoffen sich von der nicht-wissenschaftlichen Nutzung aber vor allem großes wirtschaftliches Potenzial für Europa, zum Beispiel in der Landwirtschaft und im Straßenbau, aber auch bei der Suche nach geeigneten Orten zur CO2-Speicherung. Und gegenüber dem mächtigen Konkurrenten im Netz - Google Earth - habe das Sentinel-Programm entscheidende Vorteile, betont Liebig, und zwar:
    "...dass diese Daten alle drei bis fünf Tage kommen, von jedem Punkt zum Beispiel in Europa, im Gegensatz zu Google, wo man ein Datum hat, was vielleicht zwei Jahre alt ist."
    Doch die Masse an komplexen Daten dürfte für den Privatnutzer wohl eher uninteressant sein und ist deutlich für professionelle Anwendungen ausgelegt. Im Sommer - so der Plan - soll die Testphase abgeschlossen sein: Über die Copernicus-Website kann dann jeder sehen, was Sentinel 1A mit seinen 560 Radaraugen sieht.