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Erfolgreich in der Nische

Tiefrot ist er und süß: der Holunderbeersaft, oder auch Fliederbeersaft genannt. Die meisten Hersteller dieses beliebten Getränks erhalten die Früchte von wild wachsenden Bäumen. Denn in Deutschland gibt es kaum Holunderbeerfarmen. Ein Küchenhändler in Schleswig-Holstein hat diese Marktnische vor ein paar Jahren für sich entdeckt und ist inzwischen leidenschaftlicher Ökobauer. Rund 3000 Bäume hat er pro Jahr abzuernten, wenn die Holunderbeeren reif sind, wie zur Zeit.

Von Mathias Mainholz |
    Torsten Schumacher schließt das Gatter zu einem seiner drei Holunder-Felder auf. Vor sechs Jahren hat er 3000 Bäume mitten in die Hügellandschaft der Stormarner Schweiz bei Hamburg gepflanzt. Heute tragen seine Bäume schon richtig schwer an den tellergroßen Dolden mit den schwarzen Beeren:

    " Ja, nun sind wir auf dem Schlag, der hat ungefähr 800 Bäume. Ist der ertragreichste Schlag. Hier ist der Boden am besten dafür. Das Regenwasser bleibt so lange im Boden, wie die Pflanze es benötigt. Ach guck! Da sind grad Fasane. "

    Die Fasane flattern in die Luft, ein paar bleiben in den dichten Büschen versteckt, die Schumacher am Feldrand stehen gelassen hat. Weil sein Land mitten im Naturschutzgebiet liegt, war der gelernte Zimmermann und Küchenhändler gezwungen, Ökobauer zu werden:

    " Und am Anfang hab ich auch gedacht, ach Gott was soll das? Naja gut, musst du ja nun mal zwangsläufig. Und mittlerweile bin ich absolut dankbar, dass es genau so gekommen ist. Denn schauen sie sich um! Also diese Flora und Fauna ist doch fantastisch. Und wie das kommerziell auch wachsen kann. Das ist wunderbar. Also dieser Zusammenklang ist einfach herrlich. "

    Zehn bis zwölf Tonnen Holunder will Schumacher in diesem Jahr ernten. In ein paar Jahren könnten es sogar über sechzig Tonnen werden. Das hat damals keiner für möglich gehalten. Ausgelacht haben sie ihn im Dorf Grönwohld. Heute wird schon mal gestaunt:

    " Wir werden natürlich mit Argusaugen beguckt hier von den Mitbewohnern. Und die meisten haben begriffen, welch wertvolle Arbeit wir hier verrichten. Nicht nur für die Natur, sondern auch für uns selbst. Also ich denke, viele haben begriffen, dass man tatsächlich mit diesem Betrieb auch wirtschaftlich arbeiten kann. "

    Eine Woche lang dauert die Holunderernte. Da machen natürlich alle mit. Ein angestellter Gärtner. Der 16jährige Sohn und Ehefrau Sabine Schumacher:

    " Und die schneidet man, indem man - man nimmt diese Dolde. Viele schneiden hier oben ab. Das ist aber falsch. Das ist ja nicht so gut. Wir werden hier abschneiden. Da untern wird abgeschnitten, damit man nicht so viel von dem Stiel hat. "

    Die Ernte geht größtenteils direkt vom Feld in die Mosterei. Dort wird der begehrte Saft hergestellt und weiterverkauft. Die zweite Ernte ist in zwei, drei Wochen fällig. Was dann gepflückt wird, ist für den Eigenbedarf und für Stammkunden:

    " Wir sitzen dann mit vier Leuten meistens in der Küche. Unten wird alles ausgelegt. Weil doch die ein oder andere Beere dann auf den Fußboden fällt. Und dann wird es schon lustig. "

    Nächstes Jahr wollen die Schumachers einen Hofladen aufmachen. Da verkaufen sie dann ihren Saft teilweise selbst. Die Betriebshalle mit Verkaufsraum steht schon. Und Torsten Schumacher hat noch mehr Ideen. Schon die Holunderblüte gibt nämlich viele Möglichkeiten:

    " Also aus den Blüten können sie wunderbar einen Sekt machen zum Beispiel, oder eine Brause oder so. Das sind also ganz hervorragende Getränke. Genauso, wenn wir dann nachher unsere Destille, wahrscheinlich im nächsten Jahr, spätestens im übernächsten, im Betrieb haben, werden wir auch einen Schnaps brennen aus der Blüte. Das kann man alles machen. "

    Der Grönwohlder ist kaum zu bremsen, wenn er erst mal loslegt mit seinen Plänen für die Zukunft. Selbst die Pharmaindustrie hat bereits Interesse an Schumachers Holunderbeeren für die Herstellung von Medikamenten angemeldet. Als Quereinsteiger in der Landwirtschaft muss man eben auf allen Hochzeiten tanzen:

    " Er muss sich drehen und wenden können. Und wenn es heute nicht funktioniert auf der einen Schiene, da muss er eben schnell bereit sein, sich zu wandeln, also irgendwo eine Idee, die ihm gerade kommt, aufzunehmen. Er muss flexibel sein. "

    Und dann klappt das auch, sagt er zuversichtlich. Schumacher will den Beweis führen, dass man von der Landwirtschaft leben kann, sogar als Anfänger. Und Sabine Schumacher wird bei dem Ehrgeiz ihres Mannes überhaupt nicht mulmig:

    " Wir ziehen alle an einem Strang. Ja, wir machen alle mit. "