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Erhalt der genetischen Vielfalt

Biologie. - Seit der jüngsten Eiszeit haben sich in Europa vier honigproduzierende Bienenrassen entwickelt mit insgesamt 26 Untergruppen. Experten fürchten, dass ihre Bestand durch die jüngst aufgetretene erhöhte Sterblichkeit und importierte Bienenvölker bedroht ist. Reservate sollen jetzt die einheimischen Tiere schützen.

Von Suzanne Krause | 05.11.2009
    Lionel Garnéry ist auf dem Weg zu seinen Bienenvölkern. Der Biologe untersucht beim Wissenschaftsrat CNRS Genom und biologische Vielfalt der Honigbienen. Sein Labor steht auf dem Campus von Gif-sur-Yvette, im Süden von Paris. Garnérys Büro befindet sich in einer Baracke am Rande eines weitläufigen ziemlich verwilderten Parks. Gleich am Eingang stehen zwei Bienenstöcke:

    "Diese Bienenstöcke enthalten einen Schwarm, den wir dieses Jahr hier eingefangen haben. Als nächstes führen wir stichprobenartig bei einigen Tieren Molekularuntersuchungen durch. Um zu bestimmen, ob es sich um Vertreter der regionalen Honigbienenart handelt oder um Bienen, die importiert wurden. Denn ansehen kann man ihnen das kaum. Haben wir herausgefunden, dass es sich um einheimische Bienen handelt, übersiedeln wir diese in unser benachbartes Konservatorium, um den dortigen Bestand aufzustocken."

    Das Konservatorium ist ein vom CNRS eingerichteter Schutzbereich. In diesem Reservat leben seit letztem Jahr 30 Kolonien, 400 Bienenvölker sollen es insgesamt werden. Garnéry:

    "In dieser Grössenordnung ist es möglich, die regionale Biene in ihrem natürlichen Lebensumfeld in aller Vielfalt zu erhalten. Wir können somit hier den biologischen Jahreszyklus einer Kolonie untersuchen. Der Schwarm wird gewogen, seine Ausdehnung gemessen, um zu schauen, welche Unterschiede es von Kolonie zu Kolonie gibt. Wir wollen klären, ob es für die Imkerei von Interesse ist, diese Kolonie zu erhalten. Solche Bienenreservate ermöglichen es, die genetische Vielfalt der Bienen zu bewahren. Königinnen zu züchten, die anschliessend an Imker in der Region verteilt werden."

    Denn manche heimische Honigbiene ist heute vom Aussterben bedroht. Die normale Todesrate liegt bei durchschnittlich drei Prozent, mittlerweile allerdings beobachten die Imker das Zehnfache. Deshalb importieren sie verstärkt Königinnen aus dem Ausland. Das heisst aber auch: ein starkes Durchmischen der Bienensorten. In Deutschland führt die ursprüngliche einheimische Honigbiene eine Nischenexistenz: vor knapp 100 Jahren schon setzten die Züchter auf eine importierte Sorte, die weniger aggressiv ist und mehr produziert. In Frankreich hingegen gibt es noch reichlich einheimische Völker. Vor allem aber auch so genannte Ökotypen, die sich auf eine Gegend, eine Pflanze spezialisiert haben. Und deren Überleben nun von "ausländischen" Völkern gefährdet werde, meint Garnéry.

    "Die genetische Vielfalt innerhalb einer Gattung sorgt dafür, dass die Tiere sich besser an geänderte Umweltbedingungen anpassen können, wie beispielsweise beim Klimawandel. Wenn in einer solchen klimatischen Umbruchphase die Imker im ganzen Verbreitungsbereich gewisse Bienenarten bevorzugen, dann mangelt es an der genetischen Vielfalt, also am Anpassungsvermögen der Tiere."

    Schutzzonen für regionale Honigbienen entstehen mehr und mehr in ganz Europa. Ein prominentes Beispiel ist das Reservat auf der dänischen Insel Laesoe. Dort hat die Gemeindeverwaltung zum Schutz des einheimischen Nutzinsekts Importe anderer Honigbienen verboten. Ein betroffener Imker klagte erfolglos dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof. Die dänische Gemeinde hat aber mittlerweile ihr Bienenreservat umgestaltet, hat Absperrungen gebaut, um eine friedliche Koexistenz zwischen heimischen und importierten Honigbienen zu ermöglichen. Ein Beispiel, das nicht nur auf Inseln Nachahmung finden dürfte. Wissenschaftler Lionel Garnéry registriert ein zunehmendes Schutzbewusstsein für die einheimische Honigbiene. Und seine Forschungsergebnisse stimmen ihn optimistisch, was die Zukunft unserer Hausbienen anbelangt:

    "Wenn man den Import einstellt, kehrt die lokale Biene zurück. Das zeigt, sie ist ihrem Umfeld einfach besser angepasst."

    Der Biologe verweist auf genetische Studien: in der 1960er-Jahren hätten französische Imker gehäuft Völker aus Italien eingeführt. Heute aber fände er im Erbgut der heimischen Honigbienen kaum Spuren der damaligen Importe aus dem Nachbarland.