Es gibt nur wenige authentische Orte, welche die extrem widersprüchliche, vom Schönen und Zarten zum Grausamen und Monströsen ausschlagende Geschichte der Deutschen in allen ihren Wendungen symbolisieren können. Das Gelände des sogenannten Prinz-Albrecht-Palais unweit des Potsdamer Platzes in Berlin ist so ein Ort, weil die Geschichte das Gelände ständig überformt, besser gesagt: durchgepflügt hat.
Der viereinhalb Hektar große Block- oder eigentlich Schutthaufen am heutigen Martin-Gropius-Bau trug vor 150 Jahren noch das Stadtpalais eines Sohns von Königin Luise. Schinkel und Linné gestalteten Haus und Garten als Zeichen eines toleranten Preußen.
Nach 1918 verpachteten die Hohenzollern Teile an das Europahaus mit seinen Tanzlokalen, das ethnologische Museum und die Kunstgewerbeschule, in der ironischerweise viele sozialistische Künstler wie George Grosz oder Peter Weiss lernten und lehrten.
1933 mietete sich die geheime Staatspolizei ein. Viele Künstler, hat Kurator Klaus Hesse von der Stiftung "Topographie des Terrors" recherchiert, wechselten ihren Platz im Atelier mit einer Folterzelle im gleichen Haus.
"Liberta Schulze-Boysen, die Frau von Harro Schulze-Boysen: Sie hat zeitweise ihren Vater in der Kunstgewerbeschule besucht und war 25 Jahre später hier im Südflügel in einer der Zellen inhaftiert. Oder Kurt Schumacher, preußischer Staatspreisträger, der 1932/33 hier im Gebäude noch sein Studio gehabt hat im Gebäude. Zehn Jahre später war er als Angehöriger der Widerstandsgruppe Rote Kapelle hier im Hausgefängnis inhaftiert und wurde hier gefoltert im Gebäude. Das hat eine ungeheure Fulminanz, wenn man das so darstellt."
Vollends zum Symbol des Bösen wurde das Gebäude mit dem Zweiten Weltkrieg. Hier neben dem Völkerkundemuseum organisierten Heydrich und Himmler den Völkermord an den Juden Europas. Nach dem Krieg mutierte es zum Symbol der verdrängungswilligen Nachkriegsgesellschaft, als der Transvestit Strapsen-Harry hier ein Motodrom auf den Trümmern baute. 1961 baute Ulbricht über das Grundstück hinweg die Mauer. Fluchtgeschichten spielten sich ab.
Und in den 80er-Jahren? Da wurde es zum Schauplatz der Kämpfe um die Aufarbeitung der deutschen Geschichte. Bürgerbewegte um die Historiker Dieter Hoffmann-Axthelm und Andreas Nachama organisierten in den Kellerruinen die erste Ausstellung "Topographie des Terrors". Wer hier je durchging, weiß, wie eindringlich der Genius Loci, dieses Geländes wirkte. Klaus Hesse:
"Wir haben den Ort immer charakterisiert als unser einziges und größtes und nicht vitrinenfähiges Originalexponat. Das erste Exponat ist der Ort selbst."
In den 90ern wollte Berlin das Gelände als Ort der Erinnerung bewahren. Nun 20 Jahre, drei Bauwettbewerbe, diverse Skandale und gescheiterte Bauversuche später wird heute das neue Haus zur Ausstellung eingeweiht. Doch es sieht so, aus als sei die Gestaltung zu schwach, um die Geschichte des Geländes bewältigen zu können.
So ist nun das riesige, mehrere Fußballplätze große, durchfurchte Trümmerfeld, das wie eine manifestgewordene offene Wunde der deutschen Geschichte wirkte, flächendeckend mit weißen Kieseln zugeschüttet.
Mittendrin führt eine behindertengerechte Rampe einen neuen, künstlichen Hügel hoch auf dem sich jetzt ein einstöckiger Bau vom Aussehen eines Einkaufszentrums duckt. Seine bodentiefen Fensterfronten verstecken sich hinter grauen Alu-Lamellen. Im Innenhof des Gebäudes wirkt ein quadratischer See wie aufgesetzt.
Überhaupt: Kein Gestaltungselement des Baus - Kiesel, See, argentinische Schieferplatten auf dem Boden - bezieht sich auf das Gelände, seine Geschichte oder deren Brüche. Auch die offenen Fensterfronten nicht. Sie spiegeln Transparenz vor, lenken die Konzentration des Besuchers aber von den schwarz-weißen Fotorepliken der NS-Mörder in der Ausstellung auf die weißen Kiesel oder die bunte Speiseeiswerbung an den Gebäuden der Umgebung.
Nein, weder zu Libeskinds verrätseltem jüdischem Museum, noch zu Eisenmans abstrakter Symbolik des Mahnmals kann Ursula Wilms Zweckbau aufschließen. Angeblich sollte er dies auch nicht, sagt Kurator Hesse.
"Als gebautes Symbol ist ja hier nichts geschlossen Symbolisches entstanden, weil man sich hier ja gerade gegen bauliche Symbolik entschieden hat. Die Bauwelt hat es jetzt besprochen unter dem Titel'Haus ohne Eigenschaften', was keine Eloge ist."
Leitende Mitarbeiter der Stiftung spotten schon, man würde sich so auch das Logistikzentrum eines Schraubenproduzenten im Allgäu vorstellen können. Anderen wie dem Vorsitzenden Andreas Nachama gefällt vor allem, dass sich die Arbeitsbedingungen der Stiftung verbessert haben.
Ich denke, wenn sich die Freude um die Eröffnung gelegt hat, wird das Gefühl stärker werden, dass Berlin hier eine große architektonische Chance vertan hat. Der Ruf nach einem Neu- oder Weiterbau wird stärker werden.
Der viereinhalb Hektar große Block- oder eigentlich Schutthaufen am heutigen Martin-Gropius-Bau trug vor 150 Jahren noch das Stadtpalais eines Sohns von Königin Luise. Schinkel und Linné gestalteten Haus und Garten als Zeichen eines toleranten Preußen.
Nach 1918 verpachteten die Hohenzollern Teile an das Europahaus mit seinen Tanzlokalen, das ethnologische Museum und die Kunstgewerbeschule, in der ironischerweise viele sozialistische Künstler wie George Grosz oder Peter Weiss lernten und lehrten.
1933 mietete sich die geheime Staatspolizei ein. Viele Künstler, hat Kurator Klaus Hesse von der Stiftung "Topographie des Terrors" recherchiert, wechselten ihren Platz im Atelier mit einer Folterzelle im gleichen Haus.
"Liberta Schulze-Boysen, die Frau von Harro Schulze-Boysen: Sie hat zeitweise ihren Vater in der Kunstgewerbeschule besucht und war 25 Jahre später hier im Südflügel in einer der Zellen inhaftiert. Oder Kurt Schumacher, preußischer Staatspreisträger, der 1932/33 hier im Gebäude noch sein Studio gehabt hat im Gebäude. Zehn Jahre später war er als Angehöriger der Widerstandsgruppe Rote Kapelle hier im Hausgefängnis inhaftiert und wurde hier gefoltert im Gebäude. Das hat eine ungeheure Fulminanz, wenn man das so darstellt."
Vollends zum Symbol des Bösen wurde das Gebäude mit dem Zweiten Weltkrieg. Hier neben dem Völkerkundemuseum organisierten Heydrich und Himmler den Völkermord an den Juden Europas. Nach dem Krieg mutierte es zum Symbol der verdrängungswilligen Nachkriegsgesellschaft, als der Transvestit Strapsen-Harry hier ein Motodrom auf den Trümmern baute. 1961 baute Ulbricht über das Grundstück hinweg die Mauer. Fluchtgeschichten spielten sich ab.
Und in den 80er-Jahren? Da wurde es zum Schauplatz der Kämpfe um die Aufarbeitung der deutschen Geschichte. Bürgerbewegte um die Historiker Dieter Hoffmann-Axthelm und Andreas Nachama organisierten in den Kellerruinen die erste Ausstellung "Topographie des Terrors". Wer hier je durchging, weiß, wie eindringlich der Genius Loci, dieses Geländes wirkte. Klaus Hesse:
"Wir haben den Ort immer charakterisiert als unser einziges und größtes und nicht vitrinenfähiges Originalexponat. Das erste Exponat ist der Ort selbst."
In den 90ern wollte Berlin das Gelände als Ort der Erinnerung bewahren. Nun 20 Jahre, drei Bauwettbewerbe, diverse Skandale und gescheiterte Bauversuche später wird heute das neue Haus zur Ausstellung eingeweiht. Doch es sieht so, aus als sei die Gestaltung zu schwach, um die Geschichte des Geländes bewältigen zu können.
So ist nun das riesige, mehrere Fußballplätze große, durchfurchte Trümmerfeld, das wie eine manifestgewordene offene Wunde der deutschen Geschichte wirkte, flächendeckend mit weißen Kieseln zugeschüttet.
Mittendrin führt eine behindertengerechte Rampe einen neuen, künstlichen Hügel hoch auf dem sich jetzt ein einstöckiger Bau vom Aussehen eines Einkaufszentrums duckt. Seine bodentiefen Fensterfronten verstecken sich hinter grauen Alu-Lamellen. Im Innenhof des Gebäudes wirkt ein quadratischer See wie aufgesetzt.
Überhaupt: Kein Gestaltungselement des Baus - Kiesel, See, argentinische Schieferplatten auf dem Boden - bezieht sich auf das Gelände, seine Geschichte oder deren Brüche. Auch die offenen Fensterfronten nicht. Sie spiegeln Transparenz vor, lenken die Konzentration des Besuchers aber von den schwarz-weißen Fotorepliken der NS-Mörder in der Ausstellung auf die weißen Kiesel oder die bunte Speiseeiswerbung an den Gebäuden der Umgebung.
Nein, weder zu Libeskinds verrätseltem jüdischem Museum, noch zu Eisenmans abstrakter Symbolik des Mahnmals kann Ursula Wilms Zweckbau aufschließen. Angeblich sollte er dies auch nicht, sagt Kurator Hesse.
"Als gebautes Symbol ist ja hier nichts geschlossen Symbolisches entstanden, weil man sich hier ja gerade gegen bauliche Symbolik entschieden hat. Die Bauwelt hat es jetzt besprochen unter dem Titel'Haus ohne Eigenschaften', was keine Eloge ist."
Leitende Mitarbeiter der Stiftung spotten schon, man würde sich so auch das Logistikzentrum eines Schraubenproduzenten im Allgäu vorstellen können. Anderen wie dem Vorsitzenden Andreas Nachama gefällt vor allem, dass sich die Arbeitsbedingungen der Stiftung verbessert haben.
Ich denke, wenn sich die Freude um die Eröffnung gelegt hat, wird das Gefühl stärker werden, dass Berlin hier eine große architektonische Chance vertan hat. Der Ruf nach einem Neu- oder Weiterbau wird stärker werden.