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Erinnerung an Mauerfall
Die Wippe wippt nicht

Das geplante Freiheits- und Einheitsdenkmal auf dem Berliner Schlossplatz gerät immer mehr in Verzug. Eine Eröffnung bis zum 30. Jahrestag des Mauerfalls nächstes Jahr ist kaum noch zu schaffen. Lange waren die Kosten ein Problem, später seltene Fledermäuse. Jetzt bringen die Gegner eine weiteren Einwand vor.

Von Claudia van Laak | 20.07.2018
    Entwurf des Freiheits- und Einheitsdenkmals
    Entwurf des Freiheits- und Einheitsdenkmals (dpa/Milla & Partner)
    Trubel vor dem Reichstag – Englisch, Spanisch, Chinesisch, alles durcheinander, Selfies in der Abendsonne. Am Rand der unansehnlichen Wiese eine kleine Gruppe Demonstranten. Ein älterer Herr hat sich ein Schild um den Hals gehängt – darauf ein Foto des barocken Berliner Stadtschlosses mit einer großen Banane davor, als Symbol für die Einheitswippe. Die Protestierer wollen einen neuen Bundestagsbeschluss – die Wippe soll vor den Reichstag.
    "Mir liegt besonders das Stadtbild von Berin am Herzen. Und mit dem Wiederaufbau des Stadtschlosses kriegen wir ein schönes Ensemble zusammen, und da passt die Wippe nicht hinein."
    "Weil es eben da am Schloss so eng ist und so felsenfest zugemauert. Da wippt gar nichts", sagt Annette Ahme, die Vorsitzende der Bürgerinitiative, zeigt auf die große Wiese vor dem Reichstag. Hier ist in der Tat sehr viel mehr Platz als an dem ursprünglich beschlossenen Ort – zwischen Humboldtforum und Auswärtigem Amt.
    "Alle bedauern immer, dass die Reichstagswiese so ungestaltet ist, dadurch ist der Reichstag so unorientiert."
    Vors Schloss oder vor den Reichstag?
    Auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Eva Högel – die Berliner Mitte ist ihr Wahlkreis – plädiert für die Wiese vor dem Reichstag als neuen Platz für das Einheitsdenkmal. Kulturstaatsministerin Monika Grütters dagegen will am ursprünglichen Bundestagsbeschluss festhalten. Wer den Standort infrage stelle, der stelle das gesamte Denkmal infrage, sagte die Christdemokratin, die auch Berliner CDU-Landesvorsitzende ist. Grütters betont immer wieder:
    "Die Bundesregierung hat vom Deutschen Bundestag den Auftrag erhalten, den Entwurf "Bürger in Bewegung" vom Büro Milla und Partner umzusetzen, für den es im Übrigen seit Oktober 2016 eine unter Auflagen erteilte Baugenehmigung gibt."
    Eine Verzögerung nach der anderen
    Doch der Baubeginn wurde mehrmals verschoben. Zum 25. Mauerfall-Jubiläum sollte wenigstens der Grundstein gelegt werden – nichts ist passiert. Mal waren es schützenswerte Fledermäuse, die im Sockel des geplanten Denkmals hausen, dann ging es um die Übertragung des Grundstücks vom Land Berlin auf den Bund. Jetzt sind historische Mosaike im Weg – so die Kulturverwaltung auf Anfrage des Deutschlandfunks.
    Wolfgang Thierse beißt in die Tischkante
    Größter Befürworter des Denkmals ist der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse. Immer wieder ärgert er sich darüber, dass es mit dem Bau nicht voran geht.
    "Wenn das Ganze scheitert, dann sage ich, die Deutschen sind nicht in der Lage, sich an ein äußerst positives Ereignis in ihrer Geschichte zu erinnern."
    Die Berliner zaudern mit dem Projekt
    Doch die Einheitswippe ist kein Herzensprojekt der Berlinerinnen und Berliner. Kultursenator Klaus Lederer von der Linken war noch nie ein Freund des geplanten Denkmals – aus grundsätzlichen politischen Erwägungen. Er sagte bei einer Veranstaltung in der Akademie der Künste:
    "Dass die friedliche Revolution in der DDR und der Einheitswille des deutschen Volkes weder zeitlich zusammenfielen noch durch dieselben Triebkräften befördert wurden. Deshalb: "Wir sind das Volk" und "Wir sind ein Volk" auf eine Schale, die dann hin und her sich bewegt, je nachdem, wie sich die Leute bewegt, das finde ich an sich schon a-historisch.
    Vor mittlerweile 20 Jahren forderten zahlreiche Prominente in einem offenen Brief, ein Einheitsdenkmal zu bauen. Heute sagen viele – wir brauchen kein neues, wir haben doch schon eins. Das Brandenburger Tor.