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Erleichterung in Sicht

Medizin. - Eine Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus ist tückisch, denn lange Zeit verläuft die Erkrankung ohne Symptome. Wenn sie sich schließlich bemerkbar macht, dann ist die Leber in den meisten Fällen bereits geschädigt. Seit Jahren forschen Mediziner an neuen Wirkstoffen, die die Viren direkt angreifen, dabei besser wirken und besser verträglich sind als herkömmliche Mittel. Jetzt präsentieren sie vielversprechende Erkenntnisse.

Von Joachim Budde | 12.07.2013
    Bisher spielt bei der Behandlung von Hepatitis C Interferon eine wichtige Rolle. Diese Substanz unterstützt unser Immunsystem beim Kampf gegen Viren. Sie kommt zwar im menschlichen Körper vor, löst aber als Medikament schwere Nebenwirkungen aus: Grippesymptome und Depressionen sind häufig. Außerdem wirkt Interferon nicht bei allen Unterarten des Hepatitis-C-Virus, den Genotypen, gleich gut. Beim Genotyp 1 etwa versagt die herkömmliche Therapie bei über der Hälfte der Patienten. Das ist besonders negativ, weil gerade an diesem Genotypen die meisten Menschen erkranken, sagt Professor Ralf Bartenschlager, der die Abteilung Molekulare Virologie am Universitätsklinikum Heidelberg leitet.

    "Und last but not least ist auch noch zu sagen, dass viele Patienten vor allem mit einer fortgeschrittenen Leberschädigung für diese Therapie nicht mehr infrage kommen und deshalb bessere Therapien notwendig sind."

    Deutliche Fortschritte erzielen Mediziner bereits seit 2011 mit Therapien, bei denen sie die Proteasen hemmen, also Enzyme, die das Virus bei der Vermehrung benutzt. Doch auch sie werden mit Interferon kombiniert. Jetzt werden neue Wirkstoffe getestet, sagt Ralf Bartenschlager.

    "Die Zukunft sieht recht rosig aus, sagen die meisten. Ich glaube, das hat auch seine Berechtigung."

    Mehr als 50 neue Substanzen erproben die verschiedenen Pharmaunternehmen insgesamt. Die Hoffnung der Forscher liegt besonders auf zwei Wirkstoffgruppen: Die eine greift – wie die Proteasehemmer – direkt das Virus an. Die andere zielt auf Stoffe in den menschlichen Leberzellen ab, die der Erreger benötigt, um sie in Virenfabriken umzuwandeln. Beide Ansätze haben Vor- und Nachteile, sagt Dr. Raffaele de Francesco, der am Istituto Nazionale Genetica Molecolare in Mailand das Hepatitis-C-Virus untersucht.

    "Der Vorteil, wenn man das Virus direkt angreift: Man lässt die menschlichen Zellen in Ruhe. Der Nachteil: Viren können Resistenzen bilden. Wenn man hingegen die Zelle manipuliert, riskiert man zwar Nebenwirkungen, dafür kann das Virus schwerlich resistent werden."

    Vorteile beider Ansätze werden kombiniert. Und die neuen Substanzen etwa gegen das Virus wirken besser als noch die Proteasehemmer, sagt Ralf Bartenschlager.

    "Es gibt vor allem neue Wirkstoffklassen. Eine ganz wichtige Wirkstoffklasse greift an einem zweiten Enzym des Virus an, die sogenannte Polymerase, das ist das Herzstück der Vermehrungsmaschine des Virus, und da gibt es verschiedenste Substanzen, die sehr, sehr vielversprechend aussehen in der Klinik. Da gibt es besonders einen Wirkstoff, der sehr potent ist und fast keine Resistenzen hervorruft."

    Bei der Manipulation der menschlichen Leberzellen wiederum schaffen es die Forscher, den Erreger von den Ressourcen der Wirtszelle abzuschneiden. Sie hemmen zum Beispiel das Protein Cyclophilin. Es spielt bei Wachstum und Vermehrung der menschlichen Zelle, aber auch des Virus eine Rolle. Sollten die Mittel zugelassen werden, vereinen sie einen riesigen Vorteil, sagt Raffaele de Francesco.

    "Die eigentliche Revolution ist: Diese neuen Therapien kommen ohne Interferon aus, sie haben also viel weniger Nebenwirkungen."

    Aber: Noch wirken die neuen Therapien nur gegen Viren der Genotypen 2 und 3 wirklich gut, sagt Ralf Bartenschlager.

    "Da sagen die klinischen Studien, dass man quasi alle Patienten damit virusfrei bekommen kann. Das wäre ein großer Fortschritt, hier können wir wirklich interferonfrei arbeiten. Etwas schwieriger ist nach wie vor die Situation bei Genotyp 1. Da ist noch offen, ob wir sehr schnell eine interferonfreie Therapie bekommen oder, was vermutlich eher der Fall ist, dass wir eine gewisse Übergangsphase haben von neuen Wirkstoffen in der Kombination mit Interferon."

    Doch schon in der Übergangsphase bringt das erhebliche Erleichterungen: Die Therapie ist kürzer, sie ruft weniger Nebenwirkungen hervor und die Patienten nehmen die Medikamente nur noch einmal pro Tag statt wie bisher ganz strikt alle acht Stunden.