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Erlernen eines Musikinstruments im Selbstversuch

Der ausgiebige Selbstversuch eines New Yorker Psychologieprofessors zeigt: Auch im Erwachsenenalter kann noch ein Musikinstrument gelernt werden. Über seine Erfahrungen, Gitarrespielen zu lernen, hat Gary Marcus ein Buch geschrieben: "Guitar Zero".

Von Jürgen Kalwa | 03.06.2013
    Seit den Anfängen der Bandmusik gibt es diesen Typus von Musiker, der beim Wort "Übungsraum” nur ungerne ans Üben denkt. Der jammt lieber und improvisiert mit seinen Kollegen. Warum auch nicht? Kreatives Herumdudeln hat etwas Befreiendes. So vieles an Musik wiederum engt ein, ist streng und schwierig. Nicht zuletzt die Kunst, ein Instrument zu beherrschen.

    So ähnlich sieht es Dr. Gary Marcus. Psychologie-Professor, Buch-Autor und, ja, in seiner Freizeit auch Gitarrist.

    ""Ich habe kein richtiges Repertoire. Ich improvisiere lieber und erfinde meine eigene Musik. Auch um besser zu verstehen, wie Musik funktioniert. Ich habe keine Lust, mir die Stücke anderer Leute zu merken.”"

    Also dudelt er herum. Kaum jemand würde sich mit solchen Resultaten ernsthaft an die Öffentlichkeit wagen. Marcus tut es trotzdem. Denn er hat Gründe. Zum einen ist da ein gewisser Stolz darüber, dass er mit seinem Gitarrespiel überhaupt so weit gekommen ist. Der Professor weiß nämlich eine Menge über Noten, Komposition und Musiktheorie, aber kämpft mit einem riesigen Problem, wenn es um die Praxis geht: dem Timing und dem Takthalten.

    ""Ich habe Blockflöte angefangen und war unglaublich schlecht. Ich konnte einfach nicht die Bewegungsabläufe kontrollieren, die man braucht, um Musik zu machen.”"

    Was macht man da als Leiter der Abteilung Sprache und Musik einer so respektablen Universität wie der New York University? Man nutzt eine Auszeit, das Sabbatical, das einem als Professor zusteht, und startet einen Selbstversuch. Das Resultat: Heute kann Marcus Solo-Gitarre zumindest halbwegs frustrationslos spielen.

    Und der Rest der Welt kann sich an einem Buch erfreuen, das er über diese Lernerfahrung geschrieben hat. Es heißt "Guitar Zero” und wurde in den USA ein Bestseller, weil es eine wissenschaftlich untermauerte Ermutigung für Leute ist, die immer dachten: Musizieren – das lernt man nur als junger Mensch. Danach sperrt sich einfach das Gehirn. Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr? Falsch, sagt Marcus. Vielleicht lernen Erwachsene einen Hauch langsamer. Aber selbst das ist nur eine Hypothese.

    ""Wir wissen nicht, ob Kinder besser sind. Weil die meisten Erwachsenen einfach nicht genug Zeit investieren. Und man braucht viel Zeit. Denn im Gehirn gibt es nicht eine einzige Schaltstelle für Musik. Es müssen ganz viele Regionen zusammenarbeiten. Das Sprachzentrum. Und die Schaltstellen für die Koordination von Bewegungsabläufen, damit die Finger zum richtigen Zeitpunkt das Richtige tun.”"

    Damit das Üben leichter wird, hat Marcus sogar eine iPhone-App entwickelt. Sie heißt Chatternome und ist ein sprechendes Metronom. Die Stimme: seine Frau Athena.

    ""That’s Chatternome.

    And one and two and three …"

    ""More interestingly you can skip. So you can do syncopation and stuff.”"

    Herunterladen kann man das Programm für 99 Cent. Der Erfolg von Buch und App haben Marcus geholfen, noch ausgiebiger seinem Hobby zu frönen. Er verfügt über eine ausgiebige Gitarrensammlung. Und er genießt das Leben.

    ""Für einige mache ich Werbung. Denn nachdem ein Artikel im 'Wall Street Journal' erschien, in dem ich empfohlen habe, dass man sogar mit seiner Gitarre verreist, damit man jeden Tag üben kann, wollten Instrumentenhersteller, dass ich in der Öffentlichkeit mit ihren Produkten auftrete. So konnte ich eine Weile so tun, als wäre ich ein richtiger Rock-Star. Einer mit Werbeverträgen.”"