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Eröffnung des Humboldt Forums
Prestige-Projekt mit Geburtsfehler

Nach langer Bauzeit, Kostensteigerungen und viel Streit um Aus- und Einrichtung eröffnet in Berlin das Humboldt Forum. Überschattet wird die Eröffnungsfeier nicht nur von der Corona-Pandemie, sondern auch von einer erneuten Raubkunst-Debatte.

Von Claudia van Laak | 16.12.2020
Außenansicht des Humboldt-Forums Berlin am Schloßplatz der Berliner Museumsinsel
Hinter barocker Fassade wartet ein modernes Haus für Kultur, Wissenschaft und Bildung, so der Anspruch (imago images / Jürgen Ritter)
Nun fällt der Zaun: Deutschlands größte Kulturbaustelle ist - fast - vollendet. Dann können die Berlinerinnen und Berliner den gewaltigen Bau direkt neben der Museumsinsel in Augenschein nehmen. Das barocke Stadtschloss - von der SED-Führung gesprengt - wurde für 677 Millionen Euro rekonstruiert, nach einem Entwurf des italienischen Architekten Franco Stella. Draußen Schloss, mit drei barocken und einer modernen Fassade, drinnen Humboldt Forum. CDU-Kulturstaatsministerin Monika Grütters sagte zur Eröffnung:
"Hinter der barocken Fassade wartet ein modernes Haus für Kultur, Wissenschaft und Bildung, warten 42.000 Quadratmeter darauf, im Geiste der Humboldt-Brüder sukzessive mit Leben gefüllt zu werden, im Geiste der Aufklärung, der Weltoffenheit und der Toleranz."
Den Geburtsfehler des Humboldt Forums sprach niemand an. Gab es doch zunächst den Beschluss, das barocke Berliner Stadtschloss wieder zu errichten, ohne zu wissen, mit welchem Inhalt man es füllen wollte. Die Entscheidung, die außereuropäischen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz dort unterzubringen, erfolgte später.

Im Geiste der Humboldt-Brüder

Monika Grütters beschwor heute stattdessen wiederholt den Geist der Humboldt-Brüder - ihr Vermächtnis sei aktueller denn je:
"Und es ist zukunftsweisend für die Annäherung der Völker, dafür schafft das Humboldt Forum Raum im Herzen der deutschen Hauptstadt, und ich denke, es sagt eine Menge über das Selbstverständnis Deutschlands im 21. Jahrhundert, das wir uns hier nicht in den Mittelpunkt stellen, sondern den Kulturen Afrikas, Asiens, Amerikas und Ozeaniens und ihren unterschiedlichen Weltanschauungen eine Bühne bieten."
Dies solle in einem engen Austausch mit den Vertreterinnen und Vertretern der Herkunftsgesellschaften geschehen, versprach die Kulturstaatsministerin.

Umgang mit Kulturgütern aus kolonialer Zeit

Das Humboldt Forum eröffnet in einer Zeit, in der die Debatte über die koloniale Vergangenheit Deutschlands, über eine Restitution zu Unrecht angeeigneter Kultur- und Kunstschätze schärfer denn je geführt wird. So gibt es die Forderung des nigerianischen (*) Botschafters, die Benin-Bronzen, die demnächst im Humboldt Forum zu sehen sein sollen, an ihren Ursprungsort zurückzuführen. Monika Grütters ging darauf nicht konkret ein - sie sagte lediglich:
"Für den Umgang mit Kulturgütern aus kolonialen Kontexten, für die Darstellung der Herkunftsgeschichten, für den Zugang zu den Objekten und für das Miteinander in der Aufarbeitung der Sammlungen sollte das Humboldt Forum - und ich bin sicher, das wird es auch - in Deutschland Maßstab und Vorbild sein."
Benin-Bronzen - Rückgabe-Forderungen aus Nigeria Vor der Eröffnung des Humboldt Forums rückte der Streit um die Benin-Bronzen erneut in den Blick. Nigerias Botschafter forderte öffentlich deren Rückgabe. "Dieser Tweet macht deutlich, wie ungelöst die Kolonialismus-Problematik für das Humboldt Forum ist", sagte dazu Dlf-Kulturkorrespondentin Christiane Habermalz.
Coronabedingt kann das Humboldt Forum derzeit nur von außen besichtigt werden, die Türen bleiben vorerst geschlossen. Theoretisch sollten im Januar die ersten Teilbereiche der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden: die Präsentation zur Geschichte des Ortes im Keller, später dann eine große Elfenbein-Ausstellung unter dem Titel "Schrecklich schön". Eine Eröffnung in Etappen über das gesamte nächste Jahr war geplant: "Global lokal" - eine Ausstellung des Landes Berlin im Januar, außerdem eine Präsentation der Humboldt-Universität und - nicht zuletzt - im Spätsommer die Eröffnung der außereuropäischen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Die Zukunft der ethnologischen Sammlungen

Ob dieser Zeitplan zu halten sein wird, hängt nur zum Teil von den Akteuren selber ab. Generalintendant Hartmut Dorgerloh jedenfalls versprach:
"Wir werden uns mit postkolonialen Kritiken befassen, und mit der zu lange vergessenen Geschichte des Kolonialismus und seinen bis heute andauernden Folgen wie Diskriminierung und Rassismus. Es geht um die Zukunft der ethnologischen Sammlungen und dazu gehört auch das Thema Restitution. Es geht um Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung und Menschenrechte."
Intendant Dorgerloh lud alle Kritikerinnen und Kritiker des Humboldt Forums ein, sich einzubringen, sich an der Debatte zu beteiligen. Die Gegner des gewaltigen neuen Baus in der historischen Mitte Berlins machten derweil mit einem großem Plakat auf sich aufmerksam: "Schloss sprengen - Hohenzollern enteignen" war darauf zu lesen.
(*) An dieser Stelle stand zunächst versehentlich eine andere Nationalität des Botschafters. Wir haben den Fehler korrigiert.