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Erst Advokat, dann Agitator

Wenn man über die Französische Revolution spricht, so fallen einem Robespierre, Danton, vielleicht auch noch Marat oder Mirabeau ein. Aber wer kennt schon Camille Desmoulins? Er gilt immerhin als Initiator des Sturms auf die Bastille. Er verstand sich eher als Schriftsteller denn als Revolutionär.

Von Robert Schurz | 02.03.2010
    "Zu den Waffen! Zu den Waffen! Die niederträchtige Polizei ist hier. Ja! seht nur her, ihr Höllenboten, ich bin es, der meine Brüder zur Freiheit aufruft. Ich werde verstehen, ruhmvoll zu sterben; es kann mich nur noch ein Unglück treffen: dass ich sehen muss, wie Frankreich zur Sklavin wird."

    So beginnt die französische Revolution, die zwei Tage später zum Sturm auf die Bastille führt. Es ist der 12. Juli 1789: umringt von einigen tausend Menschen steht auf einem Tisch ein Mann, der es meisterhaft versteht, die Massen in Bewegung zu setzen: Camille Desmoulins. Nicht nur ein homme de lettre, auch ein homme des mots, ein Agitator. Als solchen lässt ihn auch Georg Büchner in seinem Drama "Dantons Tod" auftreten.

    "Wie lange soll die Menschheit im ewigen Hunger ihre eigenen Glieder fressen? Oder: wie lange sollen wir Schiffbrüchige auf einem Wrack in unlöschbarem Durst einander das Blut aus den Adern saugen?"

    Nicht ganz fünf Jahre später: Wieder steht Desmoulins vor einer Menge, aber diesmal ist er gefesselt. Vor ihm die Guillotine.

    "Dies ist also der Lohn für den ersten Apostel der Freiheit! Die Ungeheuer, die mein Blut fordern, werden mich nicht lange überleben."

    Zwischen diesen beiden Szene spielten sich Glanz und Elend der französischen Revolution ab, die ein neues, vernünftiges und gerechtes Zeitalter einleiten wollte und in einem entsetzlichen Gemetzel endete.

    Camille Desmoulins wurde am 2. März 1760 in Guise geboren. Sein Vater, ein mittlerer Beamter, schickte ihn mit zehn Jahren an ein Elitegymnasium, wo er Robespierre kennenlernte. Nach dem Studium der Rechte wurde Desmoulins für kurze Zeit Advokat im Pariser Parlament, wo er nicht sonderlich erfolgreich wirkte. Zudem litt er unter einem leichten Sprachfehler, den er von Anton Messmer behandeln ließ. Nebenbei war er publizistisch tätig und verdingte sich als Sekretär des adeligen Aufwieglers Mirabeau. In dieser Zeit heiratete er Lucille Duplessis, eine Tochter aus vornehmem Haus. Trauzeuge war Robespierre. Desmoulins verfasste die berüchtigte "Rede einer Pariser Laterne", an welche man die Aristokraten aufgeknüpfte und wurde Mitglied des Clubs der Cordeliers, der zusammen mit den Jakobinern den radikalen Flügel des Nationalkonvents bildete. Dort befreundete er sich eng mit Danton. Zunächst kooperierte er eng mit Robespierre, der mit systematischem Terror die Revolution durchsetzen wollte. Der liberal-konservative Flügel der Revolution, die Girondisten, wurde hingemetzelt, und Desmoulins verspürte erste Skrupel angesichts des Ausmaßes der Gewalt. In Büchners Drama heißt es in einer Schlüsselszene:

    "Der Wahnsinn saß hinter ihren Augen. Es sind schon mehr Leute wahnsinnig geworden, das ist der Lauf der Welt. Was können wir dazu? Wir waschen unsere Hände. Es ist auch besser so."

    Ende Dezember 1793 rief Desmoulins zusammen mit Danton zur Mäßigung auf und stellte sich gegen Robespierre, woraufhin im März 1794 der Cordelier, die Gruppe um Danton von den Jakobinern im Nationalkonvent heftig angegriffen wurde. Danach ließ Robespierre Danton und Desmoulins verhaften. Am 5. April 1794 wurde Camille Desmoulins wegen Verschwörung gegen die Republik, zusammen mit Danton und 15 anderen aus dessen Gefolgschaft hingerichtet. Ein paar Wochen später traf das gleiche Schicksal seine Frau, ein paar Monate später Robespierre selber. Was von Desmoulins bleibt: das Fanal zum Sturm auf die Bastille aber auch das Bekenntnis zur Macht des Wortes. Nicht nur des gesprochenen auf den Barrikaden sondern vor allem auch des geschriebenen Wortes.

    "Marat rühmt sich, dass er die Pariser nach Versailles marschieren hat lassen. Lasst uns zur Ehre des Presse wiederholen, dass es nicht die besten Generäle, sondern die besten Ideen sind, die in diesen Schlachten triumphiert haben."