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Erst testen, dann einschreiben

Viele Universitäten stellen Selbsttests online, damit künftige Studenten vorab herausfinden können, ob sie für das Fach ihrer Wahl auch wirklich geeignet sind. An der RWTH Aachen ist solch ein Test ab dem kommenden Wintersemester obligatorisch..

Von Ingo Wagner | 15.07.2011
    "Es geht uns darum, die richtigen Studierenden für das richtige Fach zu begeistern. Das heißt, wir sind auch sehr ehrlich mit den Anforderungen, die wir an die einzelnen Studiengänge stellen, und möchten auf diese Weise ein erstes Feedback an die Studieninteressierten übermitteln, damit sie sich richtig einschätzen können"

    ,sagt Aloys Krieg, Prorektor für Lehre an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Ab dem kommenden Wintersemester muss jeder Studienbewerber bei der Einschreibung nachweisen, dass er den Test im Internet gemacht hat. Es versteckt sich kein Numerus clausus hinter diesem Self-Assessment-Test.

    "Das hat keinerlei Konsequenzen, wir schreiben ihn trotzdem ein. Auf der anderen Seite ist es aber zur rechten Zeit schon eine Warnung, dass da gegebenenfalls jemand nacharbeiten muss. Der gängigste Fall ist, dass man feststellt, die Mathematikkenntnisse reichen nicht aus, um ein ingenieurwissenschaftliches Studium zu beginnen. Dann bieten wir zum Beispiel an, am Mathematikvorkurs teilzunehmen."

    Wie sieht der Test aus und welche Fragen werden gestellt? Studentin Desiree Bockey möchte einen Abschluss in BWL machen. Zunächst geht es um Fragen zu ihrer persönlichen Einstellung zur Arbeit.

    "Es werden zwölf Situationsbeschreibungen gegeben, die ich einzuschätzen habe. Zum Beispiel wenn ich eine Schulaufgabe erledigen muss, dann muss ich mir einen Ruck geben, um damit anzufangen."

    Der Test arbeitet vornehmlich nach dem Multiple-Choice-Verfahren. So auch im Bereich Mathematik für Maschinenbauer, wo der 22-Jährige Paul Lenzen eine Aufgabe löst.

    "Da ist jetzt die Beispielaufgabe zwei, die ist: Ein Auto fährt zwei Stunden mit einer Geschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde und dann noch vier Stunden mit einer Geschwindigkeit von 80 Kilometern pro Stunde. Wie hoch ist die durchschnittliche Geschwindigkeit in den sechs Stunden? Ich habe mich für die 73,33 Kilometer pro Stunde entschieden. Das sind recht komplizierte Aufgaben, für jede hat man 240 Sekunden Zeit. Die kann man eigentlich nicht im Kopf lösen. Dafür müsste man schon ein Blatt Papier daneben haben, mit Lösungsweg berechnen."

    Sowohl Paul Lenzen als auch Desiree Bockey sind schnell genervt von den vielen Fragen und Aufgaben und der Länge des Tests. Entsprechend fällt auch Desiree Bockeys Bewertung des ganzen Self-Assessments aus:

    "Ziemlich langweilig und aufwendig. Man muss sich ziemlich viel durchlesen und anschauen. Und eigentlich könnte man theoretisch auch so durch die Antworten klicken, ohne den Test ernsthaft durchzuführen."

    Absolviert man den Test komplett, dauert es mehrere Stunden, ihn zu machen. Das sieht Prorektor Aloys Krieg aber nicht als Problem:

    "Weil wir davon ausgehen, dass sich jeder Studienfachinteressierte durchaus zwei Stunden mit seinem Studienfachwunsch auseinandersetzen sollte."

    Bei der Einschreibung wird übrigens nicht geprüft, ob man die Selbsteinstufung wirklich ernsthaft betrieben hat. Ein Abiturient könnte einfach alle Fragen willkürlich beantworten und den Test in wenigen Minuten absolvieren und sich damit ganz leicht vor diesem Aufwand drücken. Daher sieht auch der ASTA der RWTH Aachen Nachbesserungsbedarf:

    "Jetzt gibt es für alle Fachbereiche diese Tests online. Die sind aber natürlich noch mit sehr vielen Kinderkrankheiten gespickt. Ich glaube, sehr wenige potenzielle Studierende haben Lust, sich zwei, drei Stunden an diesen Rechner zu setzen und teilweise sehr allgemeine Fragen zu beantworten und wenn man sich an mehrere Hochschulen bewirbt, muss man dieses Verfahren vielleicht mehrmals machen"

    ,erklärt der ASTA-Vorsitzende Alexander Buchheister. Die Hochschule weiß, dass es Kritik an den Self-Assessments gibt. Am Umfang der Tests soll sich zunächst aber nichts ändern.

    Denn die RWTH hat sich ein großes Ziel gesetzt: 75 Prozent der Studienanfänger sollen es demnächst auch zum Abschluss schaffen. Die Verpflichtung zu Selbsttests soll ein wichtiges Instrument sein, dieses Ziel zu erreichen. Wenn es allerdings nicht gelingt, die angehenden Studierenden davon zu überzeugen, die Aufgaben im Internet auch wirklich ernsthaft zu lösen, könnten sich die Self-Aassessments als aufwendiger Fehlschlag erweisen.