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Erste Cowboys in Kasachstan

Archäologie. - Vor 5500 Jahren lernten die Menschen in den weiten Steppen Zentralasiens, dass Pferde nicht nur Beute, sondern auch Nutztier sind. Die Zähmung der Pferde begann - viel früher als bislang gedacht. Britische Forscher berichten in der aktuellen "Science".

Von Dagmar Röhrlich |
    Es passierte vor rund 5500 Jahren irgendwo in der Steppe Kasachstans: Damals beschloss jemand, sich auf den Rücken eines Pferdes zu schwingen, anstatt es zu essen:

    "Damit wurden die Pferde mindestens 1000 Jahre früher domestiziert, als bislang gedacht. Die Erfindung des Reitens war kulturgeschichtlich ähnlich revolutionär wie die des Rades. Wer Reiten kann, genießt viele Vorteile: Bei der Kriegsführung etwa, er kann seine Kultur leichter verbreiten, über große Distanzen Handel treiben - und man kann mit den gezähmten Pferden wilde leichter jagen."

    Das sind also reichlich gute Gründe, um eine Pferdefarm anzulegen, erklärt Alan Outram von der University of Exeter. Und das taten die Menschen damals auch - und es entstand die Botai-Kultur:

    "Die Menschen in dieser Region Kasachstans waren damals Jäger und Sammler. Bevor sie die Pferde domestizierten, finden wir nur wenige Spuren von ihnen: Es gibt kaum Steinwerkzeuge und Töpferwaren. Die Menschen zogen durchs Land und jagten Pferde. Es war immer ein Rätsel, warum sie plötzlich ihre Lebensweise geändert haben, und nun wissen wir es: Sie zähmten Pferde. Nutztierhaltung bedeutete eine große Umstellung: Sie mussten sich um ihre Tiere kümmern - aber dafür entfiel der Zwang, andauernd auf der Suche nach Jagdbeute umherzuziehen. Sie konnten Siedlungen bauen, und die größte umfasste etwa 100 Häuser, die halb in den Untergrund hinein gebaut worden waren."
    Die kasachischen Cowboys konzentrierten sich ganz auf ihre "Ranchen". Mehr als 90 Prozent der Knochen, die die Wissenschaftler in den Botai-Siedlungen fanden, gehören Pferden. Genaue Analysen ergaben: Die Botai-Pferdefüße gleichen eher denen domestizierter Tiere als denen von Wildpferden. Botai-Pferde waren wohl schlanker und feingliedriger als ihre ungezähmten Artgenossen - und ihre Zähne zeigen verräterische Spuren. Outram:

    "Wenn man ein Pferd zum Reiten aufzäumt, um es besser kontrollieren zu können, reibt das Zaumzeug zwischen den Zähnen und nutzt sie ganz typisch ab. Bei wilden Pferden gibt es so etwas nicht. Außerdem erkennen wir Spuren der für Zaumzeug typische Entzündungen der Kieferknochen und ebenso die typischen Knochen-Neubildungen. Diese Spuren sind eindeutig."

    Nicht alle untersuchten Gebisse wiesen solche Veränderungen auf. Demnach wurde anscheinend nur ein Teil der Pferde geritten - unter anderem, um über weite Strecken Handel treiben zu können und so an die in der Ferne gefertigten Steinwerkzeuge zu kommen, die in den Siedlungen gefunden worden sind. Ihr Ausgangsmaterial kommt vor Ort nicht vor. Outram:

    "Ein weiterer Beweis dafür, dass die Menschen der Botai-Kultur das Pferd domestiziert haben, ist die Tatsache, dass die Pferde gemolken worden sind. Wir fanden in den Töpferwaren Reste von Stutenmilch. Das Milchfett ist in den Ton eingezogen, so dass wir es chemisch identifizieren konnten."

    Noch heute trinken die Kasachen fermentierte Milch - Kumys genannt - ein für westliche Zungen recht säuerliches Getränk. Diese Sitte könnte also schon mehr als 5000 Jahre alt sein.