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Erste "Zeit"-Lokalausgabe
Wochenzeitung für Hamburg-Liebhaber

In Zeiten der Printkrise wagt die Wochenzeitung "Die Zeit" einen mutigen Schritt. Während andere Verlagshäuser Redakteure entlassen, stellt sie neue Journalisten ein, um ihren Hamburger Lesern einen Lokalteil zu bieten.

Von Axel Schröder | 03.04.2014
    Patrik Schwarz ist am Ziel. Erleichtert nach Monaten der Planung. Der 43-Jährige leitet die sechsköpfige Redaktion der "Zeit-Hamburg", der ersten Lokalausgabe der Wochenzeitung. Im Sommer letzten Jahres gab die Chefredaktion grünes Licht für das Projekt. Jetzt sitzt der Journalist in seinem schuhkartongroßen Büro, durchblättert die 14 Seiten des druckfrischen Exemplars:
    "Das ist schon einfach ein tolles Gefühl, wenn nach so vielen Monaten der Konzeptarbeit und der Wochen der Vorbereitung dann plötzlich eine Kollegin an die Tür klopft und sagt: 'Mensch! Ich habe hier die ersten Exemplare ganz frisch aus der Druckerei'.“
    Die erste Seite soll klar machen, welches Konzept hinter der Hamburg-Ausgabe der "Zeit" steckt: Der überlebensgroße Schwan auf dem spiegelglatten Wasser, vor den prächtigen Alsterarkaden wirkt fast wie hinein montiert, zu schön, um echt zu sein. Aber nein, so Patrik Schwarz, es ist keine Montage. Und in großen Lettern soll die ganze Herrlichkeit gebrochen werden: "Da geht noch mehr".
    "Die Frage ist: Wie kann Hamburg sich entwickeln, wie kann Hamburg sich verändern? Und gibt es eine Gefahr, dass Hamburg in Schönheit erstarrt? Und das ist keine Frage, die nur wir bei der "Zeit" uns stellen. Sondern wir haben als kleinen Scoop in dieser Zeitung die zwei vielleicht respektiertesten ehemaligen Ersten Bürgermeister zusammengebracht: Klaus von Dohnanyi von der SPD und Ole von Beust von der CDU, die in einer Drastik und Direktheit sagen: 'Vorsicht! Diese Stadt darf nicht einschlafen! Die darf nicht selbstzufrieden sein!' In einer Drastik, wie ich das von zwei Elder Statesmen so nicht erwartet hätte."
    Hamburgs ehemaliger Bürgermeister Ole von Beust spitzt zu: Wenn wir nicht aufpassen, wird die Stadt zum 'Baden-Baden des Nordens'. Mit diesem Klischee will die Hamburger Lokalausgabe aufräumen, so Schwarz. Will auch die dreckigen Ecken der Hansestadt zeigen, ihre Armut und Widersprüche, die ausgedehnten Industriekomplexe im Hafen, das Nachtleben, Hoch- und Alternativkultur. Also darf der Rapper Jan Delay – ein Hamburger – in der Erstausgabe ein Plädoyer für die Rote Flora halten. Für das autonome Zentrum, deren Aktivisten für die Alsterarkaden und dahingleitende Schwäne eher wenig übrig haben.
    Der Plan: Neue Leser in Hamburg gewinnen
    "Wir haben keine Scheu vor dem feinen Bürger Hamburgs. Aber auch nicht vor dem wilden und rauen Hamburg. Und das ist vielleicht ein bisschen eine Chance für uns hier im Lokalen – das wir diese beiden Seiten zusammenführen. Wir bringen beide Seiten zusammen auf unseren Seiten. Das wäre was, was ich mir wünschen würde."
    Und natürlich soll das Lokalprojekt neue Hamburger Leser für die "Zeit" gewinnen. Wie viel Euro dafür investiert wurden, will Patrik Schwarz nicht sagen. Nur so viel: Es ist ein einstelliger Millionenbetrag. Gestern Abend, bei der "Langen Nacht der Zeit" wurden die 14 Hamburg-Seiten schon an die Besucherinnen und Besucher vorab verteilt. Die meisten sind nach der ersten Lektüre ganz angetan. Nur das allzu schöne und allzu seitenfüllende Foto von Alster- und Schwanenherrlichkeit kam nicht bei allen gut an:
    "Ja. Ich denke, dass ist heute für die erste Ausgabe. Ein schönes Bild von Hamburg. Aber ich erwarte mir dann mehr Inhalt auch auf der ersten Seite. Aber ich denke, für erste Ausgabe ist das in Ordnung so. – Sie sind froh, dass es sowas gibt? - Ja, ich hoffe, dass es das ersetzt, was ich bis jetzt vermisst habe oder das ich das bekomme, was ich vermisst habe bei der Tageszeitung, die ich ansonsten hier lese. – Das finde ich ganz toll!: Hamburg, Schwan, Alsterarkaden – passt wunderbar. Ich liebe diese Stadt, ich bin hier geboren… Einfach toll!"
    Und erstmals gibt es nun auch einen diskreten Hinweis darauf, in welcher Stadt die "Zeit" tatsächlich entsteht: im Titel der Deutschland-Ausgabe prangt – und das führt in die Irre - das Stadtwappen von Bremen. Anders ist das bei der Hamburger Lokalausgabe: mit Erlaubnis des Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz erscheint dort – endlich - das Hamburg-Wappen.