Sonntag, 05. Mai 2024

Archiv


"Es gibt wahrscheinlich verschiedene Entstehungsmuster"

Obwohl die Existenz sogenannter Krebsstammzellen noch nicht eindeutig bewiesen ist, könnten sie mehreren Studien zufolge Ursache verschiedener Tumore sein. Andreas Trumpp vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg erläutert, wie diese Zellen auch der Therapieentwicklung nützlich sein können.

Andreas Trumpp im Gespräch mit Jochen Steiner | 15.10.2012
    Jochen Steiner: Anfang August haben wir in Forschung aktuell darüber berichtet: Gleich drei Studien in den Fachmagazinen "Nature" und "Science" hielten damals die Existenz von Krebsstammzellen für möglich. Diese Zellen könnten der Auslöser für verschiedene Tumore sein, gleichzeitig aber auch der Ansatzpunkt für neue Therapien. Noch bis morgen tauschen sich Forscher aus aller Welt am Deutschen Krebsforschungszentrum DKFZ in Heidelberg zu diesem Thema aus. Mit dabei ist auch Professor Andreas Trumpp, er ist Leiter der Abteilung Stammzellen und Krebs im DKFZ und ich habe ihn kurz vor der Sendung gefragt, wie viele Hinweise es zu den Krebsstammzellen nun zweifelsfrei gibt?

    Andreas Trumpp: Sehr starke Hinweise, gute Hinweise, auch klinische Hinweise in verschiedenen Leukämien - dass Leukämiestammzellen existieren, dass Leukämiestammzellen den Tumor oder die Leukämie treiben und dass bestimmte Leukämie-Stammzellen auch für die Chemotherapieresistenz und für das Wiederaufflackern beziehungsweise die Wiederkehr des Tumors verantwortlich sind.

    Steiner: Jetzt haben Sie die Leukämie angesprochen. Sind diese Krebsstammzellen denn auch noch von anderen Krebsarten bekannt, oder gibt es da auch ernstzunehmende Hinweise darauf?

    Trumpp: Doch, also ernstzunehmende Hinweise gibt's also sowohl im Brustkrebs, im Darmkrebs im Pankreaskrebs wie es diskutiert. Im Moment läuft ein Vortrag über Prostatakrebs. Auch in anderen Tumorarten wird es diskutiert und gibt es immer stärkere Hinweise dazu.

    Steiner: Was sind diese Krebsstammzellen für Zellen, wie entstehen sie?

    Trumpp: Es gibt wahrscheinlich verschiedene Entstehungsmuster. Heutzutage - aufgrund von der Sequenzierung des Krebsgenoms wissen wir, dass, sagen wir im Durchschnitt vielleicht mindestens 50 Mutationen notwendig sind, um eine normale Zelle in eine aggressive Krebszelle umzuwandeln. Die Anzahl der Mutationen variiert von Tumortyp zu Tumortyp. Bei kindlichen Tumoren zum Beispiel sind es eher weniger. Und es gibt andere Beispiele, wo zum Teil über 1000 Mutationen zu finden sind solch einer Krebszelle. Das heißt, die Genese einer Krebszelle geht über Jahre. Das geht nicht von heute auf morgen, sondern das geht über viele, viele unterschiedliche Stadien, dann unterschiedliche bösartige Stadien bis hin zur Metastasierung. Das heißt von einem Menschen und Patienten, der zum Arzt kommt mit einem ausgewachsenen Tumor oder sogar einem metastasierten Tumor, ist es sehr schwer zu sagen: Was passierte denn vor 15 Jahren? Im Tiermodell kann man sowas machen. Und da sieht es ganz danach aus, dass Krebsstammzellen sowohl von normalen Stammzellen als auch von Vorläuferzellen generiert werden können.

    Steiner: Das heißt, die Krebsstammzellen sind letztendlich dafür verantwortlich, immer neue Krebszellen zu produzieren?

    Trumpp: Genau. Ganz genau, sie treiben den Tumor. Und heute hat Luis Parada, der neulich auch das "Nature"-Paper hatte, gezeigt, dass wenn man die Stammzelle auslöscht, dann geht der Tumor auch zugrunde, obwohl das natürlich auch nur im experimentellen Modell funktioniert, da die anderen Nicht-Tumorstammzellen durch weiteres Einfangen, weitere Mutationen auch wieder Krebsstammzell-Charakter erhalten können. Das heißt, wir müssen immer auch ein sogenanntes Debulking vornehmen, das heißt also, möglichst viele dieser genetisch instabilen Krebszellen eliminieren - da auch aus mehr differenzierten Krebszellen immer wieder eine Stammzelle werden kann durch Akquirierung von neuen Mutationen.

    Steiner: Wie weit ist denn die Forschung bei der Bekämpfung dieser Krebsstammzellen?

    Trumpp: Die ist wie so oft am weitesten bei Leukämien. Hier ist zum Beispiel Katharina Jamison von der University of California in San Diego an mehreren klinischen Studien beteiligt.

    Steiner: Wie lange würde es denn noch dauern, bis solche Therapien dann tatsächlich im Krankenhaus landen.

    Trumpp: Klinische Studien, wie Sie wissen, dauern immer circa zehn Jahre - von der ersten Phase eins bis Ende Phase drei.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.