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"Es ist auch eine Tierschutzfrage"

Millionen Eier aus Freiland- und Bodenhaltung sind durch falsche Angaben über Futterqualität und Platz für die Hühner höherwertiger deklariert und teurer verkauft worden. Für entsprechende Kontrollen, sagt Thomas Schäfer vom Tierschutzbund, fehle das Personal.

Jule Reimer im Gespräch mit Thomas Schröder | 26.02.2013
    Jule Reimer: Vom Eierland Niedersachsen ging er aus, doch mittlerweile beschäftigt der Skandal um Millionen falsch deklarierter Eier die Staatsanwaltschaften in weiteren sieben Bundesländern: Betroffen sind offenbar neben Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern auch Thüringen, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. - Am Telefon begrüße ich jetzt Thomas Schröder, den Präsidenten des Deutschen Tierschutzbundes. Herr Schröder, Millionen Eier aus Freiland- und Bodenhaltung sind falsch deklariert worden, als höherwertiger, sodass sie teurer verkauft werden konnten. Der Preis hängt ja von der Art des Futters sowie vom Raum ab, der den Legehennen zugestanden wird. Es handelte sich um eine offenbar gezielte Überbelegung von Ställen. Sagen Sie, Herr Schröder: Die Betriebe, gegen die ermittelt wird, hätten die die Hühner nicht einfach zählen können?

    Thomas Schröder: Guten Tag! Ja, man denkt das so einfach. Das ist leider bei größeren Beständen, um die es geht, tatsächlich nicht ganz so einfach. Aber klarzustellen ist zuerst einmal: Es ist ein Verbraucherschutzproblem und Vertrauen des Verbrauchers, was hier massiv belastet wird. Aber es ist auch eine Tierschutzfrage, denn wenn in einem System zu viele Hühner sitzen, als eigentlich zugelassen, dann ist es für die Hühner selbst auch keine erträgliche Situation. Insofern haben wir Verbraucherschutz- und Tierschutzfragen zu klären. Und das Wichtige ist: Wenn wir feststellen, dass nicht gezählt werden kann, dann müssen wir fragen warum. Die einfache Aussage, die wir bisher haben, ist: Die Veterinärbehörden können es personell nicht leisten, und da müssen jetzt Land und genauso der Bund gemeinsam handeln. Denn wenn Tierschutz ein Staatsziel ist, dann muss auch die Überwachung von Tierschutz eine staatliche Aufgabe sein, und zwar der Länder wie des Bundes.

    Reimer: Welche Kontrollstellen sind denn dann zuständig gewesen und wer hat Ihrer Ansicht nach versagt? Da sind ja mehrere Beteiligte.

    Schröder: Zum einen ist die Grundkontrolle durch die Veterinärämter zu leisten. Die sind der gesetzliche Auftrag: Kontrollieren, stimmt alles nach Gesetz, stimmt die Haltungsform, stimmt eben die Zahl der Tiere und stimmt damit auch das System als Ganzes. Die einzelnen Programme, wenn ein Landwirt noch zusätzliche Programme freiwillig macht, also Bio-Programme oder andere Freilandhaltungen, dann hat er noch freiwillige Kontrollen durch genau diese Programme, also Bioland, Naturland und wie sie alle heißen. Scheinbar sind aber auch hier die Kontrollen so, dass es nicht möglich war festzustellen, wo die Fehler liegen. Wir brauchen vielleicht eine Kontrolle der Kontrolle der Kontrolle, aber das Wichtige ist: Dafür muss Personal da sein. Wir haben das die letzten Jahre schon erlebt, dass viele Skandale nur damit zu tun haben, dass Veterinärbehörden überlastet sind. Und wenn endlich erkannt wird, dass es so ist, dann muss auch endlich gehandelt werden.

    Reimer: Eine wichtige Kontrollinstanz für die Herkunftssicherung von Hennenhaltungssystemen ist KAT – Verein für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen. Dieser KAT-Vorstand besteht aus 13 Mitgliedern: Vertreter der Eierwirtschaft, des Lebensmittelhandels, der Futtermittelindustrie und auch aus dem Tierschutz. Das heißt, Sie sitzen da mit im Vorstand. Wieso hat KAT nichts bemerkt?

    Schröder: Ich bin jetzt tatsächlich seit drei Monaten im Vorstand. Wir haben eine erste Vorstandssitzung gehabt vor kurzem. Aber KAT selbst ist eine freiwillige Kontrolle, die ja nicht in jedes System so hineinschaut und schauen kann, weil der Gesetzgeber den Erstauftrag hat.

    Reimer: Aber der Großteil hat sich ihnen angeschlossen!

    Schröder: Nach allen Informationen, die wir heute haben, sind KAT-Betriebe nur wenn überhaupt, sehr gering betroffen. Wir werten das gerade noch aus. Aber auch da ist ja die Frage: wie ist eine Kontrolle möglich. Wir werden sehr ernst darüber reden bei KAT, wie können wir hier noch eine freiwillige Kontrolle zusätzlich intensivieren. Aber wenn sozusagen im System systematisch betrogen wird – und das scheint ja hier vorzuliegen; das ist ja fast organisierte Kriminalität, die da stattgefunden hat -, dann muss zuerst mal der Gesetzgeber auch die Grundlagen schaffen, überhaupt Kontrollen durchführen zu können. Und ich sage auch noch ganz klar. Was mich am meisten beschäftigt ist die Frage: Wenn seit September 2011 die Ermittlungen laufen – und so ist ja die Verdichtung der Tatsachen im Moment bekannt geworden -, dann frage ich mich, warum diese Betriebe, die betrogen haben, noch anderthalb Jahre damit Geld verdienen konnten und weiter am Markt mit ihren Eiern waren. Was jetzt wichtig ist, ist, damit auch Verbrauchervertrauen wiederhergestellt wird, dass alle Eier vom Handel zurückgezogen werden, die aus diesen Betrieben kommen, weil ein Betrüger darf mit dem Ergebnis seines Betruges nicht auch noch Geld verdienen.

    Reimer: Wobei da hat ja die Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass wahrscheinlich bei den Betrieben, gegen die ermittelt wurde, nichts mehr in Sachen Überbelegung gelaufen ist. – Noch eine Frage mit der Bitte um eine kurze Antwort: Sie haben ja selber zur Grünen Woche ein Tierwohllabel herausgebracht – zwei Sterne: ein Stern ein bisschen Verbesserung, zwei Sterne Bio-Standard. Haben Sie jetzt nicht auch Sorge, dass Sie da, sagen wir mal, Missbrauch, Betrug ausgeliefert sind?

    Schröder: Vor dem Skandal um Eier und vielleicht Pferdefleisch, was alles war, hatten wir die Sorge schon. Deswegen haben wir ja ein Kontrollnetz gemacht, so dicht wie wir es schaffen konnten – übrigens dichter als in den herkömmlichen Haltungen, die bisher da sind. Zweimal im Jahr muss der Hof besucht werden, eben nicht vom Schreibtisch beobachtet werden. Wir haben beim Tierschutzlabel vom Schlachthof Rückwärtskontrollen: ist am Tier eine Krankheit erkennbar, was heißt das für die Haltung. Wir haben versucht, ein System zu verdichten mit Kontrollen.
    Ich sage ehrlicherweise: Sie können Missbrauch zu hundert Prozent nie ausschließen, aber Sie müssen alles dazu tun, dass der Missbrauch nicht offensichtlich eine Eingangstür findet.

    Reimer: Vielen Dank! – Das war Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, zum Eier-Skandal.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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