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"Es wird deutlich wärmer in Zukunft"

Der Bericht des Weltklimarates IPCC sei vage gefasst, sagt Forschungs-Redakteur Lucian Haas. Sicher sei nur, dass Wetterextreme als Folgen des Klimawandels zunehmen. Besonders die Entwicklungsländer werden aufgerufen, Präventivmaßnahmen zu ergreifen und ihr Katastrophenmanagement zu verbessern.

Lucian Haas im Gespräch mit Uli Blumenthal |
    O-Ton Rajendra Kumar Pachauri: "Der Bericht kommt zum Schluss, dass im Laufe des 21. Jahrhunderts Dürren, mit einer mittleren Eintrittswahrscheinlichkeit, regional und saisonal verstärkt auftreten werden. Das ist eine Folge von weniger Niederschlag und erhöhter Verdunstung. Das gilt für Regionen wie rund ums Mittelmeer, Zentraleuropa, Nordamerika, Zentralamerika und Mexiko, Nordost-Brasilien und Südafrika. Das ist eine große Fläche."

    Uli Blumenthal: Sonderbericht des Weltklimarates, der sich mit den Fragen befasste, on und inwieweit Wetterextreme wie Stürme, Dürren oder Überschwemmungen in Zukunft infolge des Klimawandels zunehmen werden, und was das für die Menschen in den betroffenen Regionen bedeutet. Lucian Haas, Sie haben die Pressekonferenz für uns verfolgt. Enthält der Bericht konkretere Beispiele, als wir Sie im O-Ton von Pachauri gehört haben?


    Lucian Haas: Nein, eigentlich nicht. In den meisten Fällen bleibt der Bericht ziemlich unspezifisch. Das hängt zum einen mit der Unsicherheit zusammen, mit denen die Klimaforscher heute noch zu kämpfen haben, wenn es um die Prognose von Extremereignissen geht. Das ist eigentlich heute noch sehr schwer, weil aus aktuellen Klimadaten lässt sich noch gar nicht so richtig die Trends herauslesen, dass wirklich katastrophale Wetterphänomene zunehmen. Und auch wenn wir heute schon gefühlt haben, ja es gibt vielleicht mehr Stürme und die Überschwemmungen nehmen zu, lässt sich das statistisch noch immer nicht mit großer Sicherheit sagen.

    Blumenthal: Also wie medial verbreitet mit Höchsttemperaturen 50 Grad Celsius in Europa oder in Deutschland im Sommer, das ist eine Zahl die fiktiv ist, die herbeigesehnt wird, oder Katastrophe, die herbeigesehnt wird oder woher kommt so etwas?

    Haas: Solche Zahlen beruhen eigentlich auf Modellberechnungen, wo man wirklich sagt, wenn wir einmal die Extremwerte, auch was CO2-Ausstoss betrifft, wenn man die hochrechnet, wo landen wir dann vielleicht irgendwann im Jahr 2100? Und da könnte man sagen: In bestimmten Regionen, selbst in Deutschland, so die Aussagen, könnte es bis zu 50 Grad werden. Aber solche Sachen stehen in diesem Bericht gar nicht drin.

    Blumenthal: In welchen Bereichen sind sich denn die Klimaforscher denn weitgehend sicher?

    Haas: Dieser Bericht teilt die Erkenntnisse oder Prognosen in verschiedene Wahrscheinlichkeitsklassen ein. Als der sagt zum einen, wir wissen so gut wie sicher, also mit nahezu 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit, im Grunde nur zwei Sachen: Zum einen, es wird deutlich wärmer in Zukunft. Und, die Schäden, die durch Extremwetterereignisse auftreten, die werden zunehmen. Aber, welche Extremwetterereignisse, welche Katastrophen das nun sind, da ist man etwas vorsichtiger. Man sagt mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit wird es häufiger Hitzewellen künftig geben. Oder die Wirbelstürme, die sollen auch stärker werden, wobei man sagt, wahrscheinlich werden sie zwar stärker, aber nicht unbedingt häufiger auftreten. Und als noch immer wahrscheinlich, aber nicht so wahrscheinlich, sagt man, dass die Dürren, Starkregenereignisse oder mehr Schneestürme im hohen Norden auftreten werden.

    Blumenthal: Macht der Bericht auch Aussagen darüber, wo diese Schäden in Zukunft am größten sind und am meisten erwartet werden?

    Haas: Auch da bleibt der Bericht ziemlich vage. Klar ist nur eine Aussage, die da drin steht: nämlich dass die Zahl der Toten, die man heute schon irgendwelchen katastrophalen Wetterereignisse zuschreiben kann, in den Entwicklungsländern viel höher sind, als in den Industrieländern. 95 Prozent entfallen auf Entwicklungsländer und nur fünf Prozent auf die Industrieländer. Und gerade deswegen hat auch Rajendra Pachauri auf der Pressekonferenz hervorgehoben, dass der Bericht für Entwicklungsländer so wichtig ist. Denn sie müssten mehr dafür tun, ihre Belastbarkeit bei solchen Katastrophen wirklich zu erhöhen. Und besonders wichtig ist dabei zum Beispiel der Aufbau neuer Warnsysteme, sie sollen auch besser ihre Landnutzung anpassen und ein funktionierendes Katastrophenmanagement aufzubauen.

    Blumenthal: Aktuell können wir diese verheerenden Überflutungen in Thailand beobachten, 2010 in Pakistan oder riesige Waldbrände in Russland im vergangenen Jahr. Lässt sich als dies dem Klimawandel zuschreiben?

    Haas: Mit solchen Aussagen sind die Klimaforscher auch jetzt immer noch sehr vorsichtig. Das liegt zum einen daran, dass so etwas schon immer passiert ist, also noch im Rahmen der natürlichen Variation liegen kann. Dass der Klimawandel da als Antreiber hinter heute schon erkennbaren Trends steckt, dass sagen die Forscher eigentlich nur für zwei Punkte, wo sie sagen, da können wir schon so etwas heraussehen: Da ist zum einen, dass es mehr Starkregenereignisse gibt. Das könnte dann verstärken, dass es häufiger Erdrutsche geben kann. Und das andere ist, dass es in Küstenregionen häufiger zu Überschwemmungen kommt. Das ist aber auch gekoppelt an den grundsätzlich ansteigenden Meeresspiegel.

    Blumenthal: Sie haben mit Wahrscheinlichkeiten argumentiert, die auch immer geringer wurden. Wenn man dies hört, fragt man sich, wo der besondere Wert dieses Sonderberichtes liegt, der in Uganda vorgestellt wurde?

    Haas: Da muss man ein bisschen unterscheiden zwischen einer Außen- und einer Binnenwirkung. Binnenwirkung meine ich, was heißt das für den IPCC, also den Klimarat. Und für den IPCC ist das schon ganz interessant, weil hier zum ersten Mal zwei Arbeitsgruppen gemeinsam einen solchen Bericht verfasst haben. Die eine Arbeitsgruppe besteht hauptsächlich aus den klassischen Klimaforschern, und die andere Arbeitsgruppe, das sind die Wirtschaftswissenschaftler, die Ökonomen, die Katastrophenmanager. Die haben aber ganz unterschiedliche Begrifflichkeiten, die reden ganz unterschiedlich über die gleichen Sachen und die mussten sich erst einmal zusammensetzen und überhaupt erstmal definieren, wie sollen wir etwas beschreiben, wie kommen wir da zusammen und das ist sicherlich ein Vorteil, dass man das jetzt einmal grundsätzlich definiert hat und davon wird die Kommunikation des IPCC in Zukunft sicherlich profitieren.

    Das Zweite ist, was ich sagte, die Außenwirkung und da betont der Bericht, dass das Risiko nicht nur von der Häufigkeit von solchen Katastrophen abhängt, sondern, dass es andere Faktoren gibt, die das auch noch verstärken. Und diese Faktoren werden dann benannt als die sogenannte Exposition und die Verletzlichkeit. Das heißt also: Wie viele Menschen leben überhaupt in einem von einer Katastrophe betroffenen Gebiet und wie gut sind sie auf diese Katastrophen vorbereitet und möglicherweise geschützt. Das ist im Grunde diese politische Botschaft, die von diesem Bericht ausgeht, nämlich dass die Schutzwirkung einfach in den Fokus genommen werden muss von den Ländern.

    Blumenthal: Ein Weckruf eine Woche vor Weltklimakonferenz in Durban, ja oder nein?

    Haas: Ein Weckruf ist es sicherlich nicht. Er ist sicherlich gut getimed, aber er weist wirklich nur darauf hin: Leute, ihr müsst mehr tun, um den Klimawandel irgendwie abzumildern.

    Blumenthal: Sonderbericht des Weltklimarates IPCC über die Fragen der zunehmenden Wetterextreme als Folge des Klimawandels. Informationen und Einordnungen von meinem Kollegen Lucian Haas.