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"Es wird ein Krieg bleiben"

Das Team Garmin gilt als das Anti-Doping Team des Radsports. "Die machen das nur, um öfters in der Zeitung zu stehen", so Hans-Michael Holczer, mittlerweile Chef des russischen Radrennstalls Katjuscha und selbsternannter Anti-Doping-Kämpfer. WADA-Generaldirektor David Howmann ist da ganz anderer Meinung. An der Mannschaft von Teamchef Jonathan Vaughters scheiden sich die Geister. Doch was ist dran am vermeintlichen "Saubermann-Image"?

Von Klaus Blume | 09.04.2012
    Hans Holczer traut Beiden nicht über den Weg. Jonathan Vaughters nicht - und erst recht nicht David Millar. Und sagt, was andere im Peloton nur denken: "Die machen das nur, um öfters in der Zeitung zu stehen." Der deutsche Boss der russischen Rad-Equipe Katjuscha meint damit Vaughters‘ und Millars Anti-Doping-Programm für das amerikanische Rad-Team Garmin.

    Doch - im Gegensatz zum selbst ernannten Anti-Doping-Kämpfer Holczer - hält WADA-Generaldirektor David Howman viel von deren Programm. Vor allem, weil der amerikanische Anti-Doping-Pionier Don Catlin dafür jene Tests durchführt, bei denen WADA-akkreditierte Labore an Grenzen stoßen. Denn Catlin, der vor zwanzig Jahren in Los Angeles das erste amerikanische Anti-Doping-Labor aufbaute, führt auch Testreihen durch, die noch NICHT von der WADA ratifiziert worden sind. Sogar an Medikamenten, die sich noch in der klinischen Erprobungsphase und somit - offiziell - noch gar nicht auf dem Markt befinden.

    Catlins Ergebnisse werden bei der WADA - intern, versteht sich - gerne zur Kenntnis genommen. Übrigens nicht nur in Sachen Radsport. Zumal Vaughters und Millar im Zweifelsfalle auch noch andere Experten um Rat bitten. Beispielsweise den Dänen Rasmus Damsgaard, dem der Kölner Dopingforscher Mario Thevis "größtmögliche Unabhängigkeit" bescheinigt.

    Doch gegenüber Vaughters und Millar besteht im internationalen Rad-Peloton nun mal eine Art Grund-Mißtrauen - und das seit Jahren. Schließlich gehörte der 38-jährige Amerikaner Vaughters 1998 und 1999 zu Lance Armstrongs Team US Postal Service - doch nie zu jenen Fahrern, die dem umstrittenen Texaner zu einem seiner sieben Tour-Siege verholfen haben. 2003 beendete Vaughters seine sportliche Karriere, bei einem drittklassigen Team. Dass ihn der amerikanische Sonderermittler Jeff Novizki in der Causa Armstrong nie kontaktiert hat, quittiert er mit einem Achselzucken. Denn seine Energie, argumentiert er, entspringe vor allem seiner Vergangenheit.

    Auch die Energie des 35-jährigen Schotten David Millar speist sich aus dessen Erfahrungen. Millar verbüßte von 2004 bis zum 23. Juni 2006 eine Sperre wegen EPO-Dopings; darüber hinaus zeichnet er in seinem Buch "Racing Through the Dark" minutiös auf, wie er in Frankreich, im Team Cofidis, und Spanien, bei Saunier Duval, vergeblich gegen deren so genannte Doping-Kultur Sturm gelaufen ist.

    Im Herbst 2007 trafen Vaughters und Millar zufällig am Rande der Tour-Präsentation in Paris aufeinander. Der Amerikaner erzählte dem Briten, er werde ein Profi-Team mit eigenem Anti-Doping-Programm gründen - und Millar war sofort Feuer und Flamme. Entwarf entsprechende Programme und ging in England mit eigenen Podiumsdiskussionen auf Reisen. Seit 2008 tritt er obendrein für Garmin in die Pedale und jubelte wohl am meisten, als der amerikanische Fernsehsender NBC am 3. Juli 2011 zur Prime-Time vermeldete: "Anti-Doping-Team gewinnt Zeitfahren bei der Tour de France." Auch noch mit einem Fahrer - David Zabriskie - der mit einem speziellen Vegetarier-Programm angetreten war.

    Drei Profis mit deutscher Lizenz gehören dem Team Garmin an: Andreas Klier, Fabian Wegmann und der in Freiburg ansässige Deutsch-Australier Heinrich Haussler. Wegmann gehörte einst zu jener Gerolsteiner Equipe des Hans Holczer, aus der - aktenkundig - neun (!) Dopingsünder hervor gegangen sind.

    Nun startet auch er im Garmin-Trikot, dessen Anti-Doping-Programm im britischen Sky-Team einen Nachahmer gefunden hat - übrigens mit Hilfe von David Millars Schwester Frances. Verbündete tun not, denn was sagte Vaughters zu Beginn dieser Saison zum Anti-Doping-Kampf: "Es wird ein Krieg bleiben. Doch so lange wir das durchziehen, bin ich zuversichtlich, dass saubere Fahrer sogar große Rennen gewinnen können."