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Esst, trinkt und redet darüber

In Zeiten von Smartphones und iPads halten Food Blogs in die Küche Einzug. Statt mit Fettfingern in Kochbüchern rumzustöbern, findet man heute dort passende Rezepte für sein Essen und kann die Einträge zusätzlich kommentieren.

Von Christine Kewitz | 31.08.2012
    Sie nennen sich Wurstsack, Foodfreak, Dinner um Acht oder Gourmet Guerilla. Sie sind die Genussmenschen im Netz, denen das Kochen am eigenen Herd irgendwann nicht mehr genügte. Die heraus wollten aus der Enge zwischen Backofen und Kühlschrank, heraus ins Internet. Sie sind: Food Blogger. Klassischerweise stellt der Blogger vor, was er gerade so kocht. Er fotografiert seine Bratkartoffeln, dazu kommt das Rezept sowie ein paar persönliche Eindrücke und kulinarische Gedanken. Aber was sind das für Leute? Picklige sozialphobische Computernerds, die sich statt Chips lieber mal einen Coq au Vin gönnen? Paul Fritze von Einfach Lecker Essen.

    "Ich könnte die alle immer nur umarmen, weil die gerne essen und trinken und das ist sensationell. Die finden tolles Essen großartig und die finden super Wein großartig und wenn du dich nicht ganz so ernst nimmst, davon kannst du mir 100 Leute hinsetzen, ob das Food Blogger sind oder nicht, ist mir wurscht, nur bei denen gibt's eine Menge davon."

    Das "sich nicht so ernst nehmen" spiegelt sich auch in den Inhalten der Blogs. Bei HighFoodality wird jeden Monat in nur einer Farbe gekocht. Im August steht alles Rote zwischen Erdbeermarmelade und Pesto Rosso auf der Karte. Ein wissenschaftliches Fundament gibt's bei lamiacucina. Ein pensionierter Chemieingenieur kocht Kalbsfilet an Körnersenfsabayon und erklärt nebenbei den Eisenmangel bei Jungtieren.

    Katharina Höhnk rezensiert auf ihrer Seite Valentinas Kochbuch klassische Kochbücher und kennt somit beide Seiten der Speiselektüre. Sie steht in regem Kontakt mit den Verlagen. Gleichzeitig ist sie, durch die Onlinepräsentation ihrer Arbeit auch Teil der Bloggerszene.

    "Ein Kochbuch und ein Food Blog aufs Radio übertragen, dann ist das eine die sich wiederholende Serie, die immer weiter geht, die man immer verfolgt und man ist auf dem laufenden und das andere ist das Hörspiel, die Inszenierung, die als Buch daher kommt. So sind die Rollen sehr unterschiedlich und die tun sich auch nicht weh. Im Gegenteil, es wird auch in den Verlagen inzwischen so gesehen, dass dieses Gespräch im Internet, diese Food Blogszene sehr befruchtend für den Kochtrend in Deutschland ist."

    Das anfängliche Gefühlschaos zwischen Neugier und Ablehnung gegenüber den Food Blogs hat sich bei den Verlagen inzwischen gelegt. Sie nutzen die Blogs als Pressemedien und lassen sich sogar inspirieren.

    "Im englischen Sprachraum gibt es ganz viele Food Blogger, die auch Kochbuchautoren inzwischen sind und in Deutschland nimmt das nach und nach zu, weil viele Food Blogger, darin steckt dann der mögliche Autor eben, die halt eigene Rezepte entwickeln, selber inszenieren also Foodfotografen sind, Stylisten, da kommt ganz viel zusammen, wonach ein Verlag eh sucht, wenn er ein Kochbuch macht."

    Foodbloggen will gelernt sein. Gerne essen ist zwar Grundvoraussetzung und sozusagen der Numerus clausus zum Bloggen, aber dazu kommen die Kochkünste, eine flotte Schreibe und fotografisches Talent. Kekstesterin Anne Seubert, hat sich da schon manches Mal die Zähne an ihren Zimtsternen ausgebissen.

    "Ehrlicherweise muss man sagen, dass Teig und Kekse einerseits sehr dankbare Objekte sind, weil sie ruhig sind, weil sie still sind, weil sie nicht wie anderes Essen zerlaufen, dampfen müssen oder sonst wie. Aber, was gerade die Farben angeht, sehr undankbar sind. Das ist ja alles ein braun, Nuancen von braun, gelb vielleicht noch, wo man dann schon an seine Grenzen stößt und wo man sich dann Ideen überlegen muss, wie man dann mit Farben noch so ein bisschen Kontrast reinbringt."

    Die Linsensuppe mit Würstchen wird also eher diskriminiert als ein herrlich bunter Salat mit exotischen Früchten. Das Wichtigste ist jedoch, dass der Blogger dem Leser sympathisch ist und eine ähnliche Art zu Kochen hat.

    Paul Fritze betreibt neben seinem Blog übrigens einen unregelmäßigen Supperclub namens Rolling Restaurant und ist somit ein weiterer Food Blogger, der sich als Quereinsteiger professionalisiert. Dabei hat auch er mal ganz klein angefangen.

    "Die meisten Leute, die das Bloggen anfangen, glauben, sie müssten schon mit was Fertigem anfangen. Wenn ich mir meinen Blog von vor zwei Jahren angucke, das war schrecklich. Ich habe Eisbergsalat mit Oliven zerhäckselt und gesagt, Wahnsinnssalat, kann jeder. Ich möchte es am liebsten löschen, so unangenehm ist mir das, was ich da geschrieben habe, aber das gehört dazu, da wächst du rein, du wirst nicht von Tag 1 Blogger, du musst das lernen. Und darum kann ich nur jeden ermutigen, fangt an, darüber zu schreiben, veröffentlicht das. Geht raus, geht essen und trinken. Das ist super."