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EU-Budget
"Wir müssen diese Mittel gezielter einsetzen"

Wie das Finanzloch im EU-Budget geschlossen werden kann, das nach dem Brexit entstehen wird - darüber beraten die Staats- und Regierungschefs heute bei einem informellen EU-Gipfel. FDP-Haushaltspolitiker Frank Schäffler sprach sich im Dlf dafür aus, die Ausgaben der EU anzupassen, statt die Beiträge der verbleibenden Staaten zu erhöhen.

Frank Schäffler im Gespräch mit Christine Heuer | 23.02.2018
    Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler.
    Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler. (imago stock&people)
    Christine Heuer: Dass der Brexit nicht nur die Briten teuer zu stehen kommt, sondern auch die EU-27 Geld kostet, das war von Anfang an klar. Jetzt kennen wir die Zahlen: Bis zu 14 Milliarden Euro fehlen jedes Jahr im Budget, wenn der Nettozahler von der Insel sich verabschiedet. Bei einem informellen EU-Gipfel starten die verbleibenden Staats- und Regierungschefs heute die Beratungen darüber, wie das Loch gefühlt werden soll.
    Über die EU-Finanzen möchte ich jetzt mit Frank Schäffler sprechen, FDP-Bundestagsabgeordneter, dort Mitglied im Finanzausschuss. Guten Morgen, Herr Schäffler.
    Frank Schäffler: Guten Morgen, Frau Heuer.
    "Man kann die Flüchtlinge nicht in Polen oder in Tschechen einsperren"
    Heuer: Angela Merkel hat ja gestern öffentlich gesagt, sie sei dafür, Staaten Geld zu kürzen, zum Beispiel, wenn die keine Flüchtlinge aufnehmen. Sagt die FDP dazu Ja?
    Schäffler: Das halte ich erst mal für falsch. Das funktioniert ja nicht. Die Flüchtlingspolitik von Frau Merkel ist ja eigentlich dadurch gescheitert, dass sie andere Länder zwingen wollte, Flüchtlinge aufzunehmen.
    Ich glaube, man muss das anders herum machen. Man muss quasi ein Malus- und ein Bonussystem einführen, wo die Leute oder die Länder belohnt werden, die Flüchtlinge aufnehmen, und die, die keine aufnehmen, werden finanziell benachteiligt, oder die müssen das letztendlich durch Mehrbeiträge leisten. Ich glaube, man kann die Flüchtlinge nicht in Polen oder in Tschechen einsperren, sondern die werden in einem Europa, wo alle Personenfreizügigkeit genießen, die wird man da nicht einsperren können.
    Heuer: Das verstehe ich jetzt so, Herr Schäffler: Sie wären nicht dafür, dass zum Beispiel Polen Geld gekürzt wird, aber Sie wären schon dafür, dass Polen ab jetzt mehr Geld einzahlen muss?
    Schäffler: Genau! So ist es. Man kann das so oder so herum machen. Man kann sagen, wenn Polen keine Flüchtlinge aufnimmt, dann kriegen sie weniger Geld, oder sie müssen mehr Geld bezahlen, eins von beiden. Das ist ja die Brutto-Nettozahler-Diskussion in Europa. Nur Sie müssen das natürlich schon spüren. Wer sich nicht an die gemeinsamen Regeln hält, der muss natürlich auch spüren, was das für ihn für Auswirkungen hat.
    Heuer: Gilt das dann auch für Frankreich? Die Franzosen nehmen ja auch keine Flüchtlinge auf.
    Schäffler: Natürlich!
    Heuer: Die müssen dann auch mehr Geld zahlen?
    Schäffler: Natürlich! Ich sage mal, in Europa muss das Recht für alle gleich gelten. Da kann man nicht eine Unterscheidung machen zwischen Polen und Frankreich, sondern diejenigen, die stärker zur Bewältigung dieser Krise beitragen, die werden entlastet und diejenigen, die dazu nicht beitragen, die müssen belastet werden.
    "Auch wir als Deutschland müssen uns an die Regeln halten"
    Heuer: Auf jeden Fall sprechen wir über das Prinzip Geld gegen Wohlverhalten, Herr Schäffler. Wer bestimmt denn, was Wohlverhalten ist und was nicht in der EU?
    Schäffler: Na ja, dafür gibt es ja ein Regelwerk. Das heißt, wir müssen schon schauen, dass wir auch als Deutschland uns an die Regeln halten. Wir können nicht von anderen irgendwelche Maßnahmen einfordern, aber selbst wie in der Flüchtlingskrise, wo Frau Merkel einseitig das Dubliner Abkommen geschleift hat, dann anschließend von den anderen Solidarität verlangen. Das halte ich grundsätzlich für falsch.
    Heuer: Aber, Herr Schäffler, sprechen wir doch jetzt über politische Beschlüsse. Die können ja mal so und mal anders ausfallen.
    Schäffler: Na ja, gut. Die politischen Beschlüsse, das ist natürlich das Problem des Mehrheitsprinzips auf europäischer Ebene. Ich glaube, man kann schlecht gegen breiteste Mehrheiten in einem Land Politik machen, und das scheint, in Polen, auch in Tschechien und anderen Ländern nicht möglich zu sein. Deshalb muss man sich ein anderes Instrumentarium ausdenken, eben ein Bonus-Malus-System.
    Heuer: Aber wenn wir über Mehrheitsbeschlüsse in der Politik sprechen, dann heißt das ja, die Mehrheit, die gerade für oder gegen irgendetwas ist in der EU, die bestimmt dann, wer weniger Geld bekommt oder mehr einzahlen muss. Müsste man das nicht, wie soll ich sagen, neutraler regeln? Müssten die EU-Regeln dafür nicht erst einmal geschrieben werden, damit es eine verlässliche Basis gibt?
    "Wichtig ist, dass man als großes Land in der EU nicht die anderen überfährt"
    Schäffler: Es gibt ja Regeln. Es gab ja einen Beschluss des Europäischen Rates. Das war ein Mehrheitsbeschluss, der dazu führte, dass die unterlegenen Mitglieder Flüchtlinge aufnehmen sollten. Die haben das aber am Ende nicht gemacht, sondern klagen vorm Europäischen Gerichtshof dagegen, und das ist natürlich für jedes Land auch unbenommen, das zu tun. Das machen wir an anderer Stelle auch und am Ende wird der Europäische Gerichtshof darüber entscheiden.
    Aber entscheidend ist, finde ich, dass man als großes Land in der Europäischen Union nicht die anderen überfährt. So wichtig die Beziehung zu Frankreich in Europa ist, sie darf nicht alles sein, sondern Deutschland hat in der Vergangenheit unter FDP-Außenminister immer darauf geachtet, dass auch kleinere Länder mitgenommen werden …
    Heuer: Und unter CDU-Kanzlern.
    Schäffler: Das stimmt.
    Heuer: Herr Schäffler, der Punkt ist angekommen. Lassen Sie uns noch übers Budget reden in der Europäischen Union. Wir wissen jetzt, wie groß das Finanzloch ist, das die Briten reißen werden, und es muss mehr Geld von den anderen eingezahlt werden. Deutschland hat ja schon zugesagt, dass es bereit ist, mehr Geld zu geben für die EU.
    Schäffler: Ja.
    "Natürlich müssen auch die Ausgaben der Europäischen Union angepasst werden"
    Heuer: Da sind Sie aber dagegen?
    Schäffler: Ja, das halte ich für fatal. Auch die Zahlen, die Herr Oettinger da vorlegt, die 14 Milliarden. Ich weiß nicht, wo die herkommen. Aber im letzten Jahr hat Großbritannien einen Nettobetrag von fünf bis sieben Milliarden einbezahlt. Wie sich die jetzt plötzlich verdoppeln, kann ich nicht sehen.
    Klar ist: Wenn die EU um 13 Prozent an Bevölkerung abnimmt, dann müssen natürlich auch die Ausgaben der Europäischen Union entsprechend angepasst werden. Da kann man nicht sagen, wir lassen alles wie es ist.
    Heuer: Das sagt Herr Oettinger nicht. Er will ja schon Geld einsparen.
    Schäffler: Im Kern schon. Er legt, sage ich mal, beim Defizit etwas drauf und sagt anschließend, er will davon wieder ein bisschen, die Hälfte streichen. Das ist schon so ein Bauerntrick, der eigentlich aus meiner Sicht nicht fair ist, den er da vorschlägt. Klar ist: Eigentlich müsste jetzt die Situation genutzt werden, um wirklich die Strukturprobleme der Europäischen Union zu lösen.
    Wie kommt es denn, dass die Südländer überschuldet sind? Wie kommt es denn, dass da die hohe Arbeitslosigkeit ist? Das liegt doch nicht daran, dass wir zu wenig Geld da hingebracht haben, sondern es liegt daran, dass wahrscheinlich diese Strukturmittel und die Kohäsionsfonds und die Agrarmittel, dass die das eher befördert haben, als dass sie die Probleme in diesen Ländern gelöst haben. Die Strukturveränderungen sind eher hinausgeschoben worden.
    Heuer: Herr Schäffler, lassen Sie mich mal bei dem Agrarthema einhaken. Wenn Sie sagen, wir müssen in der EU sparen, sagen Sie dann deutschen Landwirten, die Agrarhilfen für sie werden gekürzt? Das findet die FDP gut?
    Schäffler: Ich halte es zumindest für falsch, dass Deutschland 21 Milliarden nach Brüssel überweist und dann davon einen Bruchteil wieder zurückbekommt. Da ist es doch schlauer, wenn wir uns um die Landwirtschaft in unserem Sinne kümmern und das nicht durch eine Bürokratie jagen, wo dann am Ende vielleicht nur die Hälfte herauskommt.
    "Wir müssen diese Mittel etwas gezielter und nicht mit der Gießkanne einsetzen"
    Heuer: Und so machen wir das dann auch mit den ostdeutschen, mit den sogenannten neuen Ländern, wenn es um Strukturmittel geht? Lieber selber machen und nicht über die EU gehen?
    Schäffler: Nein, nein. Ich glaube, wir müssen diese Mittel etwas gezielter einsetzen und nicht mit der Gießkanne einsetzen. Das was wir an Struktur- und Kohäsionsmittel in Europa einsetzen, das geschieht mit der Gießkanne. In Deutschland ist mal der Leuchtturm in Langeoog mit EU-Mitteln gefördert worden. Was für ein Schwachsinn! Was hat die EU mit Langeoog zu tun und mit dem Leuchtturm auf Langeoog? Das heißt, wir müssen die Mittel …
    Heuer: Langeoog liegt in der EU.
    Schäffler: Das liegt in der EU, aber das kann Niedersachsen oder die Bundesrepublik Deutschland höchst selbst machen. DA muss man nicht erst das Geld nach Brüssel überweisen.
    Heuer: Herr Schäffler, jetzt kommen die Nachrichten. Deshalb müssen wir leider aufhören. – Frank Schäffler war das, FDP-Haushaltspolitiker. Ich danke Ihnen sehr.
    Schäffler: Vielen Dank, Frau Heuer.
    Heuer: Schönen Tag.
    Schäffler: Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.