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EU stellt Pläne gegen Zinsmanipulation vor

Der Libor zeigt an, zu welchen Konditionen sich Banken Geld leihen. Dies macht ihn wichtig für weltweite Kreditgeschäfte – aber zuletzt auch anfällig für Manipulationen. Die EU-Kommission hat heute Pläne vorgestellt, um diese Praxis zu beenden.

Von Jörg Münchenberg | 18.09.2013
    Schärfere Kontrollen, höhere Strafen – mit diesem Doppelansatz will die EU-Kommission künftig gegen Manipulationen bei wichtigen internationalen Zinssätzen vorgehen. Bislang sind diese Instrumente weitgehend unreguliert. Nicht einmal in dem Maßnahmenkatalog der 20 wichtigsten Schwellen- und Industriestaaten G20 nach der Finanzkrise sei eine solche Überwachung vorgesehen, erklärte heute der zuständige Binnenmarktkommissar Michel Barnier. Dabei hätten solche Zinssätze enormen Einfluss auf Märkte, Kredite und damit die Ersparnisse der Verbraucher:

    "Der Vorschlag stellt Regeln der verantwortungsvollen Führung auf, um Transparenz zu gewährleisten und Interessenkonflikte zu mindern, die schon in der Konstruktion dieser Indizes gelegentlich angelegt sind. So wird deren Qualität und Glaubwürdigkeit gesichert. Es gibt auch ein Regelwerk für die Überwachung und für Strafen."

    So will die Kommission künftig Manipulationen von wichtigen Referenzwerten streng ahnden. Einzelpersonen müssen mit Geldbußen von bis zu 500.000 Euro rechnen, Unternehmen mit Strafen von bis zu einer Million Euro oder zehn Prozent des Jahresumsatzes. In letzter Konsequenz, dies sieht ein bereits vorgelegter Gesetzentwurf vor, soll es auch strafrechtliche Konsequenzen geben.

    Zudem setzt die Kommission auf mehr Transparenz. Die entsprechenden Werte sollen künftig verstärkt auf Transaktionsdaten beruhen und nicht mehr auf Schätzungen. Und die Daten müssen repräsentativ sein. Nachdem Großbanken bislang die beiden wichtigen Referenzwerte wie Libor und Euribor nahezu unbeaufsichtigt ermittelt konnten.

    Jahrelang hatten die Institute hier falsche Angaben gemacht, um höhere Gewinne einzufahren. Manche Banken, wie etwa Barclays oder UBS, waren deshalb auch zu hohen Geldstrafen verurteilt worden. Aber die Kommission geht noch einen Schritt weiter, denn künftig sollen alle wichtigen Referenzwerte überwacht werden, erklärte Barnier. Es gehe um Märkte im Wert von mehreren Billionen Euro:

    ""Es sind nicht nur die Interbankenzinsen, LIBOR und EURIBOR mit denen wir uns vornehmlich beschäftigen. Wir behandeln in diesem Text auch die Referenzindizes für Rohstoffe, weil es etwa bei Benzin und Gas Risiken gibt, die mein Kollege Joaquin Almunia gerade untersucht"."

    Denn auch bei den Rohstoffindizes werden Manipulationen vermutet. In einem wichtigen Punkt hat Barnier seine Vorschläge allerdings merklich abgeschwächt: Eigentlich sollte die Überwachung der Referenzwerte allein bei der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA mit Sitz in Paris gebündelt werden. Jetzt heißt es im Kommissionsvorschlag, die Überwachung liege zunächst bei den nationalen Aufsichtsbehörden – nur im Streitfall soll die ESMA das letzte Wort haben.

    Offiziell begründet wurde diese Kehrtwende mit der Arbeitsüberlastung der Pariser Behörde, zudem könnte sie mit der neuen Aufgabe überfordert werden. Kritiker wie der Abgeordnete der Grünen im Europäischen Parlament, Sven Giegold, warfen der Kommission dagegen vor, sie habe dem Druck aus London klein beigegeben. Denn die europäische Finanzmetropole wolle die Kontrolle über den wichtigen Referenzwert Libor nicht abgeben, erklärte Giegold.