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EU-Umweltminister einigen sich auf Kompromiss
Strengere CO2-Grenzwerte für Neuwagen

Die EU-Umweltminister haben sich auf schärfere Umweltauflagen bei der Zulassung von Neuwagen geeinigt. Der ab 2021 geltende CO2-Grenzwert soll bis 2030 noch einmal um 35 Prozent reduziert werden. Viele Staaten West- und Nordeuropas hatten mehr gefordert - und kritisieren die Bundeskanzlerin.

Von Malte Pieper | 10.10.2018
    Abendlicher Berufsverkehr auf dem Kaiserdamm im Zentrum von Berlin. Foto: Michael Kappeler/dpa | Verwendung weltweit
    EU-Verhandlungen: Neuwagen müssen bis zum Jahr 2030 durchschnittlich 35 Prozent weniger Kohlendioxid ausstoßen als im Jahr 2020 (Michael Kappeler / dpa)
    Fast 14 Stunden hatten sie zusammengesessen und am Ende konnte man den allermeisten Umweltministern die Erschöpfung regelrecht vom Gesicht ablesen. Die einzige, die aus dem Strahlen fast nicht mehr herauskam, war Österreichs junge Ressortchefin Elisabeth Köstinger. Ihr war gelungen, was noch am Vormittag kaum jemand für möglich gehalten hatte: eine deutliche Mehrheit hinter ihrem Kompromissvorschlag zu versammeln.
    "Mit diesem Beschluss zu den CO2-Reduktionen bei Fahrzeugen bringen wir die saubere Mobilität in Europa auf die Überholspur!"
    Ein schmerzhafter Kompromiss
    Geht es nach den EU-Regierungen, dann sollen die CO2-Werte wie folgt sinken: Bereits jetzt ist Rechtslage, dass alle Neuwagen eines Herstellers ab 2021 im Schnitt nur noch 95 Gramm klimaschädliches Kohlendioxid pro gefahrenen Kilometer ausstoßen dürfen. Dieser Wert nun, und das ist eben das Neue, soll bis 2030 noch einmal um 35 Prozent heruntergedrückt werden. Ein schmerzhafter Kompromiss vor allem für viele Staaten West- und Nordeuropas, die eigentlich wesentlich ambitioniertere Ziele haben wollten. Dänemarks Umweltstaatssekretär Morten Baek fasste sein Unwohlsein zum Beispiel so zusammen:
    "Es fühlt sich so an, als ob wir bei diesem Kompromiss ein altes, fossiles Auto grün anstreichen. Aber nur mit ganz wenig Farbe. Kratzt man ein bisschen am Lack herum, sieht man, dass das hier nicht grün ist, sondern komplett schwarz."
    Kritik an Deutschland
    Dass es so gekommen ist, dafür machen nicht wenige erneut die deutsche Kanzlerin verantwortlich, die vor allem auf der Bremse gestanden habe. Hintergrund ist eine beeindruckende Szene gleich zu Beginn dieses Treffens: Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hatte sich da nämlich vor die Kameras gestellt und erklärt, dass sie selbst kaum etwas halte von der Position, die sie laut Koalitionsbeschluss hier vertreten müsse. Dass sie, die Sozialdemokratin, eigentlich, wie andere Länder auch, viel ambitioniertere Ziele haben wolle. Bei den Verhandlungen passierte dann folgendes, echauffierte sich Luxemburgs grüner Umweltstaatssekretär Claude Turmes:
    "Ich habe hier eine Umweltministerin gesehen, die sitzt am Tisch, hat aber praktisch nichts zu sagen. Das Kanzleramt telefoniert dagegen mit den Hauptstädten. Das ist eine einmalige Situation. Ich weiß nicht, ob es so etwas schon einmal in dieser Schärfe gab in der deutschen Umweltpolitik."
    Am Ende, wie gesagt, nach fast 14 Stunden Verhandlungen, steht nun der Kompromiss. Der ab 2021 geltende CO2-Grenzwert wird bis 2030 also noch einmal um 35 Prozent heruntergefahren. Und kaum ist die Tinte der Vereinbarungen trocken, stellt auch die lange sehr vollmundig auftretende SPD-Bundesumweltministerin Svenja Schulze fest:
    "35 Prozent Reduktion, das ist etwas mehr, als ich heute Morgen erwartet habe. Aber es war wirklich eine ganz, ganz schwierige Diskussion und deshalb bin ich froh, dass wir das jetzt auf den Weg bringen konnten!"
    Doch die Beschlüsse der Umweltminister sind noch lange nicht das letzte Wort. Bereits im Laufe des Tages tritt eine Art "europäischer Vermittlungsausschuss" zusammen. Vertreter von EU-Kommission, den Regierungen sowie dem Europaparlament versuchen auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Erst wenn ihnen das gelingt, und das dürfte Wochen dauern, dann weiß man, wie die Umweltauflagen für Europas Autos künftig wirklich aussehen.