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Europaabgeordnete
Wie die NPD in den Bundestag kam

Nicht alle Splitter-Parteien, die ohne die Dreiprozenthürde den Sprung ins Europaparlament geschafft haben, sind gleich gerne in den Räumlichkeiten des Bundestages gesehen. Denn auch die rechtsextreme NPD ist ins Europaparlament eingezogen. Auch ihr Abgeordneter kann zukünftig einen Arbeitsplatz im Bundestag nutzen.

Von Stefan Maas | 24.07.2014
    "Dem deutschen Volke": der Reichstag in Berlin.
    Der NPD-Vertreter hat Zugang hat zu allen Ressourcen des Bundestages. (picture alliance / dpa / Hauke-Christian Dittrich)
    Das Gebäude mit der Hausnummer 32 bis 34 in der Luisenstraße in Berlin ist ein massiger, grauer, klassizistischer Altbau mit rotem Ziegeldach. Je zwei Säulen links und rechts flankieren die schwere eiserne Eingangstür. Streng schauen die Figuren von der Fassade des ehemaligen kaiserlichen Patentamtes herab. Ebenso streng blicken die Kameras, denn heute beherbergt das Haus mit seinem Anbau Bundestagsbüros und Konferenzräume. Und hier sollen auch jene 17 deutschen Europaabgeordneten, deren Parteien nicht im Bundestag vertreten sind, bald ein Plätzchen finden, wenn sie nicht in Straßburg oder Brüssel sind, sondern in Berlin zu tun haben.
    Noch sind die sechs Büros nicht ganz fertig. Im Herbst, wenn das Europaparlament seine Arbeit wieder aufnimmt, werden sie es sein.
    "Ich denke, das ist schon wichtig für uns."
    Sagt Georg Pazderski, einer der beiden Geschäftsführer in der Bundesgeschäftsstelle der Alternative für Deutschland.
    "Wir müssen ja sehen, dass das auch ein Recht in der Vergangenheit war. Und die Frage stellt sich natürlich, warum sollte eine neue Partei das Recht nicht genau so genießen wie die Altparteien."
    Denn deren Europaabgeordnete können Büros in der jeweiligen Bundestagsfraktion nutzen. Doch nicht alle Splitter-Parteien, die ohne die Dreiprozenthürde den Sprung ins Europaparlament geschafft haben, sind gleich gerne in den Räumlichkeiten des Bundestages gesehen. Denn neben FDP, ÖDP, Familienpartei, die Partei, Piraten, die Partei Mensch Umwelt und Tierschutz, die Freien Wähler und AfD ist auch die rechtsextreme NPD ins Europaparlament eingezogen. Auch ihr Abgeordneter kann zukünftig einen Arbeitsplatz im Bundestag nutzen. Den Fahrdienst ebenso wie den wissenschaftlichen Dienst.
    "Naja, das man sich mit der NPD politisch auseinandersetzen muss, das haben wir als Linke immer vertreten."
    NPD-Vertreter hat Zugang hat zu allen Ressourcen des Bundestages
    Sagt Petra Sitte, die in ihrer Funktion als Parlamentarische Geschäftsführerin auch Mitglied des Ältestenrates ist. Dieses Gremium, dem der Bundestagspräsident vorsitzt, entscheidet über Geschäftsordnungsfragen. Und somit auch über die, wo denn die neuen EU-Parlamentarier unterkommen.
    "Insofern war das eine Überlegung mit, dass es eine ziemlich gruselige Vorstellung ist, dass der NPD-Vertreter auch Zugang hat zu allen Ressourcen des Bundestages."
    Dennoch habe es keine Zweifel daran gegeben, dass die Rechte, die die EU-Abgeordneten in der Vergangenheit hatten, auch weiterhin würden gelten müssen. Ohnehin hätte der Ältestenrat über diese Frage nicht alleine entscheiden können. Hätte man die zuständigen Gesetze verändern wollen, hätte es dafür ein ganz normales Gesetzgebungsverfahren im Bundestag gebraucht. Mit ganz normaler Mehrheitsentscheidung.
    „Insofern ist dieser Punkt für viele von uns ein Problem gewesen. Aber es ist auch eine Frage des Verfassungsstaates, sich an der Stelle auch auseinanderzusetzen damit, dass man vor dem Hintergrund dieser Wahlentscheidung, die die Wählerinnen und Wähler getroffen haben, auch vernünftig umgehen muss. Und da keine Einzelentscheidung treffen kann."
    Denn hätte die NPD, die ja nicht verboten ist, vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt, sagt Petra Sitte, hätte sie Recht bekommen.
    "Ich weiß, dass es Diskussionen gegeben hat, die wir natürlich verfolgt haben. Es wäre sicherlich falsch gewesen, eine Lex NPD zu schaffen und darunter alle anderen Parteien leiden zu lassen."
    Stellt Georg Pazderski von der AfD fest. Es gilt: Ganz oder gar nicht. Gleiches Recht für alle 96 deutschen EU-Abgeordneten. Und so wird auch die NPD bald eine Adresse im Deutschen Bundestag nutzen können. Der Bundesadler wird allerdings auch weiterhin kein Schriftstück der Partei zieren dürfen. Denn in den "Grundsätzen zur Verwendung des Bundesadlers" heißt es dazu ganz eindeutig:
    "1. Die Verwendung des Bundesadlers in Briefen ist den Abgeordneten des Deutschen Bundestages und den Fraktionen erlaubt. Nicht zulässig ist das Führen des Bundesadlers durch die Parteien.
    2. Die Verwendung des Bundesadlers ist demnach nur solchen Personen und Institutionen erlaubt, die Mitglieder oder Untergliederungen des Verfassungsorgans Deutscher Bundestag sind und als solche parlamentarische Funktionen ausüben."
    Nur Gäste im Bundestag
    Und die Europaabgeordneten sind, auch das ist ganz klar geregelt: Nur Gäste im Bundestag.
    Bleibt nur zu klären, wer von den 17 sitzt zukünftig bei wem in den momentan sechs Büros:
    "Ja, ich hoffe doch, dass es dieses Problem nicht geben wird und wir nicht beim Herrn Voigt sitzen. Aber auf der anderen Seite ist es nun mal so, dass es darum geht, dass man seine Arbeit machen kann. Ich halte das eigentlich für ´ne unwahrscheinliche Möglichkeit, dass man mit Herrn Voigt in einem Büro sitzen wird."
    "Da ´ne Raumzuweisung statisch zu machen, das geht vielleicht an den ganz praktischen Dingen des Lebens vorbei."
    Heißt nach jetzigem Stand: Wer einen Platz braucht, schaut, wo gerade einer frei ist. Mit allen Chancen und Risiken:
    "Mir würde selbstverständlich die Klinke aus der Hand fallen, wenn ich die Tür öffne und dort Herrn Voigt sitzen sehe, dann würde ich auch einen anderen Raum wählen."
    Überlegt Petra Sitte. Zum Glück hat sie als Bundestagsabgeordnete ihr eigenes Büro. Dennoch: Ist diese Vorstellung Grund genug, vielleicht zukünftig die Privilegien der Europaabgeordneten doch noch einmal auf den Prüfstand zu stellen?
    "Also langfristig kann man tatsächlich überlegen auf der Basis einer entsprechenden Analyse, welche einzelnen Dienstleistungen Abgeordnete in Anspruch nehmen. Und wenn sich herausstellt, dass bestimmte Leistungen gar nicht abgerufen werden, kann man langfristig darüber reden, ob man die überhaupt noch anbieten muss. Aber aktuell hat das keine Rolle gespielt in der konkreten Beschlussfassung."