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Europawahl
"Die Partei" in Brüssel

Dank des Bundesverfassungsgerichts sitzt Martin Sonneborn als einer von 751 Abgeordneten im EU-Parlament. Das Gericht hatte gegen jede Prozenthürde für den Einzug einer deutschen Partei ins EU-Parlament geurteilt. Und so kommt es, dass auch kleine Fraktionen wie "Die Partei" im Parlament künftig mitreden.

Von Annette Riedel | 03.07.2014
    Die Spitzenkandidatinnen der Partei Die Partei Lea Joy Friedel (v.l), Katharina Harling, Anna Bauer, Partei-Chef Martin Sonneborn und Helena Barbas nehmen am 17.09.2013 in Berlin an einer Plakataktion der Partei teil.
    "Die Partei" ist mit einem Sitz im Europaparlament vertreten. (picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini)
    Begegnung mit einem frischgebackenen EU-Parlamentarier. Ein Fotograf von Wikipedia ist dabei, Martin Sonneborns parlamentarischer Mitarbeiter mit dem schönen, sicher nicht im Taufregister eingetragenen Namen, Dustin Hoffman und ein Kollege von der "Süddeutschen".
    Das kleine Büro LOW 08 049 im achten Stock einer der Büroetagen neben dem Plenarsaal ist noch nicht eingerichtet. In den ansonsten leeren Regalen stehen eine kleine Flasche Gewürztraminer und ein Glas mit in Gewürztraminer marinierter Straßburger Pastete - ein Präsent der Stadt an jeden Abgeordneten zu Beginn der Legislaturperiode.
    "Kleines Bestechungsgeschenk der Stadt Straßburg. Wenn Sie mögen, es gibt noch ein Stück."
    Überrascht ins Europaparlament
    Martin Sonneborn ist noch nicht richtig angekommen im Europaparlament. Dass er ein Mandat bekam, hat ihn erkennbar selbst überrascht. Das wurde nur möglich, weil das Bundesverfassungsgericht gegen jede Prozenthürde für den Einzug einer deutschen Partei ins EU-Parlament geurteilt hat.
    "Dafür Dank an Karlsruhe und auch Dank an unsere Wähler. Die Intelligenteren haben begriffen, dass ihre Stimme bei der "Partei" einfach mehr Gewicht hat."
    Dank Karlsruhe ist Martin Sonneborn nun als einer von 751 Abgeordneten – die Hälfte davon sind Parlamentsneulinge wie er, die sich erst einmal orientieren, nicht zuletzt ihren Platz im Plenarsaal finden müssen.
    "Ich habe einen Sitzplatz zugewiesen bekommen, der aber schon besetzt war. Ich habe mir dann, mithilfe von freundlichen Saaldienern dann aber einen Platz erkämpft. Ich sitze jetzt in der Mitte – rechts von mir sitzt die AfD, links von mir sitzt die FPÖ, vor mir sitzt Marine Le Pen und hinter mir sitzt Udo Vogt."
    Karlsruhe macht's möglich
    Von der extrem rechten NPD, auch er ein Einzelkämpfer, auch er Dank Karlsruhe-Urteil ins EU-Parlament eingezogen. Auch er gehört, wie Martin Sonneborn, keiner Fraktion an. Von Herrn Vogt ist nicht bekannt, ob er dem Werben von Kollegen zu widerstehen hatte, sich mit ihnen in eine Fraktionsgemeinschaft zu begeben. Sonneborn hatte.
    "Wir haben Gespräche geführt mit den Grünen, mit den Linken und mit den...? Es waren die Liberalen. Das war auch das unseriöseste Gespräch, weil die Kernbotschaft war: Kommt doch zu uns – bei uns gibt es mehr Geld. Echt. Ja."
    Es ist Sonneborns Masche, dass bei ihm die Grenze zwischen Satire und Wahrheit, zwischen Spaß und Ernst immer ein mäandernde ist, er vorzugsweise auf ernsthafte Fragen albern und auf alberne Fragen ernsthaft antwortet. Es bleibt dem jeweiligen Gegenüber überlassen, sich zu entscheiden, wann er ihn halbwegs ernst nimmt oder vollständig als Lachnummer abtut. Das gilt auch für Sonneborn, den Europaparlamentarier.
    "Was meinen Sie mit ernsthaft? Also, ich sitze gerade in einem Umfeld, in dem viele Verhaltensauffällige und Irre sich tummeln. Ich glaube schon, dass ich die ernsthafteren Ansätze habe."
    Zur Erinnerung: Martin Sonneborn sitzt im Plenarsaal unter den Fraktionslosen – irgendwo zwischen Marine Le Pen vom Front National und Udo Vogt von der NPD.
    Sonneborn will sich "ernsthaft" einmischen in die Parlamentsarbeit, sagt er.
    "Wir haben auch eine politische Zielsetzung – da können Sie auch mithelfen: Sie kennen alle, diese Gurken-Krümmungs-Verordnung. Die ist 2009 abgeschafft worden, weil die Leute zu sehr darüber gelacht haben. Wir wollen diese Gurken-Krümmungs-Verordnung wieder einführen – und zwar für Export-Waffen. Wir wollen, dass die Waffen, die aus Deutschland oder natürlich auch aus anderen Ländern exportiert werden, in ihren Läufen auf jede zehn Zentimeter um zwi Zentimeter gekrümmt sind. Bei Gewehren und kleinkalibrigen Waffen, wird das einfach das Zielen unmöglich machen.
    Ich glaub', das gibt viel weniger Tod in der Welt und ich glaub', dass wir eigentlich eine Mehrheit dafür herstellen können müssten."
    Wie lange er sein Mandat halten wird, ist offen, wie oft er in den kommenden Monaten im Parlament sein wird, ist offen. Aber wenn er da ist, solange er dabei ist, will er durchaus kräftig mitmischen.
    Ich bin im Kulturausschuss – das kann Sie auch interessieren, fällt mir gerade auf. Ich habe den Plan, dass die 390 Millionen, die sich das öffentlich-rechtliche System zusätzlich ergaunert hat – das Wort 'ergaunert' können sie im Print-Bereich vielleicht streichen und im Deutschlandfunk kann man das auspiepen – diese 390 Millionen möchte ich den Printmedien zur Verfügung stellen. Weil ich glaube, dass die FAZ, die Süddeutsche und Titanic schützenswerte Kulturgüter sind.
    "Das Europaparlament möchte, dass ich fünf Jahre bleibe"
    Wenn man Martin Sonneborn so zuhört, drängt sich die Vermutung auf, dass er seine Zeit im EU-Parlament in nicht unerheblichem Maße für – gut bezahlte – Recherchen nutzen wird, für ein neues Buch. Was er erst einmal als Abgeordneter alles nicht tun darf?
    "Nicht für das ZDF zu arbeiten und nicht für "Spiegel Online" zu arbeiten. Deutschlandfunk ist natürlich noch offen. Es ist erst mal eine Beschneidung, glaube ich. Dafür ist es gut bezahlt. Wir nennen das "Hartz 33"."
    Martin Sonneborn hat jedenfalls ernsthaft vor, in seiner Zeit als Parlamentarier Spaß zu haben.
    "Wir werden eine der wenigen Gruppierungen sein, die hier ernsthaft arbeitet. Aber das wird natürlich auch als Spaß wahrgenommen, wenn wir so eine Gurken-Krümmungs-Verordnung für Exportwaffen fordern. Das werden die Leute als Spaß betrachten. Das ist aber auch eine Chance, dass es durchkommt. Es würde mir sehr gut gefallen, wenn man die EU-Kommission zwingen könnte, einen Gesetzesentwurf dazu zu verfassen. Im Prinzip gefällt mir sowieso alles, was die EU-Kommission ärgert. Und – wie war die Frage?" - "Wie viel Zeit Sie bereit sind dafür zu investieren." - "Vielen Dank für diese Nachfrage. Schon einige. Also, das Europaparlament möchte, dass ich fünf Jahre bleibe. Ich nehme das als freundliche Einladung und schau mal."
    Linktipp:
    Mehr zur Arbeit des EU-Parlaments finden Sie auf unserem Europa-Portal.