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Europäische Migration in der Vergangenheit

1990 wurde die ehemalige Einwanderungszentrale auf Ellis Island vor New York als überaus erfolgreiches Museum eröffnet. Die Hamburger Kultursenatorin Karin von Welck erwartet jetzt eine ähnliche Strahlkraft von der "BallinStadt Auswandererwelt" in Hamburg. Es ist schön, dass die Kulturverantwortlichen die BallinStadt so ehrlich als Touristenattraktion loben. Denn mehr als das ist es wohl auch nicht.

Von Werner Nording |
    Direkt ab den Landungsbrücken können sich die Besucher mit einer Barkasse zum neuen Auswanderermuseum bringen lassen, das auf der anderen Seite der Elbe liegt. Mit der BallinStadt haben die Stadt Hamburg und die Hamburg Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actiengesellschaft dem HAPAG-Generaldirektor Albert Ballin ein Denkmal gesetzt. Der geschäftstüchtige Ballin hatte Handelsschiffe mit Zwischendecks ausgerüstet, um so mehr Auswanderer nach Amerika transportieren zu können. Während der monatelangen Überfahrten unter elenden Bedingungen starben manchmal bis zu 50 Prozent der Passagiere. Auf der Rückfahrt nach Hamburg wurden Waren transportiert. Ein einträgliches Geschäft, sagt die Historikerin Ursula Wöst.

    "Es war das Geschäft um die Jahrhundertwende, das Auswanderergeschäft war wirklich das, womit die Hapag und auch andere Reedereien ihr Geld verdient haben und es war ein sehr lukratives Geschäft und deshalb fing man auch an, die Auswanderer als Passagiere und Kunden zu betrachten und nicht mehr nur als Ware, wie es das zu Anfang des 19. Jahrhunderts der Fall war."

    Wenn man seine Kunden gut behandelt, laufen die Geschäfte besser, wusste Ballin. Deshalb investierte die Reederei drei Millionen Reichsmark, um die Auswandererstadt zu bauen. Es gab Schlafsäle, Aufenthaltsräume, eine Kantine, eine Kirche, eine Quarantänestation und später sogar ein Kino. Ab 1907 entstand hier ein ganzes Viertel, das für mehr als fünf Millionen Auswanderer die letzte Station auf dem Weg in die neue Welt war. Zusammen mit dem Norddeutschen Llloyd hatte sich die Hapag das Monopol für das Auswanderergeschäft gesichert. Beide Reedereien hatten die Kosten für die Kontrollstationen an der Grenze übernommen, an denen die Auswanderer ärztlich untersucht und desinfiziert wurden. Weiterreisen durfte nur, wer im Besitz einer Schiffskarte einer der beiden Linien war. Und die kostete 130 Reichsmark.

    Drei der über 30 Gebäude sind nach Originalplänen wieder aufgebaut worden. Hier wird das Leben in der BallinStadt dargestellt, die Überfahrt und die Ankunft in Amerika. Volker Reimers, der Geschäftsführer der privaten BallinStadt-Betreibergesellschaft Leisureworkgroup will das Konzept eines Erlebnismuseums umsetzen. Dabei soll der Besucher interaktiv mitwirken.

    "Das macht er, in dem er Exponate berühren darf, man darf alles anfassen und kann die einzelnen Exponate auch ansteuern. Letztlich haben wir eine Simulation, wo der Besucher zum Auswanderer werden kann durch seine eigenen Entscheidungsprozesse, durch die Entscheidungen, die er trifft, wird er eine erfolgreiche oder nicht so erfolgreiche Geschichte erleben."

    Von den Schattenseiten des Auswanderungsgeschäfts wie Armut, Krankheit und Tod ist in der Ausstellung dagegen wenig zu sehen. Stattdessen wird das Arbeitszimmer von Generaldirektor Ballin wirksam in Szene gesetzt, sprechende Puppen schwärmen von ihren Erlebnissen in Amerika und erinnern den Besucher eher an Disneyland als an eine tiefgründige Aufarbeitung der Geschichte.

    "Lieber Bruder, es ist eine traurige Reise hierher, aber ein fröhliches Ankommen, wir singen Vivat vereinigte Staaten in Amerika, liebe Schwester, wenn du hier wärest so würdest Du von dem zeitlichen Kummer und Sorgen entlassen sein, lebst nach der Gesundheit, wer sich und seine Familie aus der Armut reißen will, der komme nach Amerika."

    Das Besondere an dem Museum ist, dass alle Passagierlisten seit 1850 erhalten und digital aufbereitet sind. Besucher aus den USA können hier nach ihren Vorfahren suchen und ganz konkrete Familienforschung betreiben, sagt die Hamburger Kultursenatorin Karin von Welck.

    "Man kann präzise erfahren, wann die Vorfahren in Hamburg gewesen sind und zu welchem Zielhafen sie ausgeschifft sind und was noch wichtiger ist, woher sie ganz genau gekommen sind, wir hoffen, dass dies auch viele Amerikaner anziehen wird."

    Das Ziel, möglichst viele zahlungskräftige Touristen nach Hamburg zu locken, um ein zweites Mal an der Auswanderung zu verdienen ist für Kaufleute sicherlich ehrenwert. Für ein Museum ist damit aber eine Chance vertan.