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Europäischer Grenzschutz
NRW-Innenminister Reul besucht Frontex in Griechenland

NRW stellt das größte Kontingent an Polizeibeamten aller Bundesländer beim Frontex-Einsatz an der griechischen Grenze zu Nord-Mazedonien. Die Beamten sollen ihre griechischen Kollegen unterstützen, fortbilden sowie eigene Informationen sammeln. NRW-Innenminister Herbert Reul steht hinter dem Einsatz.

Von Moritz Küpper | 04.05.2019
In Griechenland nahe der Grenze zu Nordmazedonien ist es Anfang April erneut zu gewalttätigen Zusammenstößen von Migranten mit der Polizei gekommen. Hunderte Migranten folgten einem Gerücht im Internet, demzufolge die Balkanroute über Nordmazedonien wieder geöffnet würde. Doch sie wurden enttäuscht - und schleuderten Steine auf Polizisten.
Die Gegend zwischen den Gebirgsketten aufseiten von Griechenland und Nordmazedonien heißt unter griechischen Grenzschützern auch das "Tor zur Balkanroute" (dpa / picture alliance / Nicolas Economou)
Alexander Rankovic steht ein paar Meter neben dem sogenannten Grenzstein 52 auf einem Berg. Direkt hinter dem braungrauen-lehmigen Stein mit griechischer Aufschrift, wuchert eine wilde Wiese, drei Meter weiter erhebt sich ein hoher, moderner Zaun, der am Boden und auf der Spitze mit Nato-Drahtrollen verstärkt wurde.
"Wir bestreifen den Grenzzaun zu Nordmazedonien, um da vielleicht Löcher zu entdecken oder aber andere Feststellungen treffen zu können."
Seit gut einem Monat fährt der 41-jährige Polizeioberkommissar, eigentlich im Polizeipräsidium Düsseldorf stationiert, hier in Nord-Griechenland, an der Grenze Streife. An seiner dunkelblauen Schutzweste hat Rankovic einen hellblauen Badge angebracht. "European Border and Coast Guard", steht darauf, über der Flagge der Europäischen Union, darunter "Frontex". In Dreier-Teams, zusammen mit einem Bundespolizisten sowie einem griechischen Beamten, versieht Rankovic hier zwei Monate lang seinen Dienst. Er ist bereits zum dritten Mal in der Gegend, ist als sogenannter Border Surveillance Officer im Einsatz, sprich: Er kontrolliert Menschen, die er antrifft:
"Ja, man fährt dann hin, hält die Leute an, spricht die an: Wohin des Weges? Wer sind sie? Es müssen ja nicht unbedingt Flüchtlinge sein."
Grüne Grenze zwischen Griechenland und Nordmazedonien
Die saftigen grünen Wiesen, teilweise mit rotem Klatschmohn verziert, schmiegen sich in die Landschaft, liegen an diesem Mittag ruhig da. Doch: Rankovic ist genau wegen der Flüchtlinge hier, weiß auch, dass die grüne Grenze zwischen Griechenland und Nordmazedonien vor allem nachts überquert wird. Sein Blick wandert zu einem kleinen baufälligen Turm, eine Art Grenzhäuschen:
"Man kann auch da nachts hochklettern und dann schauen, ob man da was sieht, mit dem Nachtsichtgerät oder Restlichtauflöser. Sie sehen ja selber, wie weit man hier schauen kann."
An guten wolkenlosen Tagen reicht der Blick sogar bis zum Olymp, doch Rankovics Fokus liegt woanders:
"Dann sieht man auch, wo Bewegungen stattfinden und wo nicht und dann kann man auch andere Streifen einweisen oder wie auch immer."
Ausstattung der griechischen Beamten ist oft mangelhaft
Bei seinem Einsatz unterliegt Rankovic dem griechischen Kommando, kann einzig unterstützen, mit Know-How, aber auch Geräten - was auch notwendig ist. Denn die Ausstattung seiner griechischen Kolleginnen und Kollegen ist oft mangelhaft:
"Teilweise war die Uniform in einem desolaten Zustand und darauf angesprochen von mir, ob er denn nicht die Uniform in der Bekleidungskammer austauschen könnte, hat er gesagt: So was gibt es in Griechenland nicht. Uniform ist Privatbesitz, nach den ganzen Einsparmaßnahmen ist auch weniger Geld in den Kassen."
Unterstützen, auch fortbilden sowie eigene Informationen sammeln - so lässt sich Rankovics Arbeit zusammenfassen. Vor Rankovic liegt eine schwarze Trainingshose, die sich im Gestrüpp verfangen hat, sozusagen ein frisches Beweisstück. Er zeigt weiter, runter ins Tal:
"Streifen wir die Kilometer hier hoch und runter, sehr langsam natürlich, wenn wir hier immer weiter geradeaus fahren würden, dann kämen wir zu diesem Grenzübergang."
"Tor zur Balkanroute"
Knapp 200 Kilometer lang ist die Grenze zwischen dem EU-Staat Griechenland und der Republik Nordmazedonien, doch vor allem dieser Teil hier, zwischen den Gebirgsketten auf beiden Seiten, ist einer der wichtigsten Ausgangspunkte für die Flüchtlinge in Richtung Nordeuropa, nach Deutschland. Die griechischen Polizisten nennen die Gegend gar das Tor zur Balkanroute. Gut 150.000 Asylanträge werden aktuell pro Jahr in Deutschland gestellt - und viele dieser Menschen kommen hier entlang, nördlich der griechischen Großstadt Thessaloniki, rund um den Ort Kilkis sowie den Bahnhof Idomeni.
Die Mittagssonne strahlt auf die frisch renovierten Gebäude, ab und an fahren Güterzüge ein. Auch das hier ist ein Einsatzgebiet für Frontex-Polizisten. Ein Schäferhund, von der deutschen Bundespolizei entsandt, demonstriert, wie er Menschen in Güterwaggon aufspürt.
"Und dann sind die Hunde wirklich so trainiert, dass sie wirklich die Geruchserkennung haben."
Hier, in diesem Bahnhof und den umliegenden Feldern, war einst, im Frühjahr 2016, eines der größten illegalen Flüchtlingscamps. Knapp 13.000 Menschen campierten hier, versuchten, die Grenze zu Nordmazedonien zu stürmen, bewarfen Beamte mit Steinen und Metallgegenständen, diese antworteten mit Tränengas und Blendgranaten. Nun wiegen grüne Weizenfelder im Wind, auf dem Boden liegen noch vereinzelte Turnschuhe, eine Jeansjacke, Thunfischdosen.
Die Ruhe ist trügerisch: Immer wieder führen Falschmeldung dazu, dass sich Flüchtlinge aus den einzelnen Lagern in Griechenland aufmachen, über die Grenze wollen. Doch nur 36 Frontex-Beamte aus zehn Ländern sind aktuell in dieser Region im Einsatz – wie eben Rankovic, den Polizeioberkommissar aus Nordrhein-Westfalen:
"Also, wenn wir sagen: Wir sind Europa, dann ist das jetzt nicht die griechische Grenze, sondern die europäische Außengrenze. Und wenn wir dann als Polizei, europäische Polizei, im Team auftreten wollen, dann brauchen wir auch mehr Manpower hier, weil Arbeit auch da ist."
Frontex, die EU-Grenzschutzbehörde mit Hauptsitz in Warschau, erscheint jedoch immer noch wie ein Stiefkind, verfügt insgesamt lediglich über 700 eigene Mitarbeiter und 1.300 von den Mitgliedsländern entsandte Grenzschützer. Nun soll zwar - so eine Vereinbarung auf EU-Ebene - bis zum Jahr 2021 eine Zahl von 5.000 einsetzbaren Mitarbeitern erreicht werden. Aktuell, dieser Eindruck drängt sich nach ein paar Tagen im griechisch-nordmazedonischen Grenzgebiet auf, kann die Situation jederzeit kippen.
NRW-Innenminister Reul will sich eigenes Bild machen
Herbert Reul, CDU-Innenminister von Nordrhein-Westfalen, oberster Vorgesetzter des Polizeioberkommissars Rankovic, steht ebenfalls ein paar Meter neben dem Grenzstein 52 an der griechisch-nordmazedonischen Grenze. Der Minister will sich ein Bild vom Einsatz seiner Polizisten machen, stellt NRW doch das größte Kontingent aller Bundesländer:
"Das fand ich toll - und dann habe ich mir die Zahl angeguckt und gesehen, dass sind sieben Beamte bei Frontex - und dann habe ich gesagt: Das ist durchaus steigerungsfähig."
Reul, jahrelang Abgeordneter im Europaparlament, will das Thema nun auf der nächsten Innenministerkonferenz ansprechen, freiwillig mehr Personal schicken, von aktuell sieben Beamten aus NRW die Zahl rasch auf 14 verdoppeln.
"Wenn wir in Europa den Zustand halten wollen, dass wir keine Grenzen zwischen den Staaten haben, diesen Luxus haben wollen, dann müssen wir an den Außengrenzen Europa sichern."
Für mehr Grenzschutz sei die Bevölkerung in Deutschland auch bereit, mehr zu zahlen.
"Wenn wir es nicht machen: Die werden das hier alleine niemals hinkriegen. Ist gar kein Vorwurf, können die gar nicht," sagt Reul weiter. Denn glaubwürdig, so der Minister, glaubwürdig sei diese Frontex-Veranstaltung aktuell nicht.