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Europakritische Grüne auf der Insel

In nächster Zeit kommt Irland eine wichtige politische Bedeutung zu, denn es ist unter den 27 bis dato das einzige EU-Land, das seine Bürger über die Annahme des EU-Reformvertrags von Lissabon abstimmen lässt. In der EU ist durchaus ein bisschen Nervosität im Spiel, wenn die Iren im Frühjahr ihr Kreuzchen machen. Entscheidend ist am Ende vor allem die Haltung der traditionell EU-skeptischen Grünen-Partei. Martin Alioth berichtet.

    Irlands Grüne luden am Samstag die Basis ins Hotel Hilton nach Dublin ein.
    Seit einem guten halben Jahr sitzt die Partei mit zwei Ministern in der Regierung, obwohl sie bei der letzten Parlamentswahl mit 4,7 Stimmenprozenten enttäuschend stillgestanden war. Entsprechend nüchtern und sachlich sahen die 319 Mitglieder aus, die bei strömendem Regen gekommen waren. Sie sollten über die kollektive Haltung der Partei im bevorstehenden EU-Referendum entscheiden. In allen fünf bisherigen irischen Volksabstimmungen über EU-Reformverträge hatten die irischen Grünen die Nein-Parole ausgegeben, einmal mit Erfolg. Steve Rawson kam unmittelbar vor der Abstimmung mit fliegenden Rockschößen, um diese Tradition aufrecht zu erhalten. Warum?
    "Zum einen wegen der zunehmenden Militarisierung der EU, zum andern wegen der Einverleibung von Euratom in den Lissabonner Vertrag und die Grünen seien immer gegen Kernkraft in jeder Form gewesen. Die versammelte Basis folgte ihren herkömmlichen Zweifeln nicht und empfahl mit 63 Prozent, den Lissaboner Vertrag zu akzeptieren. Aber da die Parteistatuten eine Zwei-Drittel-Mehrheit vorschreiben, muss die Partei als Ganzes jetzt neutral bleiben. Die Abgeordneten und die Minister können tun, was ihnen beliebt."

    Der angegraute Noel O'Callaghan aus Cork ist enttäuscht, er hatte auf eine Zwei-Drittel-Mehrheit gehofft. Aber immerhin seien die Grünen die einzige Partei, die ihren Mitgliedern ein Mitspracherecht einräumte.
    Sean, der ebenfalls zur älteren Garde gehört, lehnt auch diesen Vertrag ab, weil er eine Klausel enthält, die künftige Veränderungen der Billigung durch das Volk entzieht:
    Es könnte das letzte Europa-Referendum in Irland sein, deshalb stimmte er dagegen. Die Grünen haben einen weiten Weg zurückgelegt. Jüngere Mitglieder erzwangen die Abkehr von einer grundsätzlichen Europakritik. Aber es mangelt trotzdem nicht an Gegnern des Lissabonner Vertrags in Irland.
    Erstmals gibt es eine gegnerische Gruppe mit einem finanzstarken Unternehmer an der Spitze. Aber wie verhindern denn Gegner wie der eingangs zitierte Steve Rawson, dass man sie einfach als insulare Feinde der europäischen Integration abstempelt?
    Das weist er von sich. Er sei durchaus Europäer und für die EU. Aber die Iren hätten diesmal eine Chance, stellvertretend für all jene Länder, die nicht an der Urne konsultiert würden, die künftige Europapolitik zu bestimmen.
    Der grüne Parteichef und Umweltminister, John Gormley, gibt zu, dass dieser Vertrag ein harter Brocken ist. Es werde schwierig sein, die Öffentlichkeit von dessen Vorteilen zu überzeugen. Niemand, fügte er an der abschließenden Medienkonferenz am Samstagabend hinzu, dürfe ein positives Ergebnis als ausgemachte Sache betrachten. Immerhin habe sich die Partei bewegt. Aber hat er sich auch bewegt? Er kämpfte schließlich höchstpersönlich gegen alle früheren Verträge. Was ist diesmal anders?
    "Ja, in diesem Vertrag ist Klimaschutz ein sehr wichtiger Teil. Und Klimaschutz ist für mich und unsere Partei von höchster Priorität. Und deswegen haben wir oder 63 Prozent der Partei haben dafür gestimmt."
    So wie einst die Angst vor einem militarisierten Europa die Grünen zur Ablehnung bewegte, so hilft heute die Hoffnung auf ökologische Impulse aus Brüssel den Befürwortern. Dazu kommt ein Schuss Realismus, wie es sich für eine frisch gebackene Regierungspartei geziemt. Dann ergreift Gormley, der einst in Freiburg studierte, vorschriftsgemäß seinen Fahrradhelm und wendet sich zum Ausgang.