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Europas jüngste Basilika
Advent in Mariapfarr

Die Kirche von Mariapfarr, dort, wo vor über 200 Jahren der Hilfspfarrer Joseph Mohr das Gedicht „Stille Nacht, Heilige Nacht“ geschrieben hat, ist die Urpfarre des Lungaus im Salzburger Land. Im Frühjahr hat Papst Franziskus die Wallfahrtskirche zur Basilika erhoben.

Von Joachim Dresdner |
    Die Basilika Minor Mariapfarr
    Die Basilika Minor Mariapfarr (Joachim Dresdner)
    Um Mariapfarr kennenzulernen, bin ich zunächst vor dem Gemeindeamt mit Bürgermeister Franz Doppler zu einem Rundgang verabredet.
    "Traben wir ‘ne Runde durch den Ort?"
    Der Weg gabelt sich. Südlich der Kirchenmauer kommen wir zu einer Baustelle. Ich erfahre, dass die ehemalige Gastwirtschaft, deren Anfänge auf das 13. Jahrhundert zurückgehen, zu einem Appartementhotel umgebaut wird.
    "Der ehemalige ‚Thomalwirt‘ ist seit ein paar Jahren leer gestanden, also quasi eine Hotelruine mitten im Ort und in diesem Bereich entsteht jetzt diese, dieses große Hotel unmittelbar im Zentrum. Was ganz, ganz wichtig ist für Entwicklung, Gästebetten in der Gemeinde, mitten im Ort."
    Gegenüber anderen Reisezielen in Österreich sei der Lungau immer schon etwas langsamer und vorsichtiger, gibt Bürgermeister Doppler zu:
    "Hat aber jetzt die Auswirkung, dass wir eine unverfälschte, oder unverbaute, großteils unverbaute, Natur haben, die sehr viele Gäste sehr schätzen."
    Die schätzen auch die Sonnengarantie. Sie gilt zwischen Mai und Oktober. Und wenn im Winter von Süden her Wolken aufziehen, hoffen alle auf Schnee.
    Mariapfarr liegt auf 1.100 Meter.
    Von einer festen Burg zur Basilika
    "Ja, wir sind jetzt da beim Kirche, Pfarrhof, wobei dieses Ensemble, das ist ein ganz riesiger Pfarrhof, der vor 800, 900 Jahren eine bajuwarische Fronburg war, ein riesen Pfarrhof, war früher Landwirtschaft, riesen Wallfahrtskirche, eine der größten Kirchen, jetzt Basilika im Land Salzburg. Seit 15. August heurigen Jahres."
    In Rom hatte Papst Franziskus entschieden, die Wallfahrtskirche zur "Basilika" zu erheben. "Basilika minor"- "kleine Basilika". Mit diesem Titel ist das Recht verbunden, das päpstliche Wappen zu führen. Es strahlt an der Kirchenwand.
    Wir wenden uns nordwärts und überqueren den Platz mit dem Joseph-Mohr-Brunnen, den ich später genauer betrachten möchte. An der Rückseite der Basilika bleiben Franz Doppler und ich stehen.
    "Das war die bajuwarische Fronburg und diese Friedhofsmauer, das war die Umfriedung des Burghofes.
    Das Erste war eine Kapelle in der Fronburg und auf diesem Platz ist dann eben diese große Kirche entstanden. Aber es war definitiv eine Burg!"
    Das Pfarr- und Wallfahrtsmuseum, Stille-Nacht-Museum Mariapfarr
    Das Pfarr- und Wallfahrtsmuseum, Stille-Nacht-Museum Mariapfarr (Joachim Dresdner)
    Zur Adventszeit hat die Gemeinde 20 Christbäume aufstellen lassen, in Erinnerung an das Gedicht von der "Stillen Nacht", dass vor über 200 Jahren hier geschrieben wurde. Ich frage den Bürgermeister, ob das nicht eher die Sache des Pfarrers sei:
    In den Zuständigkeiten hätten sie oft Überschneidungen, bestätigt Doppler, in ihren jeweils 14 Amtsjahren viel umgesetzt und dabei nie gestritten.
    "Wir machen das in regelmäßigen Gesprächen, wo wir uns auf ein paar Stunden zusammensetzen im Pfarrhof. Ich seh‘ das als Dienst am Menschen und ich glaub‘, der Pfarrer sieht das genau gleich." Gibt mir Bürgermeister Franz Doppler mit auf den Weg.
    Das neue "Pfarr-, Wallfahrts- und Stille Nacht-Museum" in Mariapfarr
    Bevor ich den Pfarrer treffe, gehe ich über den Arkadenhof ins neugestaltete Museum. Christa Pritz, die Kustodin, erwartet mich.
    Christa Pritz verabschiedet eine Besuchergruppe, dann gehen wir hinein. Es riecht nach Farbe, nach dem gerade abgeschlossenen Umbau. Die Räume in dem einstigen Pferdestall sind hell und übersichtlich. Gleich vorn sind die "größten" Wallfahrtsorte der Welt genannt. Links: Santiago de Compostela, rechts: Jerusalem und Mekka.
    "Wir sind in der Mitte! Mariapfarr war ja schon um 1400 herum ein ganz großer Wallfahrtsort, da war’n ja Messen von 6 Uhr in der Früh bis 10 Uhr abends. So viele Wallfahrer sind gekommen."
    Ein Notenschlüsselband zieht sich durch die Ausstellung, in der viel vom "Stille Nacht"-Dichter erzählt wird. Der Hilfspfarrer Joseph Mohr wirkte hier von 1815 bis 1817.
    Die Kustodin weist auf eine Monstranz, zwischen 1730 und 1740 in Augsburg angefertigt, auf Kelche und Priesterkleider, seltene Silbervotivtafeln und alte Münzen, die bei der Kirchenrenovierung gefunden wurden. Und auf die zufällig auf dem Dachboden entdeckte Weihnachtskrippe von 1750. Sie steht nun vor uns. Über 100 liebevoll restaurierte Wachs- und Holzfiguren zum Teil neu eingekleidet:
    "Mit den Heiligen Drei Königen, dann hinten der kleine Jesus im Tempel, dann sieht man hinten, was eine Besonderheit auch ist, die Scharglerkeusche, die Scharglerkeusche ist bei uns ein Bauernhaus, ein ganz ärmliches Bauernhaus. Dann, das nächste, das soll den Pfarrhof darstellen, also den Arkadenhof und vorne so ein Marktleben mit Metzger, mit Bettler, mit Rauchfangkehrer, mit Händlern verschiedener Waren."
    Hinter einem halbrunden Vorhang aus weißen Stofflamellen kann ich das Weihnachts- und Friedenslied von der "Stillen Nacht" anhören.
    "In Katalanisch und in Spanisch, dann haben wir das in Finnisch, englisch natürlich und in Suaheli. Das hat ein Priester gesprochen, aber mit Gitarrenbegleitung. Das ist extra für uns aufgenommen worden."
    So könnte es an der ostafrikanischen Küste klingen:
    Schließlich betreten wir die zwei neu hinzugekommenen Räume.
    "Das ist unsere Schatzkammer geworden. In dieser Schatzkammer haben wir verschiedenste Kelche ausgestellt, und vor allem dieses wertvolle Silberaltärchen. In diesem Silberaltärchen sind 148 Edelsteine drinnen und 105 Reliquien."
    Mitte des 15. Jahrhunderts spendeten Pilger jene Edelsteine, die kunstvoll in den kleinen Altar eingearbeitet wurden.
    "Und wenn man dann sieht, das Ergebnis und dass es angenommen wird, geht das Herz so richtig auf."
    Auch nach ihrer xten Führung ist Christa Pritz begeistert von dem Museum am Pfarrhof. Mit der Basilika nebenan sei der zu Weihnachten ein besonderer Anziehungspunkt.
    Der Altarstein aus dem Lungau in Mariapfarr
    Der Altarstein aus dem Lungau in Mariapfarr (Joachim Dresdner)
    "Und zwar ist dann im Arkadenhof draußen die Einstimmung in die "Stille Nacht", dann ist ein wunderschöner Christbaum draußen, dann kommen sehr viele Leute her und das Besondere daran ist dann, dass "Stille Nacht" gesungen wird, sechs Strophen in der Urfassung und mit Gitarrenbegleitung."
    Ich kann mir vorstellen, derweil ich eine schmale Treppe hinaufsteige, dass die Leute abends gut eingestimmt nach Hause gehen, um ihr Weihnachten zu feiern.
    Oben in seiner Wohnung erwartet mich Pfarrer Bernhard Rohrmoser. Jetzt hinunter und direkt in die Kirche.
    "Dann kann man als Pfarrer mit Hausschuhen in die Kirche gehen, auch im tiefsten Winter."
    Die "Wallfahrts- und Stille Nacht Basilika Mariapfarr" nimmt eine besondere Stellung im Erzbistum Salzburg ein. Sie geht auf das 12. Jahrhundert zurück. 300 Jahre später erlebte die Wallfahrt nach Mariapfarr ihre Blütezeit. Seit April 2018 ist sie "Basilica minor".
    "Das war eine Sensation! Die Kirche hat "Standing Ovations" bekommen, mitten während des Gottesdienstes. Die Leute sind aufgesprungen von den Sitzen." Sie ist Besonders! Schon der Altarstein. Rohrmoser fand ihn am Weg von Obertauern in den Lungau. Häufig fordert der Pfarrer seine Gemeinde auf, ihn zu berühren: "Bitte kommt nach vorn, greift den Stein an, fahrt einmal mit der Hand darüber. Die Kälte des Steines muss man spüren, dass man weiß, der ist 200 bis 500 Millionen Jahre alt. Ein Stück Heimat aus dem Lungau!"
    Wenn es abends ruhiger wird, geht der Pfarrer gerne mal in die Kirche und dort seinen Gedanken nach.
    "Stille Nacht"-Gedanken vor dem Altarbild
    Rohrmoser vermutet, vor allem das Bildnis der Madonna in der Mitte des Hochaltars, könnte den Hilfspfarrer Joseph Mohr inspiriert haben, seine Gedanken in Verse zu fassen.
    "Der "holde Knabe im lockigen Haar", Jesus, der hat so einen blonden Wuschelkopf und der ist sicher für den Joseph Mohr inspirierend gewesen und dann die "Völker der Welt", da sieht man Menschen verschiedenster Hautfarbe, verschiedenste Kopfbedeckungen, so wie sie zusammen passen und einer dort dem anderen auch widerspricht, aber sie gehen zur Krippe! Und das sollte eigentlich in der Welt passieren, dass wir alle den gleichen Weg nehmen, einen Weg des Friedens und des miteinander Auskommens, des miteinander Verstehens. Eine große Mahnung."
    Dieses Miteinander genießt Bernhard Rohrmoser in der Adventszeit vor allem bei dem alten Brauchtum der Rorate-Messen, die er morgens um 6 Uhr bei Kerzenschein feiert. Dazu steigt er auf die Kanzel.
    "Die haben alle Kerzen in den Händen. Da sind durchschnittlich 800 Leute da, und alles Lichter, die Augen strahlen, man sieht Sternlein in den Augen, die Gesichter seh‘ ich, sonst nicht viel, aber das ist für mich ein bewegender Moment, oben zu stehen."
    Er schaue in die Herzen der Gläubigen, fügt er an, viele kenne er und wisse, wie es ihnen persönlich gerade geht.
    Wir verlassen die Basilika, gehen halb um sie herum, zur Nordseite. Dorthin, wo der Brunnen sprudelt, den der Pfarrer entworfen hat. Oben die Bronzebüste von Joseph Mohr, darunter vier kurze Rohre.
    "Mit dem Wasser, das von oben herab kommt, aus allen vier Himmelsrichtungen. Das reine Quellwasser aus unseren Bergen, in die Schalen hinein rinnt, sich sammelt, und dann ergießt sich das Wasser über diese Erdkugel, die aus Stein geformt ist, ein ganz harter Granit und wird wieder gesammelt, in einer großen Bronzeschale, um sich wieder dem Ursprung zurückzugeben! Und so soll also das ein Kreislauf sein, ein ständiger, fließender Kreislauf."
    Ein ständiger Kreislauf. Wie die Jahreszeiten, denke ich beim Abschied. Oder wie die Zeit der Vorfreude auf Weihnachten, die auch im Lungau, in Mariapfarr, eine lange Tradition hat.