Eine Hausarbeit über den amerikanischen Bürgerrechtler und Baptistenprediger Martin Luther King Jr. – so berichtet Margot Käßmann in ihrer Antrittsvorlesung an der Emory University in Atlanta - habe sie einst dazu gebracht, Theologie zu studieren.
Rund 50 Besucher sind gekommen, mehr Lehrer und Förderer als Studenten. Die kleine Kapelle ist gut, aber nicht prall gefüllt. Margot Käßmann steht am Holzpult so entspannt wie früher auf der Kanzel. Bisweilen hebt sie – wie gewohnt - den Zeigefinger. Ihr Englisch klingt perfekt. Sie ist klein, aber ihre Energie füllt den Raum.
Büßerexil oder spirituelle Auszeit? Was ist Atlanta für sie? Keines von beiden, sagt sie:
"Nach den Monaten des Abschieds aus Hannover ist dies eine Neuorientierungsphase. Zum anderen ist es für mich gut, Abstand zu Deutschland zu gewinnen nach den vergangenen Monaten und den ganzen Diskussionen um mich als Person."
Doch auch in Atlanta, an der Emory University sind die Erwartungen an den prominenten Gast aus Deutschland groß. Jan Love ist Dekanin der theologischen Fakultät, eine große, spröde Frau mit himmelblauen Augen und einem klingenden Namen.
"I would say she is an extraordinary role model for women, you bet, and especially for ordained women."
Margot Käßmann sei ein Vorbild für Frauen in der Kirche, sagt Dekanin Love. Und deshalb hält Margot Käßmann auch ihre erste Gastvorlesung in Atlanta über Frauen in Führungspositionen der Kirche. Und nebenbei betreibt die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende auch Feldforschung.
Besonders faszinierend findet sie die Fragen von Religion und Religiosität im amerikanischen Süden. Das Thema ist in Europa mit Klischees besetzt; da wird gerne über den "Bible Belt" gespottet, wo bibelstrenge Evangelikale den lieben Gott in den Schwitzkasten nehmen. Religion prägt hier den Alltag, hat Margot Käßmann bereits gelernt:
"Das eine ist, dass wir auf einer Wanderung waren. Und eine Dame fragte mich dann nicht: Woher kommen Sie? Sondern: Wo gehen Sie zur Kirche? Ich glaube, in Deutschland würde das einen niemand so einfach im Wald auf der Wanderung fragen. Religiöse Identität ist hier eine ganz große Rolle."
Irritierend findet Margot Käßmann die amerikanischen Fernsehprediger und vor allem deren Botschaft: Wer an Gott glaubt, der wird erfolgreich sein. Die selbstverständliche Symbiose von Gott und Geld, Glaube und Geschäft hält sie schon für etwas schwierig.
"Mit Gott Geld verdienen, da geht es ganz stark auch um Geld. Das ist für unsere Verhältnisse merkwürdig, und das ist auch nichts, was meine Religiosität in irgendeiner Weise anspricht."
Wobei ja ein gesunder Geschäftssinn der ehemaligen Kirchenführerin auch nicht ganz fremd ist. Ihre Autobiografie "Aus der Mitte des Lebens" steht in Deutschland seit Monaten auf den Bestsellerlisten. Für das ZDF hat sie gerade zwei Sondersendungen produziert, die im Herbst ausgestrahlt werden. Käßmann auf allen Kanälen – selbst wenn sie physisch jenseits des Ozeans weilt. Dekanin Love findet nichts Anstößiges am Geschäft mit dem Glauben.
"Es ist doch großartig, dass Margot mit ihren Büchern und Fernsehauftritten Tausende, wenn nicht Millionen Menschen erreicht und damit ihre Werte verbreiten kann. Wenn sie dabei reich wird, habe ich damit kein Problem."
Im Moment aber geht es Margot Käßmann vor allem um Freiheit. Freiheit vom Führungsamt - und auch Freiheit von der öffentlichen Beobachtung.
"Ich kann hier durchs Gelände laufen, und kein Mensch kennt mich, das ist ganz wunderbar; niemand spricht mich an."
Doch die ersehnte Anonymität dürfte Margot Käßmann auch in Atlanta nicht lange beschieden sein. Denn auch hier auf dem Campus gilt sie bereits als eine Art internationaler Popstar der Theologie. Für Mary Page Wilson, eine Theologiestudentin im vierten Semester, ist Reverend Käßmann ein großes Vorbild:
"Sie ist so eine starke, charismatische, geradlinige Frau. Ihre Anwesenheit ist für uns alle eine Inspiration."
Eigentlich hatte sich Margot Käßmann eine Auszeit nicht nur von Deutschland, sondern auch von den Medien, von der Öffentlichkeit nehmen wollen. Keine Interviews, keine Artikel, keine Zwischenrufe aus der neuen Welt. Doch dann begann sie eine Blog-Serie auf der Website www.evangelisch.de; Titel: "Notizen aus Übersee".
"Ich habe gesehen, dass sie viele aufregt, die sagen: Kann Margot Käßmann nicht endlich auch mal nichts sagen? Könnte ich natürlich, habe ich mir auch überlegt. Wäre sicher möglich gewesen."
Aber Menschen wie Mary Page Wilson – und viele Briefe von Menschen aus der Heimat - hätten sie dann doch umgestimmt.
"Ich habe überlegt zu sagen: Ich mache gar nichts. Absolute Abstinenz, aber dann ist es so, dass mir viele Menschen geschrieben haben: Wir zählen darauf, dass Sie auch weiterhin präsent für uns sind. Und deshalb denke ich, ich muss jetzt nicht in die Strafkolonie gehen und ein Schweigegelübde ablegen."
Und so feiert Margot Käßmann statt zu schweigen nun die Führungsfrauen in den Kirchen weltweit und ein bisschen auch sich selbst – weitab der Heimat und vor einem zufriedenen Publikum.
Rund 50 Besucher sind gekommen, mehr Lehrer und Förderer als Studenten. Die kleine Kapelle ist gut, aber nicht prall gefüllt. Margot Käßmann steht am Holzpult so entspannt wie früher auf der Kanzel. Bisweilen hebt sie – wie gewohnt - den Zeigefinger. Ihr Englisch klingt perfekt. Sie ist klein, aber ihre Energie füllt den Raum.
Büßerexil oder spirituelle Auszeit? Was ist Atlanta für sie? Keines von beiden, sagt sie:
"Nach den Monaten des Abschieds aus Hannover ist dies eine Neuorientierungsphase. Zum anderen ist es für mich gut, Abstand zu Deutschland zu gewinnen nach den vergangenen Monaten und den ganzen Diskussionen um mich als Person."
Doch auch in Atlanta, an der Emory University sind die Erwartungen an den prominenten Gast aus Deutschland groß. Jan Love ist Dekanin der theologischen Fakultät, eine große, spröde Frau mit himmelblauen Augen und einem klingenden Namen.
"I would say she is an extraordinary role model for women, you bet, and especially for ordained women."
Margot Käßmann sei ein Vorbild für Frauen in der Kirche, sagt Dekanin Love. Und deshalb hält Margot Käßmann auch ihre erste Gastvorlesung in Atlanta über Frauen in Führungspositionen der Kirche. Und nebenbei betreibt die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende auch Feldforschung.
Besonders faszinierend findet sie die Fragen von Religion und Religiosität im amerikanischen Süden. Das Thema ist in Europa mit Klischees besetzt; da wird gerne über den "Bible Belt" gespottet, wo bibelstrenge Evangelikale den lieben Gott in den Schwitzkasten nehmen. Religion prägt hier den Alltag, hat Margot Käßmann bereits gelernt:
"Das eine ist, dass wir auf einer Wanderung waren. Und eine Dame fragte mich dann nicht: Woher kommen Sie? Sondern: Wo gehen Sie zur Kirche? Ich glaube, in Deutschland würde das einen niemand so einfach im Wald auf der Wanderung fragen. Religiöse Identität ist hier eine ganz große Rolle."
Irritierend findet Margot Käßmann die amerikanischen Fernsehprediger und vor allem deren Botschaft: Wer an Gott glaubt, der wird erfolgreich sein. Die selbstverständliche Symbiose von Gott und Geld, Glaube und Geschäft hält sie schon für etwas schwierig.
"Mit Gott Geld verdienen, da geht es ganz stark auch um Geld. Das ist für unsere Verhältnisse merkwürdig, und das ist auch nichts, was meine Religiosität in irgendeiner Weise anspricht."
Wobei ja ein gesunder Geschäftssinn der ehemaligen Kirchenführerin auch nicht ganz fremd ist. Ihre Autobiografie "Aus der Mitte des Lebens" steht in Deutschland seit Monaten auf den Bestsellerlisten. Für das ZDF hat sie gerade zwei Sondersendungen produziert, die im Herbst ausgestrahlt werden. Käßmann auf allen Kanälen – selbst wenn sie physisch jenseits des Ozeans weilt. Dekanin Love findet nichts Anstößiges am Geschäft mit dem Glauben.
"Es ist doch großartig, dass Margot mit ihren Büchern und Fernsehauftritten Tausende, wenn nicht Millionen Menschen erreicht und damit ihre Werte verbreiten kann. Wenn sie dabei reich wird, habe ich damit kein Problem."
Im Moment aber geht es Margot Käßmann vor allem um Freiheit. Freiheit vom Führungsamt - und auch Freiheit von der öffentlichen Beobachtung.
"Ich kann hier durchs Gelände laufen, und kein Mensch kennt mich, das ist ganz wunderbar; niemand spricht mich an."
Doch die ersehnte Anonymität dürfte Margot Käßmann auch in Atlanta nicht lange beschieden sein. Denn auch hier auf dem Campus gilt sie bereits als eine Art internationaler Popstar der Theologie. Für Mary Page Wilson, eine Theologiestudentin im vierten Semester, ist Reverend Käßmann ein großes Vorbild:
"Sie ist so eine starke, charismatische, geradlinige Frau. Ihre Anwesenheit ist für uns alle eine Inspiration."
Eigentlich hatte sich Margot Käßmann eine Auszeit nicht nur von Deutschland, sondern auch von den Medien, von der Öffentlichkeit nehmen wollen. Keine Interviews, keine Artikel, keine Zwischenrufe aus der neuen Welt. Doch dann begann sie eine Blog-Serie auf der Website www.evangelisch.de; Titel: "Notizen aus Übersee".
"Ich habe gesehen, dass sie viele aufregt, die sagen: Kann Margot Käßmann nicht endlich auch mal nichts sagen? Könnte ich natürlich, habe ich mir auch überlegt. Wäre sicher möglich gewesen."
Aber Menschen wie Mary Page Wilson – und viele Briefe von Menschen aus der Heimat - hätten sie dann doch umgestimmt.
"Ich habe überlegt zu sagen: Ich mache gar nichts. Absolute Abstinenz, aber dann ist es so, dass mir viele Menschen geschrieben haben: Wir zählen darauf, dass Sie auch weiterhin präsent für uns sind. Und deshalb denke ich, ich muss jetzt nicht in die Strafkolonie gehen und ein Schweigegelübde ablegen."
Und so feiert Margot Käßmann statt zu schweigen nun die Führungsfrauen in den Kirchen weltweit und ein bisschen auch sich selbst – weitab der Heimat und vor einem zufriedenen Publikum.