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Experimentelle Skulpturen zum Hören

1980 organisierte der Galerist René Block eine Ausstellung in der Berliner Akademie der Künste, sie hieß "Für Augen und Ohren". Es ging um den Zwischenbereich von visuellen und akustischen Phänomenen im frühen 20. Jahrhundert. 16 Jahre später, 1996, folgte dann die Ausstellung "Sonambiente", sie befasste sich mit den neuen Räumen des neuen Berlin. Jetzt nach zehn Jahren gibt es wieder eine Sonambiente. Eröffnung war vorgestern, bis Mitte Juli dauert das Festival.

Von Georg-Friedrich Kühn | 03.06.2006
    Watte stopft Lara Stanic in ihre Flöte immer wieder. Die ist per Kabel mit ihrem Computer verbunden. So steuert die Künstlerin die Abspielgeschwindigkeit der gespeicherten Klänge.

    Reaktion von Körper und Maschine sind Thema der jungen Performerin in "FluteSpeaking". Ihre Aufführung eröffnete das vor ästhetischen Abstürzen freilich nicht ganz gefeite Begleit-Programm zu der sechswöchigen Klangkunst-Ausstellung "Sonambiente" in Berlin.

    Zum zweiten Mal nach zehn Jahren wollen die Ausstellungsmacher gleichsam immateriell den Wandel der Stadt erkunden. Sehr informativ ist der begleitende Katalog. Die Besucherwege führen zwischen Ostbahnhof und Festspielhaus auch in quasi exterritoriale Zonen wie die zu DDR-Zeiten erbaute, auf ihre Erneuerung harrende Polnische Botschaft Unter den Linden.

    Aber nicht nur die Stadt hat sich mittlerweile stark gewandelt, auch die Klangkunst selbst. Die Grenzen zur Videokunst haben sich verflüssigt mit den neuen digitalen Medien. Von der Klangkunst im strengen Sinn, bei der mit den Materialien selbst Klänge erzeugt werden, gibt’s in dieser Ausstellung nur wenig. Etwa wenn Katja Kölle das Mezzanin der neuen Akademie der Künste mit losen Holzplatten auslegt und man beim Darüberlaufen das Klappern auf dem Betonfußboden hört.

    Am gleichen Ort im Foyer hat Kris Vleeschouwer eine imposante Installation "Glass Work" aufgebaut: meterhohe lange Regale, voll gestopft mit leeren weißen Flaschen. Immer wenn in einen Kilometer entfernten Recycling Container Leergut eingeworfen wird, kracht auch vom Regal eine Flasche splitternd hernieder.

    Ein Heimtheater aus alten Phonographen, Lautsprechern und Megaphonen haben Janet Cardiff und George Bures Miller montiert. Computergesteuert werden alte Platten abspielt vermischt oft mit 5-kanaligem Surroundklang. Inspiriert ist diese "Oper für einen kleinen Raum" von John Cages mit den gleichsam Ready-Mades der alten Oper spielenden "Europeras".

    Ganz auf Mittel der Videokunst setzt im alten Gebäude der Akademie Candice Breitz. Sie hat eine Wand aus sechsmal fünf Monitoren aufgebaut mit dreißig Sängerinnen und Sängern, die das Playback für einen Soul Song einsingen und je auf eigene Art das Gesungene in Gebärdensprache umsetzen.

    Auf der Seite gegenüber hat Robert Jacobsen eine neue Variante seines "Skulpturellen Theaters" installiert mit einem Sänger per Mini-Screen auf einer beweglichen Halterung, von dem man nur den Mund sieht und aus zwei kleinen Lautsprechern hört. Weiter hinten im Raum sind Schaufelarme, die in Wasserschüsseln tauchen. Oder mobileartige Skulpturen, die sich um die eigene Achse drehen.

    Die Frage, was das Ganze bedeuten könnte, beantwortet Jacobsen mit einer Gegenfrage:

    " Empfinden Sie ein bisschen Freude und Überraschung an Klängen, die sich organisieren? An kinetischen Skulpturen, die in verschiedenen Zyklen spielen? Es ist natürlich eine sehr schwierige Frage, was sagt uns das Ganze…"

    Klang am eigenen Körper spüren kann der Besucher bei Lynn Pook und Julien Clauss. Im TESLA, dem Medien-Labor an der Parochialkirche, haben sie Liegen aufgebaut, auf die man sich schnallen lassen kann. Brust, Kniekehlen, Arme und Finger werden mit Kissen verbunden, in die kleine Lautsprecher eingenäht sind. Über die Adern und Knochen im eigenen Körper wird der Schall transportiert als Impuls.

    Eine Station weiter ins Foyer des Allianz-Gebäudes am Ost-Bahnhof hat Ulrich Eller einen "Resonanzbehälter" gestellt, einen 15-türigen Blech-Schrank, aus dem die ins Leere laufenden Drähte sich verknotend heraushängen. Nur wenige der gezeigten Objekte reagieren auf den Ort, an dem sie gezeigt werden, so genau. Das Gebäude, obwohl nagelneu, steht ungenutzt leer.