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Experten empfehlen Fangverbot für Rotbarsch

Die Flotten der Europäischen Union fangen viel mehr als erlaubt. Das ist das Ergebnis einer Studie der Umweltschutzorganisation WWF. Sie fordert deshalb einen sofortigen Fangstopp für bestimmte Fischarten. Dazu gehören der Tunfisch, aber auch der Rotbarsch, der zur Zeit immer knapper und damit teurer wird.

Von Lutz Reidt |
    Dem Rotbarsch im Nordatlantik geht es offenbar so schlecht wie noch nie. Der bislang wichtigste und größte Bestand in der Irminger See - zwischen Grönland und Island gelegen - dürfte so stark überfischt sein, dass ein totales Fangverbot im nächsten Jahr wahrscheinlich ist. Dies jedenfalls empfehlen die Fischerei-Experten am ICES, dem Internationalen Rat für Meeresforschung in Kopenhagen, dem auch der Fischereibiologe Dr. Christopher Zimmermann angehört:

    "Wir haben im letzten Jahr noch empfohlen, dass bis zu 40.000 Tonnen gefischt werden könnten. Dieser Empfehlung ist nicht nachgekommen worden. Das heißt, es wurden jeweils Quoten vereinbart, die mehr als doppelt so hoch waren. Und im letzten Jahr hatten wir die unglückliche Situation, dass die Fänge zum ersten Mal geringer ausfielen als die Höchstfangmengen; das heißt: Es gab einfach nicht genug Fisch, um die Quoten auszuschöpfen."

    Diese Erfahrung musste vor allem auch die deutsche Hochseeflotte machen, die traditionell den größten Anteil an der gemeinsamen Fangquote der Europäischen Union zugeteilt bekommt. Im Gegensatz zu Schwarmfischen wie Hering oder Kabeljau wird der Rotbarsch erst spät geschlechtsreif und bringt dann auch vergleichsweise wenig Nachwuchs zur Welt. Eine Überfischung hätte daher langfristig gravierende Folgen, warnt die Schwedin Andrea Cederquist, Fischerei-Expertin bei Greenpeace in Hamburg:

    "Also, der Rotbarsch ist wie die meisten Tiefsee-Fischarten ein Fisch, der sehr spät sich vermehrt, also häufig erst mit 20, 30 Jahren. Und das ist auch ein Fisch, der sehr alt wird. Man schätzt, dass er bis 75, 100 Jahre alt werden kann. Das bedeutet, dass es ein Fisch ist, der sehr der Fischerei ausgesetzt ist, dass wenn man einmal den Bestand leergefischt hat oder ´runtergefischt hat, dass es auch sehr lange dauert, bis er sich wieder erholen kann."

    Die Wissenschaftler des ICES befürchten, dass es mindestens 20 Jahre dauern könnte, bis sich der Rotbarsch wieder erholt haben wird. Voraussetzung dafür wäre jedoch ein langjähriger und konsequenter Fangstopp für die Irminger See ab 2007.
    Diese Empfehlung der Wissenschaftler richtet sich an ein Gremium in London, und zwar an die NEAFC, die Nordostatlantische Fischerei-Konvention. Mitglieder sind neben der Europäischen Union, Norwegen und Island auch Russland, dessen jährliche Fangmengen bislang rund doppelt so hoch waren wie die Quote der gesamten EU. Noch wehren sich die Russen gegen jegliche Beschränkung des Rotbarsch-Fanges. Sollte die NEAFC jedoch der Empfehlung der ICES-Forscher folgen, gäbe es durchaus Instrumente, das Fangverbot politisch durchzusetzen, meint Christopher Zimmermann:

    "Auch die Russen hängen zum Beispiel von Übereinkommen mit den Norwegern ab, um Küsten-Kabeljau in norwegischen Gewässern zu fangen. Die Norweger sind auch Mitglied in der NEAFC, in dieser Nordostatlantischen Fischerei-Konvention; dies könnte also sehr leicht weite Kreise ziehen, was dazu führen würde, dass die russischen Fahrzeuge von den Isländern nicht mehr mit Treibstoff versorgt werden auf hoher See; dass sie isländische Häfen nicht mehr anlaufen können; dass sie zu Reparaturen nicht mehr einlaufen können; dass sie die Quoten für andere Fischarten in anderen Küstengewässern verlieren; das geht dann leicht auf Kabeljau, auf Makrele in den EU-Gewässern usw."

    Sollte nächstes Jahr wirklich dieser Fangstopp für die Irminger See verhängt werden, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass es keinen Rotbarsch mehr zu kaufen gibt. Die Alternative käme dann aus Gewässern vor den Küsten von Island:

    "Das ist die 200-Seemeilen-Zone und dem Rotbarsch, den die da fangen, dem geht es etwas besser. Da lautet die Empfehlung auch dieses Jahr wieder, dass man rund 22.000 Tonnen fischen kann im Lauf des Jahres 2007; insofern haben es die Isländer tatsächlich in ihren Gewässern viel einfacher, und sie sind auch rigoros gegenüber anderen Fahrzeugen. Unsere deutschen Fahrzeuge haben fast keine Möglichkeit, in den Gebieten zu fischen und werden deswegen verschoben auf die offene See, auf die Hochsee außerhalb der 200-Meilen-Zone und das ist eben der Lebensraum des Irminger-See-Rotbarsch-Bestandes."

    In den Kühltheken werden also auch nächstes Jahr Rotbarschfilets ausliegen. Aus isländischen Gewässern vor allem. Doch billiger wird die seltene Ware dann keineswegs sein.