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Explodiert der brodelnde Kessel?

Das Zentrum der mazedonischen Hauptstadt Skopje am vergangenen Sonntag. 10.000 Menschen demonstrieren gegen die Gewalt der Rebellen und fordern die Regierung zu einer härteren Gangart auf. Eine Demonstration, die vor allem von mazedonischen Flüchtlingen aus Tetovo organisiert wurde. Sie waren vor der Gewalt rings um die Stadt geflohen. Fassungslos, geschockt und wütend fordern sie von der Regierung, endlich mehr gegen den Terror der albanischen Extremisten in den Bergen zu unternehmen.

Verica Spasovska |
    "Das albanische Volk hat keine Schuld, wir haben mit den Albanern zusammengelebt und wir werden es auch weiterhin tun. Unser Haus liegt inmitten von albanischen, türkischen und Roma-Häusern. Wir arbeiten zusammen und werden es auch weiterhin tun. Die Albaner fliehen ja auch aus Tetovo."

    "Die Polizei hat ihre Positionen eingenommen und von oben schießen die auf die Stadt herunter. Man ist einfach zu Hause eingesperrt. Tetovo ist abends um sechs eine menschenleere Stadt."

    "Tetovo muss von den Albanern gesäubert werden, die extremistisch sind. Extremismus herrscht dann, wenn man auf unsere Häuser schießt. Und Extremismus bedeutet auch, wenn man mit der Sprache der Gewalt versucht die Verfassung zu ändern. Das können wir nicht akzeptieren."

    Der Druck der Straße hat offenbar Wirkung gezeigt: Heute Nachmittag startete die mazedonische Armee eine Offensive gegen die albanischen Rebellen.

    Mazedonien, das sich seit seiner Unabhängigkeit im Jahre 1991 gerne als die "Oase des Friedens" auf dem Balkan bezeichnete, steht - wie es scheint unvermittelt und urplötzlich - vor einem Drama, das nicht nur die Einheit der Republik bedroht, sondern die ganze Region in einen neuen Strudel der Gewalt reißen kann. Warum bricht die Gewalt gerade hier aus? 10 Jahre lang hatte die slawo-mazedonische Mehrheitsbevölkerung vergleichsweise friedlich mit den Minderheiten des Landes zusammengelebt. Auch mit der größten ethnischen Minderheit, den Albanern. Sie stellen offiziell ein Viertel der Bevölkerung. Nach eigenen Angaben machen sie hingegen mindestens 30 Prozent aus. An dieser alten Streitfrage entzünden sich seit Jahren die Forderungen der Albaner nach totaler Gleichberechtigung in der Republik.

    Die albanische Minderheit fühlt sich in Mazedonien benachteiligt. Ihre politischen Vertreter fordern seit Jahren eine Verfassungsänderung. Insbesondere die Präambel beschreibt die "Republik Mazedonien als Staat der Mazedonier und aller Völker und ethnischer Gruppen, die darin leben."

    Eine Formulierung, die nach Auffassung der Albaner eine Diskriminierung darstellt. Denn auf Grund ihres grossen Bevölkerungsanteils wollen sie gleichberechtigt als staatstragendes Volk behandelt werden. Das aber gestehen die mazedonischen Politiker ihnen nicht zu. Aus Angst, die albanische Minderheit könnte irgendwann daraus den Anspruch ableiten, Mazedonien in eine Föderation umzuwandeln, als Vorstufe zu einer Konföderation, um schließlich die mehrheitlich albanisch besiedelten Gebiete abzuspalten.

    Eine weitere politische Forderung der Albaner, besteht darin, dass sie entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil in den bürokratischen Institutionen vertreten sein wollen, wo sie in der Tat unterrepräsentiert sind. Das gilt insbesondere für die Polizei und die Armee. Aber im Vergleich zu den Kosovo-Albanern, die jahrelang unter dem Regime von Milosevic massiv unterdrückt wurden, genießt die albanische Minderheit in Mazedonien mehr Rechte als anderswo. Die Albaner sind seit der Unabhängigkeit als Koalitionspartner in der Regierung vertreten. Sie stellen heute fünf Minister im Kabinett. In den Kommunen nehmen 40 demokratisch gewählte albanische Bürgermeister die Interessen der Minderheit wahr, sie dürfen Steuern einziehen und über deren Verwendung bestimmen. Schließlich ist auch die jahrelang umstrittene albanischsprachige Universität in Tetovo eröffnet worden. Damit ist diese Forderung, nämlich die nach der Zweisprachigkeit, erfüllt.

    Aber all dies kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich seit Titos Zeiten, Mazedonier und Albaner in tiefem Misstrauen gegenüberstehen. Als ungeliebte Minderheit haben die Albaner die Abneigung und die Herablassung der slawischen Mehrheitsbevölkerung - vor allem in den Anfangsjahren der Unabhängigkeit - zu spüren bekommen. In der mazedonischen Gesellschaft herrscht die Meinung vor, viele Albaner lebten vom Drogenhandel, Schmuggel und sonstigen illegalen Geschäften. Im Gegensatz zu der Vorkriegsgesellschaft in Bosnien-Herzegowina, wo vielfach Muslime, Kroaten und Serben untereinander heirateten, gibt es zwischen den orthodoxen Mazedoniern und den vorwiegend islamischen Albanern seit jeher kaum Mischehen. Die Jugend geht sich aus dem Weg. Albanische und mazedonische Schüler besuchen von der Grundschule bis zum Abitur getrennte Schulen. Berührungspunkte gibt es kaum zwischen ihnen.

    Der lange Marsch durch die Institutionen, mit denen die gemäßigten Albaner ihre Gleichberechtigung erstreiten wollen, hat viele - gerade junge Albaner - ungeduldig werden lassen. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit von etwa fünfzig Prozent, sind immer mehr Albaner empfänglich für die Parolen der Nationalisten. In den ethnischen Spannungen finden sie nun ein zusätzliches Ventil.

    Die Probleme in Mazedonien können jedoch nicht isoliert von der Lage der Albaner in der mazedonischen Nachbarschaft betrachtet werden. Denn die Albaner sind eine vielfach geteilte Nation. Die Gebiete, in denen sie leben, sind auf Albanien, den Kosovo, Südserbien, Mazedonien und Montenegro aufgesplittert. Die Gründung des albanischen Nationalstaates im Jahre 1912 ließ mehr als 50 Prozent der Siedlungsgebiete außerhalb der Staatsgrenzen.

    Soziale, sprachliche und kulturelle Unterschiede sorgen bis heute dafür, dass die Albaner in den verschiedenen Ländern unterschiedliche politische Ziele verfolgen. Eine koordinierte und einheitliche Strategie zur Vereinigung aller albanisch besiedelten Gebiete gibt es bis heute nicht. Denn dafür sind die Albaner auch untereinander zu zerstritten. Einige extremistische Gruppen wollen die slawische Herrschaft abschütteln und albanisch besiedelte Gebiete teilweise miteinander vereinigen. Etwa ein unabhängiges Kosovo unter Einschluss der albanisch besiedelten Gebiete in Südserbien und Nordwest-Mazedonien. Also kein Groß-Albanien unter der Kontrolle der Regierung in Tirana, aber ein Groß-Kosovo:

    Schon während des Kosovo-Krieges lagen dem mazedonischen Innenministerium Berichte darüber vor, dass die kosovarische Befreiungsarmee UCK auch in Nordwest-Mazedonien aktiv war. In den Flüchtlingslagern der 300.000 albanischen Menschen, die während des Krieges nach Mazedonien geflohen waren, ließ die UCK Freiwillige anwerben. In den nächsten Monaten wurden vermehrt Zwischenfälle an der mazedonisch-jugoslawischen Grenze gemeldet. Der mazedonische Präsident Boris Trajkovski versetzte daraufhin die Armee vorübergehend in Alarmbereitschaft. Mitte des vergangenen Jahre veröffentlichte die Oppositionszeitung START einen internen Bericht des Innenministeriums. Darin hieß es, die UCK baue vom Kosovo aus einen militärischen Arm in Nordwest-Mazedonien auf.

    Und die Bilder ähneln sich: Die Uniformen dieser Kämpfer sind schwarz, auf den Schultern Aufkleber mit den Insignien der UCK; ein schwarzer Doppelkopfadler. Geändert hat sich lediglich das Operationsgebiet der UCK-Aktivisten .

    Auffallend ist auch die zeitliche Nähe zwischen dem Einmarsch der jugoslawischen Truppen in Südserbien und dem Ausbruch der Gewalt in Nordwestmazedonien. Während sie sich in Südserbien zum Waffenstillstand bereit zeigen, brechen sie jenseits der Grenze einen gewaltsamen Konflikt vom Zaun. Wollen die albanischen Extremisten damit deutlich machen, dass sie der Machtfaktor in der Region sind, der über Stabilität und Instabilität entscheiden kann?

    Aber anders als bei früheren Konflikten ist diesmal die NATO bereits im Lande präsent. Seit 1998 nutzt sie mazedonisches Territorium als Basis für den Einsatz der KFOR-Friedenstruppen im Kosovo. Rund 1200 Deutsche Soldaten sind in Tetovo stationiert. Doch sie haben laut UNO-Resolution 1244 kein Mandat für einen Kampfeinsatz in Mazedonien. Deshalb werden unverzüglich die meisten der deutschen der Soldaten in sichere Gebiete außerhalb von Tetovo verlegt. Gleichzeitig werden zum Schutz der KFOR-Soldaten Panzer aus dem Kosovo nach Tetovo gebracht. Der Generalinspekteur der Bundeswehr Harald Kujat bei seinem Besuch in Tetovo:

    "Für uns kommt es darauf an, alles zu tun, was wir für notwendig erachten, um unsere deutschen Soldaten hier zu schützen. Das ist das Entscheidende. Und ich bin nicht bereit zu akzeptieren, dass auch nur einem Soldaten hier ein Haar gekrümmt wird. Wir werden uns wehren."

    Doch von einem geänderten Mandat für die KFOR-Truppen ist bislang nicht die Rede. Lediglich die Grenzkontrollen sollen verstärkt werden. Denn die NATO muss sich nun den Vorwurf gefallen lassen, dass unter den Augen der KFOR, die eben für die Befriedung des Kosovo zuständig ist, der Konflikt aus eben dieser Region in die Nachbarländer getragen wird.

    Empört registriert die mazedonische Bevölkerung die Zurückhaltung der NATO. Nicht ohne Grund hatte die mazedonische Regierung das Territorium der Republik der NATO als Versorgungsbasis zur Verfügung gestellt. Die Bevölkerung glaubte, die NATO-Soldaten würden sie im Notfall vor Übergriffen von Extremisten schützen. Außerdem hatten die Mazedonier vor zwei Jahren während des Kosovo-Krieges auf Druck der internationalen Gemeinschaft rund 300.000 albanischen Kosovo-Flüchtlingen Unterschlupf gewährt. Eine Geste, die in den Augen der mazedonischen Bevölkerung die internationale Gemeinschaft ihrerseits in die Pflicht nimmt, sich nun erkenntlich zu zeigen und dem Land in dieser Notsituation beizustehen.

    Der UNO-Sonderbeauftragte Carl Bildt zeigte Verständnis für diese Reaktion. Im amerikanischen Fernsehsender CNN erklärte er, dass sich in der mazedonischen Bevölkerung angesichts der Entwicklung in und um Tetovo das Gefühl breit macht, von der NATO betrogen worden zu sein:

    "Es gibt ein Gefühl der Verbitterung, ja sogar des Betrugs was ihre Beziehung zur NATO angeht."

    Nach den Beratungen mit der EU und der NATO bleibt auch die Bundesregierung bei ihrer Haltung, auf diplomatische Lösungen zu setzen. Bundesaußenminister Joschka Fischer schloss eine Militäroperation im Landesinneren aus:

    "Die Lage ist komplex. Wir stehen vor der Frage, ob ein extremistischer Nationalismus sich durchsetzt und die Region mit Gräberfeldern überzieht und den Menschen unsägliches Leid bringt. Oder ob Europa, der Westen mit seinen Partnern unter Einschluss Russlands die Kraft und Ausdauer hat, diese Region Schritt für Schritt wegzuorientieren vom Nationalismus hin zu Europa."

    Je länger die Gefechte in den Bergen rund um Tetovo andauern und die heute gestartete Offensive der mazedonischen Armee, desto mehr nehmen die Anti-NATO -Ressentiments in der mazedonischen Bevölkerung zu. Ministerpräsident Ljupco Georgievski warf dem Westen wenige Tage nach dem Ausbruch der Gewalt Untätigkeit vor. In einer Fernsehansprache an die Nation spielte er auf den Vorwurf an, die KFOR-Truppen im Kosovo hätten die UCK nicht entwaffnet:

    "Es tut uns wirklich sehr leid, aber es ist offensichtlich, dass man der Tatsache ins Gesicht sehen muss, dass wir hier im Moment eine Art neuer Taliban-Kämpfer haben, die wie jene in Afghanistan vom Westen unterstützt werden. In diesem Sinne möchte ich darauf hinweisen, dass alle in Mazedonien sich völlig darüber im Klaren sind, dass sowohl die amerikanische als die deutsche Regierung wissen, wer die Führer der Banden sind, die heute nach Mazedonien hereinströmen, dass sie uns nicht vormachen können, sie würden die wohlbekannten Namen nicht kennen, und dass diese Bandenführer keinesfalls ihre Aggression gegen Mazedonien einstellen werden, falls der Westen ihnen nicht mit großer Entschlossenheit entgegentritt."

    Die Reaktion der gemäßigten albanischen Führer in Mazedonien fällt hingegen völlig anders aus. Sie stehen zunehmend unter dem Druck der albanischen Wähler. Viele beschimpfen sie als Verräter, weil sie mit der mazedonischen Regierung eine Koalition bilden, statt wie viele Albaner meinen, sich energischer für die Gleichberechtigung der Minderheit einzusetzen. Während Arben Xhaferi, der Führer der an der Regierung beteiligten Albaner-Partei DPA gegenüber lokalen Medien zur Besonnenheit aufruft und sich gegen die Gewalt ausspricht, erklärt er in einem Interview mit der "Welt am Sonntag":

    "Die mazedonischen Sicherheitskräfte gehen derzeit brutalst gegen ihre eigenen Landsleute vor. Gegen albanische Mazedonier, und nicht gegen ehemalige UCK-Kämpfer aus dem Kosovo, wie es oft vereinfacht in der westlichen Presse heisst. Die NATO muss intervenieren. Und zwar schnell. Ansonsten richtet die mazedonische Armee und Polizei in Mazedonien ein Blutbad an."

    Er vertritt wie viele Albaner in Mazedonien die These: der Konflikt sei nicht aus dem Kosovo importiert, sondern hausgemacht, weil es der mazedonischen Regierung nicht gelungen sei, die Forderungen der Albaner nach Gleichberechtigung zu befrieden. Und es gäbe keine Uneinigkeit in der politischen Zielsetzung der Albaner in Mazedonien, beteuert Xhaferi:

    "Letztendlich verfolgen wir Albaner ein und dasselbe Ziel: Eine Änderung der mazedonischen Verfassung hin zu einer Föderation mit mehr Selbstbestimmungsrechten und der Möglichkeit eines Referendums auf Abspaltung."

    Forderungen, die bei den Vertretern der Europäischen Union nicht auf offene Ohren stoßen. Vor allem nicht, wenn sie von Gewalt begleitet werden. Der außenpolitische Koordinator der EU Javier Solana meinte, er werde nicht mit den Rebellen verhandeln und erklärte deshalb heute anlässlich seines Blitzbesuchs in Skopje:

    "Aus Sicht der europäischen Union können wir sagen, dass Mazedonien unterstützt werden muss. Die Grenzen sind unveränderlich, die territoriale Integrität muss garantiert sein. Wir würden gerne dabei von der mazedonischen Regierung Unterstützung erfahren und auch von der albanischen Bevölkerung. Es muss klar gesagt werden, dass sich mit Gewalt nichts ändern wird, dass wir die Bemühungen der Regierung unterstützen. Gleichzeitig wird die KFOR ihre Grenzkontrollen verschärfen, so dass keine Extremisten aus dem Kosovo oder anderswo nach Mazedonien kommen können. Aber die wichtigste Maßnahme für die Menschen in der Region ist, dass jetzt, wo alle Staats- und Regierungschefs demokratisch gewählt worden sind, nachdem alle die Gelegenheit hatten, mit der europäischen Union den Stabilitätspakt zu unterzeichnen, dass jetzt, wo sie die europäische Perspektive haben, die Zeit des Kämpfen vorbei ist und die Zeit des gemeinsamen Aufbaus gekommen ist."

    Auch die NATO hat nicht vor, angesichts der bedrohlichen Situation ihr Mandat auf Mazedonien auszuweiten. Politische Unterstützung für die territoriale Integrität Mazedoniens versichern zwar auch die USA, aber Truppen werde man nicht nach Mazedonien versenden, heisst es im Weißen Haus. Nato-Generalsekretär George Robertson:

    "Die Nato nimmt die Situation in Bezug auf die albanischen Extremisten sehr ernst und wir versuchen im Rahmen unseres Mandats entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Die Patrouillen wurden erhöht und die Truppen unserer Einheiten im Kosovo verstärkt. Die Einheiten der jugoslawischen Armee an der mazedonischen Grenze haben nun einen Teil der Aufgaben mitübernommen. Wir haben auch die Strassen nach Mazedonien hinein geschlossen, um die Extremisten abzuhalten."


    Die EU und die NATO geben der mazedonischen Regierung politische Unterstützung. Zudem haben die EU-Außenminister finanzielle Hilfen zugesichert um die albanische Bevölkerungsminderheit in Mazedonien zu integrieren. Und inzwischen bereiten Frankreich und Großbritannien eine Resolution im UN-Sicherheitsrat vor. Aber von einem beherzten Eingreifen gegen die albanischen Extremisten sind sie noch weit entfernt. Indessen macht die mazedonische Regierung mobil und fährt stärkeres Geschütz gegen die Rebellen in den Bergen auf. Und je länger der bewaffnete Konflikt zwischen den albanischen Extremisten und den mazedonischen Sicherheitskräften andauert, desto tiefer wird der Graben zwischen den beiden Volksgruppen. Zweifellos will die Mehrheit der albanischen Bevölkerung in Mazedonien keinen blutigen Konflikt mit den mazedonischen Nachbarn. Doch der erfolgreiche Kampf der Kosovo-Albaner - für die Loslösung von Belgrad - hat sie gelehrt, dass sich durchaus mit Waffengewalt einiges erreichen lässt.

    Wie groß die Sympathie vor allem unter den jungen Albanern in Mazedonien für die UCK-Rebellen in den Bergen ist, lässt sich kaum abschätzen. Aber ohne Zweifel sinkt der Einfluss der gemäßigten Politiker je länger der Konflikt dauert. In Mazedonien droht ein fünfter Balkan-Krieg zu entstehen. Und er könnte die gesamte Region in Flammen setzen.

    Sollten die Auseinandersetzungen in Mazedonien eskalieren, dann könnte der fragile Frieden in den anderen Balkan-Staaten wie ein Kartenhaus zusammenbrechen: Die bosnischen Serben würden sich ermuntert fühlen, den Anschluss der bosnisch-serbischen Entität an Jugoslawien zu fordern. Die nationalistischen Führer der bosnischen Kroaten haben bereits das Signal zur Loslösung vom brüchigen Dayton-Staat gegeben. Und Montenegro will sich in einem Referendum von der jugoslawischen Föderation lösen. Auflösungsprozesse, die wohl kaum ohne Blutvergießen vonstatten gehen dürften und wieder eine humanitäre Katastrophe auf dem Balkan bedeuten würden.