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Explosive Kombination

Umwelt. - Im März und April erlitt die Luftfahrtindustrie in Europa einen Schock. Der isländische Vulkan Eyjfjallajökull schickte eine Aschewolke in Richtung des Kontinents und alle Flugzeuge mussten am Boden bleiben. Jetzt beschreiben Forscher in "Nature", warum der Vulkan damals soviel Asche produzierte. Die Wissenschaftsjournalistin Monika Seynsche berichtet im Gespräch mit Uli Blumenthal darüber.

    Blumenthal: Frau Seynsche, was ist damals genau passiert?

    Seynsche: Zum einen ist sehr, sehr heißes basaltisches Magma aus ganz großer Tiefe, 25 km Tiefe aufgestiegen. Und das hat zu diesem ersten Ausbruch im März geführt. Der war ja relativ harmlos, es ist einfach Lava ausgeflossen. Davon haben wir in Europa ja gar nichts mitbekommen, weil es einfacher auf dieser Hochebene neben dem Vulkan war und nicht unter Eis. Aber, dieses ganz tiefe, heiße, basaltische Magma hat noch etwas Zweites getan, und zwar hat es älteres Magma, das weiter oben schon, direkt unter dem Gipfel, schon länger saß, quasi aufgeweckt. Dieses neue Magma ist so stark erhitzt worden, dass das ältere... dieses ältere Magma ist so stark erhitzt worden, dass es ausgebrochen ist. Das ist trachyandesitisches Magma gewesen und hat eben zu diesem explosiven Ausbruch geführt, im April direkt unter dem Gipfel, da ist auch der Eispanzer. Das heißt, man hat auch noch diese Kombination von Eis und Magma gehabt, und das hat zu dieser ganzen feinen Asche geführt.

    Blumenthal: Es sind zwei verschiedene Magmaarten an dieser Eruption beteiligt gewesen, wie Sie eben gesagt haben. Wie haben die Forscher herausgefunden, wie das genau vor sich gegangen ist, zwischen den beiden Magmaarten und dem Eispanzer?

    Seynsche: Na, zum einen haben sie erst einmal die Asche und Lava untersucht und festgestellt, das stammt nicht vom selben Magma, das müssen zwei verschiedene gewesen sein. Und außerdem wird dieser Vulkan seit etwa 20 Jahren seismisch überwacht. Seit 18 Jahren weiß man, er hat angefangen sich zu regen, es hat immer wieder kleinere Erdbeben gegeben. Mittlerweile gibt es auch Satellitendaten, es gibt GPS-Stationen im Berg seit einigen Jahren. Und die messen genau, wo der Berg sich aufbläht, wo Dellen entstehen. Anhand dieser ganzen Daten konnten die Forscher dann nachvollziehen, wie und wo das Magma sich im Berg bewegt hat, und wohin es gegangen ist.

    Blumenthal: Und was bringen uns diese ganzen Untersuchungen, kann man jetzt diese Vulkanausbrüche besser vorhersagen?

    Seynsche: Nein, nicht wirklich. Aber man kann zumindest besser verstehen, wie dieser Vulkan funktioniert. Und das ist auch schon gar nicht so unwichtig. Denn es gibt ganz viele Vulkane, die ständig ausbrechen, wie der Merapi in Indonesien. Über die weiß man relativ viel. Aber es gibt eben auch viele, die ähnlich wie der Eyjafjallajökull nur alle paar 100 Jahre mal ausbrechen. Über die wissen wir so gut wie gar nichts. Und jetzt ist es eben den Forschern gelungen, in so gut wie Echtzeit zu beobachten, wie das Magma sich bewegt, zu welchen Eruptionen das führt. Und außerdem ist es überraschend, dass sie gefunden haben: Es ist ein Zusammenspiel von zwei Arten von Magma abgelaufen. Das heißt, der Eyjfjallajökull regt sich nicht im Moment.

    Blumenthal: Im Frühjahr hieß es immer wieder, durch den Ausbruch könnte der Nachbarvulkan, die wesentlich größere Katla ausbrechen. Ist das durch die neuen Ergebnisse wahrscheinlicher geworden?

    Seynsche: Naja, zumindest nicht unwahrscheinlicher geworden. Man weiß seit langem, dass bei drei von vier historischen Ausbrüchen des Eyjafjallajökull die Katla gleichzeitig oder kurz danach ausgebrochen ist, aber bislang gingen viele Forscher davon aus, dass keinen Zusammenhang gibt, weil bei beiden Vulkanen unterschiedliche Magmen im Spiel sind. Jetzt aber weiß man ja, in ein und demselben Vulkan können zwei verschiedene Formen von Magma miteinander reagieren, und damit zerfällt dieses Argument. Außerdem ganz unabhängig davon ist es so, dass der Ausbruch der Katla schon seit Jahrzehnten überfällig ist. Der letzte Ausbruch war 1918. Und eigentlich bricht dieser Vulkan alle 40 bis 80 Jahre aus. Das heißt, man müsste langsam mal wieder gucken!

    Blumenthal: Ja, gibt es jetzt Anzeichen? Hat man sozusagen eine Statistik und sagt, er müsste, oder gibt es konkrete Anzeichen dafür?

    Seynsche: Man hat zum einen die Statistik, gesagt, er müsse es langsamer wieder. Man hat zum anderen Anzeichen. Ich würde nicht sagen, konkrete Anzeichen, denn die Forscher sind sich nicht sicher, was diese Zeichen bedeuten. Er rührt sich an einigen Stellen, er bläht sich an einigen Stellen auf, aber es gibt noch kein wirklich schlüssiges Bild, dass man sagen könnte: Morgen bricht er aus.