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EZB-Zinspolitik
Banken müssen mehr Zinsen zahlen

Wenn Banken überschüssiges Geld bei der Europäischen Zentralbank bunkern statt Kredite zu vergeben, müssen sie künftig noch mehr Zinsen dafür zahlen. Die Währungshüter versprechen sich davon mehr Kredite für Verbraucher und Unternehmen und so einen Schub für die Konjunktur. Experten sind skeptisch - diese Zinspolitik könnte vor allem eine Gruppe treffen: die Sparer.

03.12.2015
    Die Zentrale der Europäischen Zentralbank
    Die Zentrale der Europäischen Zentralbank (picture-alliance / dpa / Frank Rumpenhorst)
    Bittet ein Verbraucher oder Unternehmer eine deutsche Bank um einen Kredit, zahlt er momentan mehr als vier Prozent Zinsen dafür. Und die Banken? Sie haben vor mehr als zwei Jahren noch Zinsen bekommen, wenn sie Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) hinterlegten. Doch seit längerem versucht sie, die Finanzinstitute der Eurozone mit sogenannten negativen Zinsen davon abzuhalten und damit mehr Geld für Geschäftskredite bereitzustellen.
    Jetzt hat der EZB-Rat den Satz für die sogenannte Einlagefazilität, also diese Negativzinsen, von minus 0,2 auf minus 0,3 Prozent gesenkt. Damit müssen die Banken mehr zahlen. Bislang kommt das viele billige Zentralbankgeld aber nicht im gewünschten Maße über Bankkredite bei Unternehmen und Verbrauchern an - eine Änderung konnte weder der Nullzins noch der Negativzins kaum bewirken.
    Sparer noch mehr betroffen
    Die Strafgebühr ist umstritten. Ökonomen befürchten, dass Banken die Kosten auf ihre Kunden abwälzen könnten, statt mehr Kredite zu vergeben. Das könnte deutsche Sparer noch mehr belasten; der Zinssatz für Spareinlagen liegt überwiegend unter dem Inflationswert - das Angesparte verliert so seinen Wert. Die Preise in der Euro-Zone werden der EZB zufolge allerdings langsamer steigen als bislang angenommen. Die Experten der Notenbank senkten ihre Prognose für die Teuerungsrate 2016 von 1,1 auf 1,0 Prozent und für 2017 von 1,7 auf 1,6 Prozent.
    Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) äußerte sich dennoch kritisch: "Die Europäische Zentralbank setzt ihr riskantes geldpolitisches Experiment fort, ohne Rücksicht auf gefährliche Konsequenzen", erklärte GDV-Präsident Alexander Erdland. "Steigen werden vor allem die Preise am Aktien- und Immobilienmarkt - zulasten der Ersparnisse von Gering- und Durchschnittsverdienern."
    Mehr Exporte, Urlaub teurer?
    Es wird erwartet, dass die Verschärfung der Strafzinsen den Wechselkurs des Euro gegenüber anderen Währungen weiter drückt. Das würde den europäischen Exporteuren helfen und vermutlich die wirtschaftliche Entwicklung beflügeln, aber auch Urlaub im Euro-Ausland teurer machen.
    Der Leitzins im Euroraum verharrt allerdings auf dem Rekordtief von 0,05 Prozent. Damit bleibt Zentralbankgeld für Geschäftsbanken extrem günstig. Anders als in den USA sind steigende Zinsen im Euroraum absehbar nicht in Sicht.
    Umstrittene Geldschwemme ausgeweitet
    Mit Skepsis beobachten Analysten eine weitere Maßnahme: Der Aufkauf von Anleihen soll um mindestens sechs Monate verlängert und auch auf Anleihen von Kommunen und Regionen ausgeweitet werden. Das Programm werde "bis Ende März 2017 oder länger" laufen, bis eine "nachhaltige Korrektur der Inflation erkennbar" sei, sagte EZB-Präsident Mario Draghi. Das Anfang dieses Jahres gestartete Programm sollte eigentlich bis September 2016 laufen.
    Die Entscheidungen seien zwar nicht einstimmig gefällt worden, aber mit einer "sehr großen Mehrheit", sagte Draghi.
    (sdö/tzi)