"Das ist unser ältestes Ausstellungsstück, eine Tontafel, auf der eine Fabel festgehalten ist, die zum Thema hat "Die Mücke und der Elefant". Eine Mücke springt auf einen Elefanten und sagt: "Ich gehe nur ein kurzes Stück mit dir bis zur Wasserstelle, dann springe ich wieder ab, ich hoffe ich störe dich nicht." Und der Elefant sagt: "Macht nichts, kannst ruhig drauf bleiben, ich habe dich nicht bemerkt, wenn du drauf bist und ich merke nicht, wenn du weg bist." Damit endet diese Fabel, und man merkt: Die Mücke nimmt sich viel zu wichtig und schätzt ihre Position in der Welthierarchie völlig falsch ein, und das kommt im menschlichen Leben des Öfteren wieder vor."
Was für eine schöne Art, den Wichtigtuern dieser Welt die Leviten zu lesen, den Kleingeistern, die sich für unersetzbar halten! Der Germanistikprofessor Eckhard Grundwald beugt sich über eine Vitrine mit einem unfassbaren Schatz: einer Tontafel in Keilschrift, die 4500 Jahre alt ist und die aus Mesopotamien stammt, dem heutigen Irak. So alt ist sie schon, die Fabel vom Mücken und dem Elefanten. Die Tontafel beweist auch: die Fabel stammt keineswegs von Aesop, wie viele glauben. Sie ist viel älter und stammt aus dem Orient. Eckhard Grunewalt, der die wunderbare Ausstellung co-kuratiert hat:
"Die orientalischen Fabeln sind viel ausgeschmückter, während man in Europa von aesopischer Kürze spricht. Aesop beschränkt sich auf das, was unbedingt nötig ist, die Szene wird knapp umrissen, die Handlung verständlich dargestellt. Im Orient gibt es viele Adjektive, und ein besonderer Witz der orientalischen Fabeln: das sind Schachtelfabeln, also endlose Fabeln gewissermaßen. Wie 1001 Nacht."
Die Fabel ist also ein wunderbares Beispiel für das, was wir Orient-Okzident-Diskussion nennen. Diese Diskussion verkörpert gleichsam Mamoun Fansa, der Direktor des Landesmuseums Natur und Mensch in Oldenburg. Fansa stammt aus Syrien, ein kleiner, drahtiger, immer gutgelaunter Mann mit blitzenden Augen, der perfekt deutsch gelernt und sich sogar eine kleine norddeutsche Färbung zugelegt hat. Sein einziges Problem: Eigentlich sollte die Ausstellung um ein arabisches Manuskript aus dem Jahr 1310 zentriert werden, das in München liegt, die berühmte Fabelsammlung Kalila wa-Dimna, die aus Indien über Persien und den arabischen Raum bis nach Deutschland gelangt ist. Doch im letzten Augenblick ließen die Konservatoren in der Bayrischen Staatsbibliothek das Buch nicht reisen.
"Das hat mich wirklich stark verletzt, weil es war unsere ursprüngliche Idee, das mitten in der Ausstellung zu zeigen. Es gibt von diesen Handschriften mit sehr schönen Illustrationen nicht sehr viele. Es gibt eine in Paris und eine in Oxford und eine in Petersburg. Aber diese Damaszener Handschrift ist eine der ältesten, aber auch am besten illustrierten. Die haben wir nicht, aber wir haben die Originalbilder, die später da noch multimedial umgeblättert werden."
In Oldenburg sieht der Betrachter nicht nur echte ausgestopfte Löwen und Kamele, Schakale und Bären aus dem Fundus des Hauses. Abenteuerlich und geradezu exotisch verlief die Geschichte der Fabel. Europäische und arabische Traditionen drifteten immer wieder voneinander weg, wurden teilweise vergessen und kamen dann doch wieder zusammen. Es waren Juden, Gelehrte aus Süditalien, die im Mittelalter die Fabeln aus dem Arabischen ins Hebräische übersetzten. Von dort gelangten sie ins Lateinische und wurden so wieder in ganz Europa zugänglich.
Martin Luthers Fabeln hatten ein ganz besonderes Schicksal. Ihr Manuskript landete ausgerechnet beim Erzfeind - im Vatikan.
Die Fabel in ihrer Blüte am französischen Königshof, bei La Fontaine - auch sie geht teilweise auf orientalische Anregungen zurück.
Das Erfinden von Fabeln oder zumindest ihre Kenntnis galt lange als wichtigste Fähigkeit in der Rhetorik - das Wort Fabulieren, von lateinisch fabula, ist überhaupt zum Synonym des erfinderischen Erzählens geworden.
Nur in der jüngsten Gegenwart hat es die Fabel schwerer. Reiner Michel Kunze hat Ende der sechziger Jahre über die DDR einen Text verfasst mit dem Titel "Das Ende der Fabel." Ein Hahn versucht, öffentlich eine Fabel preiszugeben, aber jedes Mal bricht er ab und denkt: Wenn ich weiterrede, holt mich der Fuchs.
"Die Fabel ist nicht das Ventil, in der Öffentlichkeit sich zu äußern und Wahrheiten zu verkünden, die vielleicht von den Oberen nicht verstanden werden. Sondern die Fabel ist ein ganz gefährliches Gut, und wenn ich mich fabulös äußern möchte, dann mache ich das besser in der Gruppe Gleichgesinnter und nicht in der Öffentlichkeit."
Was für eine schöne Art, den Wichtigtuern dieser Welt die Leviten zu lesen, den Kleingeistern, die sich für unersetzbar halten! Der Germanistikprofessor Eckhard Grundwald beugt sich über eine Vitrine mit einem unfassbaren Schatz: einer Tontafel in Keilschrift, die 4500 Jahre alt ist und die aus Mesopotamien stammt, dem heutigen Irak. So alt ist sie schon, die Fabel vom Mücken und dem Elefanten. Die Tontafel beweist auch: die Fabel stammt keineswegs von Aesop, wie viele glauben. Sie ist viel älter und stammt aus dem Orient. Eckhard Grunewalt, der die wunderbare Ausstellung co-kuratiert hat:
"Die orientalischen Fabeln sind viel ausgeschmückter, während man in Europa von aesopischer Kürze spricht. Aesop beschränkt sich auf das, was unbedingt nötig ist, die Szene wird knapp umrissen, die Handlung verständlich dargestellt. Im Orient gibt es viele Adjektive, und ein besonderer Witz der orientalischen Fabeln: das sind Schachtelfabeln, also endlose Fabeln gewissermaßen. Wie 1001 Nacht."
Die Fabel ist also ein wunderbares Beispiel für das, was wir Orient-Okzident-Diskussion nennen. Diese Diskussion verkörpert gleichsam Mamoun Fansa, der Direktor des Landesmuseums Natur und Mensch in Oldenburg. Fansa stammt aus Syrien, ein kleiner, drahtiger, immer gutgelaunter Mann mit blitzenden Augen, der perfekt deutsch gelernt und sich sogar eine kleine norddeutsche Färbung zugelegt hat. Sein einziges Problem: Eigentlich sollte die Ausstellung um ein arabisches Manuskript aus dem Jahr 1310 zentriert werden, das in München liegt, die berühmte Fabelsammlung Kalila wa-Dimna, die aus Indien über Persien und den arabischen Raum bis nach Deutschland gelangt ist. Doch im letzten Augenblick ließen die Konservatoren in der Bayrischen Staatsbibliothek das Buch nicht reisen.
"Das hat mich wirklich stark verletzt, weil es war unsere ursprüngliche Idee, das mitten in der Ausstellung zu zeigen. Es gibt von diesen Handschriften mit sehr schönen Illustrationen nicht sehr viele. Es gibt eine in Paris und eine in Oxford und eine in Petersburg. Aber diese Damaszener Handschrift ist eine der ältesten, aber auch am besten illustrierten. Die haben wir nicht, aber wir haben die Originalbilder, die später da noch multimedial umgeblättert werden."
In Oldenburg sieht der Betrachter nicht nur echte ausgestopfte Löwen und Kamele, Schakale und Bären aus dem Fundus des Hauses. Abenteuerlich und geradezu exotisch verlief die Geschichte der Fabel. Europäische und arabische Traditionen drifteten immer wieder voneinander weg, wurden teilweise vergessen und kamen dann doch wieder zusammen. Es waren Juden, Gelehrte aus Süditalien, die im Mittelalter die Fabeln aus dem Arabischen ins Hebräische übersetzten. Von dort gelangten sie ins Lateinische und wurden so wieder in ganz Europa zugänglich.
Martin Luthers Fabeln hatten ein ganz besonderes Schicksal. Ihr Manuskript landete ausgerechnet beim Erzfeind - im Vatikan.
Die Fabel in ihrer Blüte am französischen Königshof, bei La Fontaine - auch sie geht teilweise auf orientalische Anregungen zurück.
Das Erfinden von Fabeln oder zumindest ihre Kenntnis galt lange als wichtigste Fähigkeit in der Rhetorik - das Wort Fabulieren, von lateinisch fabula, ist überhaupt zum Synonym des erfinderischen Erzählens geworden.
Nur in der jüngsten Gegenwart hat es die Fabel schwerer. Reiner Michel Kunze hat Ende der sechziger Jahre über die DDR einen Text verfasst mit dem Titel "Das Ende der Fabel." Ein Hahn versucht, öffentlich eine Fabel preiszugeben, aber jedes Mal bricht er ab und denkt: Wenn ich weiterrede, holt mich der Fuchs.
"Die Fabel ist nicht das Ventil, in der Öffentlichkeit sich zu äußern und Wahrheiten zu verkünden, die vielleicht von den Oberen nicht verstanden werden. Sondern die Fabel ist ein ganz gefährliches Gut, und wenn ich mich fabulös äußern möchte, dann mache ich das besser in der Gruppe Gleichgesinnter und nicht in der Öffentlichkeit."