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Facebook
"Mehr Wettbewerb, mehr Datenschutz"

Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Johannes Caspar, sieht die Änderung der Nutzungsbedingungen von Facebook kritisch. Auch wenn deutsche Behörden nur wenig Handlungsspielraum hätten, gebe es doch einige Möglichkeiten des Eingreifens, erklärte er im DLF.

31.01.2015
    Johannes Caspar, Hamburgischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit
    Johannes Caspar, Hamburgischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit (Jörg Carstensen (picture alliance, dpa))
    Die Deutschlandzentrale von Facebook hat ihren Sitz in Hamburg. Und damit fällt das Unternehmen in den Zuständigkeitsbereich des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, Johannes Caspar. Und was Facebook da gerade an neuen Nutzungsbedingungen eingeführt hat, bereitet dem Mann Sorgen.
    Die Problematik bestehe darin, sagte Caspar im Deutschlandfunk, dass Facebook sich das Recht einräume, von zugekauften Unternehmen wie Whatsapp oder Instagram Daten zu erheben, um dann unternehmensübergreifende Nutzungsprofile zu erstellen. So könnten riesige Datenmengen hin und her geschoben werden.
    Caspar räumte ein, man habe kaum Möglichkeiten sich zu wehren. Facebook meine, deutsches Recht finde keine Anwendung, sondern irisches, weil die Europazentrale in Dublin sitze. "Das sehen wir juristisch anders", betonte Capsar und verwies auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu Google in Spanien. Demnach seien die Unternehmen an die Rechte des jeweiligen Landes gebunden.
    Um diese Problematik etwas zu umgehen, setzen sich Datenschützer aktuell dafür ein, dass Nutzer ihre "Freunde" künftig zu anderen Plattformen mitnehmen können. Das sei derzeit nicht möglich, so Caspar. Wer sich bei Facebook abmelde, habe den Kontakt zu seinen "Freunden" erst einmal verloren. "Deshalb setzen wir uns ein für die Portabilität von Daten, also dass Daten mit den Menschen mitgehen können." Dann gäbe es mehr Wettbewerb und mehr Datenschutz, sagte Caspar im DLF.

    Das Interview in voller Länge:
    Bettina Klein: Neue Nutzungsbedingungen für das soziale Netzwerk Facebook, die gelten seit Ende der Woche und sind seit Langem umstritten. Weil man sie akzeptieren muss, um weiter Mitglied zu bleiben, und damit verbunden sind weitere Einschränkungen beim Datenschutz, denen sich die Nutzer fügen müssen, oder sie verlassen eben das Netzwerk, was Millionen Menschen offenkundig nicht tun. Ich habe darüber mit dem Hamburger Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar gesprochen und ihn gefragt, was ihn jetzt eigentlich vor allem daran stört!
    Johannes Caspar: Die ernsthafte Sorge lösen die Bestimmungen insofern aus, als sich Facebook mit denen ja letztlich das Recht einräumt, von zugekauften Unternehmen Daten zu erheben sowie eben auch im Austausch mit diesen dann an diese Daten weiterzugeben. Das Teilen von Daten mit den konzerneigenen Unternehmen ist insofern problematisch, als das natürlich dann unternehmensübergreifende Nutzungsprofile erstellen lässt. Wir müssen ja hier sehen, was für Unternehmen mittlerweile von Facebook aufgekauft wurden, da ist etwa Instagram, da ist WhatsApp und da ist die Werbeplattform Atlas. Allein die Nutzer von WhatsApp sind ja zahlenmäßig in der Bundesrepublik schon stärker vertreten als die von Facebook. Also, es zeigt sich, dass da im Prinzip riesige Datenmengen dann hin- und hergeschoben werden können.
    Klein: Welche Möglichkeiten habe ich denn als Nutzer jetzt tatsächlich, mich dagegen zur Wehr zu setzen oder zu schützen?
    Caspar: Sie haben eigentlich sehr wenig Möglichkeiten, als Nutzer sich dagegen zur Wehr zu setzen, zumal Sie ja mit der Weiternutzung des Netzwerks im Prinzip dann in diese neuen Datenschutzbestimmungen, in Anführungszeichen, einwilligen. Insofern gibt es wenig Möglichkeiten, sich zu schützen. Die Möglichkeit etwa, einen Extrabrowser aufzurufen für die Nutzung von Facebook, kann natürlich dann auch dazu führen, dass ein Tracking über die Webseiten außerhalb von Facebook dann nicht mehr möglich wird, ist aber eher eine Hilfskrücke, die nicht wirklich nutzerfreundlich ist.
    Klein: Wir sprechen ja mit Ihnen, Herr Caspar, weil das Land Hamburg zuständig für Facebook ist, weil die Facebook Germany GmbH ihren Sitz in Hamburg hat. Was jetzt sozusagen da Konsequenzen angeht, wie relevant ist das denn? Oder haben deutsche Behörden in Wahrheit da gar keine Einflussmöglichkeiten?
    Caspar: Na ja, wenn es nach Facebook ginge, dann würde das so sein. Facebook ist ja der Meinung, dass deutsches Recht hier nicht Anwendung findet, dass also in Europa ausschließlich die gesamten Aktivitäten von Facebook über irisches Recht dann gesteuert werden. Sodass also im Endeffekt dann der irische Datenschutzbeauftragte allein im Prinzip für Facebook zuständig ist. Das sehen wir anders, das sehen wir vor allem anders vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils zu Google Spain, wo eben auch deutlich gesagt wurde, dass ein solcher Internetkonzern, der eine Niederlassung in dem jeweiligen Land hat, auch an das Gesetz und an die Rechte in diesem Land gebunden ist. Und insoweit ist das bei Facebook aus unserer Sicht nichts anderes. Und Facebook mag das nicht so sehen, aber ich denke, dass im Zweifel das eben auch einer rechtlichen Klärung zugeführt wird. Im Übrigen müssen wir auch natürlich die Klärung auf europäischer Ebene abwarten und wir werden das auch tun, mit unseren Kollegen darüber sprechen und in den anderen Ländern, in den anderen Mitgliedsstaaten, um eben eine einheitliche Antwort auf diese Datenschutzbestimmungen jetzt zu bekommen.
    Klein: Das heißt, es muss eine einheitliche Linie auf europäischer Linie erst mal erzielt werden, um dann möglicherweise auch Facebook da zu Maßnahmen zu zwingen, oder wie ist das?
    Caspar: Na ja, es macht sehr viel Sinn. Wir hatten diese Diskussion ja dann auch gerade vor nicht allzu langer Zeit mit Blick auf die Änderung der Privatsphäre-Einstellungen von Google, da ging es ja auch um eine europäische Klärung, die natürlich eine klare, eine deutliche Antwort eben dann auch ist. Für so ein Unternehmen, das international agiert, ist es natürlich immer etwas anders, wenn sich ein Markt von fast einer Milliarde Menschen dann letztlich zu einer Stellungnahme durchringt, als wenn es dann ein Einzelner ist. Und wir sind auch der Meinung, dass wir in einer kohärenten Weise unsere Datenschutzregeln in Europa auch stützen sollten. Das macht schon Sinn.
    Klein: Die Datenschützer, ich habe es erwähnt, melden nicht zum ersten Mal Bedenken an. Auf der anderen Seite ist es ja offensichtlich so, dass Millionen und Abermillionen Nutzer weltweit damit keine Probleme haben und noch nie eins hatten. Fühlen Sie sich da inzwischen in diesem Punkt als eine Minderheit der Bedenkenträger, die da gar nicht mehr als relevant empfunden wird, jedenfalls von vielen, vielen Menschen, die das ja alles in Kauf nehmen?
    Caspar: Na ja, eins ist klar, dass viele Menschen Facebook nutzen und ähnliche Unternehmen auch genutzt werden und wir natürlich auch immer wieder darauf aufmerksam machen, dass man auf Datenschutzfragen hier in diesem Zusammenhang achten muss. Ich denke, viele Menschen sehen aber auch, die diese Unternehmen nutzen, die Problematik, die bei dieser Nutzung entsteht, nur dass es eben für diese Menschen häufig überhaupt nicht möglich ist, diese Unternehmen zu wechseln. Wir haben eben das Problem, dass es sich bei vielen Internetunternehmen um monopolartige Dienstleister handelt, die man nicht von heute auf morgen verlassen kann. Und insofern ist natürlich auch ein großes Bedürfnis da, dass man diese Menschen auch begleitet, dass man sie aufklärt und dass man auch eben für sie den Datenschutz mit diesen Unternehmen verhandelt. Und dass es eben klar wird, dass hier auch nicht letztlich diese Unternehmen schalten und walten können, wie sie gerne möchten.
    Klein: Aber niemand wird gezwungen, sich bei Facebook anzumelden. Es heißt, all die, die das als kritikwürdig empfinden, könnten da einfach die Mitgliedschaft kündigen und dann wäre der Druck von der Seite sicherlich relativ wirkungsvoll ausgeführt. Aber das passiert ja nicht.
    Caspar: Ja, das ist eben das große Problem. Wenn Sie ein solches Unternehmen wechseln könnten wie Ihre Telefongesellschaft, dann hätten wir ganz andere Strukturen. Wenn es möglich wäre, ein anderes soziales Netzwerk etwa anzusteuern, wo dann eben auch die Freunde alle mitkommen können, dann hätten wir, glaube ich, da gar keine Probleme. Das ist in diesem Marktbereich eben nicht der Fall. Und insofern setzen wir uns auch stark ein für die Idee einer Portabilität von Daten. Das wird gegenwärtig ja auch in der EU-Datenschutzgrundverordnung geprüft, diese Frage, und es soll ja auch geregelt werden, dass es durchlässiger wird, das System, und dass eben dann entsprechend auch Daten mit den Menschen mitgehen können und dass dann auch mehr Wettbewerb und dann eben auch mehr Datenschutz am Ende Platz greift.
    Klein: Soziale Netzwerke dieser Art bieten ja aus Sicht der Nutzer viele Vorteile und teilweise ist es für manchen kaum noch möglich, sich da rauszuhalten, weil bestimmte Informationen nur noch so oder nur noch auf diesem Wege so schnell empfangen und verbreitet werden können. Nun ist auch deutlich, dass wir in Deutschland besonders große Bedenken haben, was Datenschutz angeht, einfach aufgrund unserer historischen Erfahrungen. Muss man an der Stelle auch sagen, dass wir da ein neues Denken brauchen, was da möglicherweise nicht mehr so empfindlich reagiert, weil die Gefahr eben nicht mehr von Staaten kommt, sondern von Wirtschaftsunternehmen, wo natürlich mehr Einflussmöglichkeiten vorhanden sind?
    Caspar: Nein, das glaube ich gar nicht. Ich finde es eher positiv, dass wir in Deutschland eben ein sehr sensibles Verhältnis zum Datenschutz haben, ein sehr wichtiges Verständnis eben entwickeln für das informationelle Selbstbestimmungsrecht. Das liegt natürlich an der Historie, an zwei Diktaturen einerseits, es liegt aber auch eben daran, dass wir sehen müssen auch in unserer heutigen Welt, dass es eben nicht nur Wirtschaftsunternehmen sind, die auf der einen Seite Daten sammeln, und auf der anderen Seite eben letztlich der Staat, der diese reguliert, nein, es geht darum, dass der Staat sich ja auch durch die Geheimdienste, durch die Nachrichtendienste eben gerade an diesem Riesenpool von Daten bedient. Und was wir eben im Zusammenhang mit den Enthüllungen von Snowden über die NSA in Erfahrung gebracht haben, ist klar, hier gibt es ein Programm, das heißt PRISM, und in diesem Programm sind eben die gesamten großen Internetdienstleister der USA mit im Feld drin. Und dort werden Daten auch von den Geheimdiensten abgezapft. Das heißt, die Möglichkeit, mit Daten etwas zu tun, ist ungleich höher, als das der Fall war, als wir noch der Meinung waren, nur die Unternehmen selbst könnten damit etwas tun. Es geht eben auch um staatliche Zugriffe, die rechtsstaatlich sehr problematisch sind.
    Klein: Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar über die neuen Nutzungsbedingungen bei Facebook.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.