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Facebook, Twitter und Co.

Soziale Netzwerke sind längst zum digitalen Alltagsphänomen geworden: Etwa 75 Prozent aller Deutschen unter 30 Jahren nutzen Facebook, StudiVZ oder ähnliche Angebote.

Von Nadine Lindner |
    "So ich bin jetzt auf der Startseite von Facebook. Da muss man sich anmelden mit einer E-Mail-Adresse und einem Passwort."

    Sina ist 24 und Studentin in Leipzig. Wie jeden Tag besucht sie die Seite von Facebook, einem sozialen Netzwerk im Internet.

    "Dann öffnet sich eine Startseite, da kann ich schauen, was alle Menschen, mit denen ich befreundet bin, was die gerade so machen. Das heißt, die geben Statusmeldungen ab. Aha, die Petra hat eine Wohnung gefunden und freut sich drüber."

    Sie schreibt einen kleinen Kommentar, beglückwünscht die Freundin zu neuen Wohnung und fragt, wo sie hingezogen ist. Ein paar Zeilen nur.

    Sina ist eine von rund drei Millionen Deutschen, die sich bei Facebook registriert haben. Weltweit sind es etwa 250 Millionen.
    Jan Hinrik Schmidt erforscht digitale interaktive Netzwerke am Hans-Bredow-Institut in Hamburg:

    "Seit einigen Jahren gibt es im Internet Angebote, Plattformen, die auch als Netzwerkplattformen bezeichnet werden, wo Nutzer sich selber präsentieren, in dem sie ein Profil anlegen. Das ist dann eine Seite, wo bestimmte Informationen über eine Person abgefragt werden, Name, Geschlecht, Hobbys, aber auch so was wie berufliche Kompetenzen."

    Mit diesen Profilen stellen die Nutzer dar, wie sie sich selber sehen und wie sie von anderen gesehen werden möchten, Sport, Kultur, Reisen spielen eine große Rolle. Dazu werden in einer Liste alle Kontakte des Users angezeigt, mit denen er sich auf der Plattform angefreundet hat.

    "Ich selber registriere mich auf der Plattform und suche nach Kollegen oder alten Schulfreunden. Und wenn die ebenfalls auf der Plattform registriert sind, kann ich sagen, ich möchte Person xy zu meinen Freunden oder Kontakten hinzufügen."

    Nach Studien von Jan Hinrik Schmidt hat jeder Nutzer im Durchschnitt 130. Dabei geht es um Beziehungsmanagement, jeder Nutzer kann sehen, wer zu den Kontakten zählt. Sina erklärt, warum auch sie über 100 Facebook-Freunde hat:

    "Das sind Freunde, die ich alle schon vorher kannte, die ich von der Schule her kenne. Das sind Kontakte, die man noch mal reaktiviert hat. Wo die E-Mail-Adresse nicht mehr stimmt. Das sind Leute, die ich aus der Uni kenne oder von Praktika. Leute, die man schnell findet, wenn man ihren Namen eingibt, von denn braucht man nicht die E-Mail-Adresse."

    Über die sogenannten Statusmeldungen kann sie verfolgen, was ihr digitaler Freundes- und Bekanntenkreis gerade so macht. Eine neue Wohnung, ein neuer Job oder nur ein spontaner Gedanke, all das kann sie mitlesen, ohne direkt mit ihren Bekannten zu kommunizieren. Bei Bedarf kann sie sie ohne großen Aufwand kontaktieren. Ein Vorteil, findet sie:

    "Genau, man hat immer so das Gefühl, ich sehe die Leute jetzt vielleicht gerade nicht, aber ich weiß trotzdem, was die machen."

    Neben dieser Plattform aus den USA gibt es noch zahlreiche weitere soziale Netzwerke. In Deutschland sind vor allem die Angebote der VZ-Gruppe populär, dazu zählen SchülerVZ, StudiVZ und meinVZ. VZ steht hierbei für Verzeichnis. Weitere Seiten heißen wer-kennt-wen.de oder lokalisten.de. Die Mitgliederzahlen schwanken zwischen rund 13 Millionen der VZ-Gruppe und 2,8 Millionen der Lokalisten.

    Besonders für unter 30 Jährige sind diese Netzwerke interessant. Laut ARD/ZDF-Onlinestudie sind rund 75 Prozent dieser Altersgruppe Mitglied in mindestens einer Plattform. Auffällig bei den deutschen Angeboten ist, dass sie alle zu großen Medienkonzernen gehören. Für sie sind die privaten Daten der meist jungen Zielgruppe attraktiv – unter anderem für personalisierte Werbung.
    Sina achtet deshalb darauf, sehr sparsam mit ihren Angaben umzugehen.

    Soziale Netzwerke im Internet sind aber nicht ausschließlich für den privaten Austausch bestimmt: auf der Plattform Xing geht es in erster Linie um geschäftliche Kontakte.

    Acht Millionen Mitglieder hat Xing weltweit, davon etwa die Hälfte im deutschsprachigen Raum. Ähnlich wie die sozialen Netzwerke funktioniert Xing über Profile mit Angaben zu Firma und Beruf. Auch Martin Müller ist dabei, seit sechs Jahren schon.

    "Es geht um Jobs, aber auch um Aufträge. Man kann seinen Status auf arbeitssuchend stellen oder sagen, dass man eine neue Herausforderung sucht. Dann gibt man noch die Branche und die Postleitzahl an. Und dann kann es sein, dass einen ein Headhunter oder Personalvermittler kontaktiert und sagt, dass er ein Angebot hat."

    Der selbstständige Finanzmakler hat mittlerweile über 7000 Kontakte gesammelt. Sie sind geordnet nach Branchen und Städten, dazu vermerkt er noch, wie gut er eine Person kennt. Das Netzwerk nutzt er, um sich mit anderen auszutauschen oder um Aufträge zu vergeben:

    "Ich habe Visitenkarten gebraucht. Und dann habe ich über xing 15 Anfragen rausgeschickt. Das erste Angebot kam nach fünf Minuten."

    Allerdings sagt auch er, dass kein Netzwerk den persönlichen Kontakt ersetzen kann:

    "Natürlich ist man nie davor gefeit, dass ein Blender ist, die gibt es überall. Aber man sollte die Kontakte über Xing aufbauen, nicht direkt die Geschäfte vergeben und dann später den Kontakt auch persönlich kennenlernen."

    In größeren Städten gibt es daher regelmäßig Stammtische oder Branchentreffen von xing. Online-Kontakte sollen ins reale Leben übertragen werden und andersherum.

    Ein dritte Variante ist die Plattform twitter, die ebenfalls aus den USA kommt. Übersetzt heißt das soviel wie Gezwitscher. Die Informationen kommen in Häppchen ins Netz, die Mitteilungen haben nur 140 Zeichen, kürzer als eine sms.

    Henrik Zörner ist Pressesprecher des Deutschen Journalistenverbandes, kennt die Seite und vergleicht sie gern mit einer Pinnwand, an der jeder seine kurzen Notizen hinterlassen kann:

    "Sie können alles Mögliche erzählen, Dinge aus dem privaten Bereich, Grüße, aber auch Hinweisen auf ein politisches wichtiges Ereignis. Der Unterschied zur sms ist, dass sie nur von einem empfangen wird. Twitter dagegen wird von vielen Menschen gelesen."

    Die Plattform ist für ihn ein guter Hinweisgeber auf Themen, die aktuell wichtig sind, wie zum Beispiel bei den Protesten im Iran. Allerdings habe das nichts mit Journalismus zu tun – niemand könne wissen, ob die Informationen der Wahrheit entsprächen.

    "Die Gefahr ist, dass Privates, Öffentliches und Meinung so verwoben werden, dass am Ende keiner mehr weiß, was stimmt denn jetzt eigentlich, auf was kann ich mich verlassen."

    Henrik Zörner gibt allerdings auch zu bedenken, dass die klassischen Massenmedien, ihr Monopol auf Informations- und Meinungsbildung verloren hätten - und nun ihren Weg ins Web 2.0 finden müssten.

    Ob Facebook, StudiVZ, Xing oder Twitter, für Medienforscher Jan-Hinrik Schmidt sind das Namen, die man sich merken sollte, weil sie das Geschehen im Internet auch weiterhin prägen werden:

    "Ich glaube nicht, dass es überschätzt wird. Unsere Umfrage hat ergeben, dass drei Viertel der zwölf- bis 24-Jährigen das täglich nutzen. Es geht nicht um einen Hype oder ein Nischenphänomen. Die Technik, das Identitäts- und Beziehungsmanagement wird nicht mehr verschwinden."