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Fachwechsel von Geisterhand

Eine Studentin, die sich an der Uni Mainz für Amerikanistik und Literaturwissenschaften eingeschrieben hatte, musste bei der bisherigen Organisation ihres Bachelorstudiums so manche Hürde überwinden. Eine der ärgerlichsten: Ein Computerprogramm ändert eigenwillig ihre Fächerkombination.

Von Ludger Fittkau |
    Ihren richtigen Namen verschweigt sie - nennen wir sie Ester N. Im zweiten Semester studiert Ester N. in Mainz Amerikanistik und Literaturwissenschaften. Für dieses Bachelor-Studium ist sie extra aus Norddeutschland ins Rhein-Main-Gebiet gezogen. Doch was sie bisher bei der Organisation ihres Studiums erlebt hat, ärgert Ester N. Sie kämpft beispielsweise mit dem Computerprogramm "JOGU-Stine" - über das die belegten Kurse und die erreichten Noten verwaltet werden:

    "Kompliziert ist die Sache auch deshalb, weil man nicht weiß, ob das, was man da auf seinem Bildschirm sieht, auch stimmt. Denn teilweise ist man dann angemeldet zu Kursen, aber das kommt bei den Dozenten nicht an oder das Programm meldet einen selbstständig wieder ab oder das Programm erkennt Leistungen nicht an, das heißt, man kommt nicht in die nächsten Kurse, das heißt, man muss eigentlich immer hinterher rennen, dass das auch alles stimmt."

    Manchmal ist "JOGU-Stine" nicht mit der Fächerkombination zufrieden, die Ester N. belegt hat - und ändert auf dem Bildschirm kurzerhand die belegten Studienfächer:

    "Es gibt die unterschiedlichsten Probleme, teilweise ganz obskure Sachen. Mir ist es passiert, wie vielen meiner Freunde, dass wir plötzlich alle das Nebenfach evangelische Theologie hatten. Unsere Nebenfächer waren plötzlich weg und wir haben plötzlich alle das studiert. Dann sitzt man vor dem Computer und denkt sich: Huch, was ist denn jetzt los?"

    Das denkt sich nun auch Dr. Bernhard Einig, Abteilungsleiter für Studium und Lehre an der Uni Mainz. Er ist verantwortlich für "JOGU-Stine" und vor allem die Sache mit den verschwundenen Noten beunruhigt ihn, denn das habe es schon ab und zu mal gegeben und man wolle eine doppelte Buchführung auf Papier künftig vermeiden:

    "Und insofern, das hat schon eine gewisse Dramatik und wir sind da sehr, sehr hellhörig. Wenn wir hören, es ist etwas verschwunden, dann versuchen wir, dem nachzugehen. Weil wir ja gerade anstreben, dass diese doppelte Buchführung nicht mehr passiert."

    Bernhard Einig wünscht sich, Ester N. möge in seinem Büro vorbeikommen und ihm die Sache nochmals detailliert schildern. Wenn sie das tut, könnte sie ihm auch folgende Geschichte noch mal erzählen, die sie ebenfalls im ersten Semester erlebt hat:

    "Ich war erkrankt, in der Klausurenwoche und dann habe ich festgestellt, dass hier verlangt wird, ein illegales Attest anzubringen. Das heißt, auf dem Attest soll drauf stehen, was man genau hat. Ich habe dann meinen Arzt gefragt und der war ganz entsetzt und hat gesagt, kein seriöser Arzt würde so was machen, weil das illegal ist. Ich habe dann hier nachgefragt und dann wurde gesagt: Ja, die meisten drücken da schon ein Auge zu aber es kann sein, dass jemand dieses Attest, wo alles draufsteht, verlangt. Ich habe dann gesagt: ja gut, das kann ich leider nicht leisten und werde ich auch nicht tun."

    Und das braucht sie auch künftig nicht mehr, versichert Bernhard Einig aus der Mainzer Univerwaltung, Denn es gebe nun in dieser Sache eine Änderung der Rechtsauffassung des Landes Rheinland-Pfalz:

    "Und sie sagt, dass der Arzt künftig mitteilen kann, der Student, die Studentin ist erkrankt, die Prüfungsunfähigkeit liegt vor und im wiederholten Falle oder wenn tatsächlich begründete Zweifel vorliegen, kann künftig auch ein Amtsarzt hinzugezogen werden."

    Bleibt der Zorn, den Ester N. ganz grundsätzlich angesichts der Umsetzung des Bologna-Prozesses in ihrem Fach Amerikanistik an der Uni Mainz empfindet:

    "Dass es so chaotisch ist, hätte ich aber auch nicht gedacht. Man geht ja das Erstsemester zu den ganzen Informationsveranstaltungen hin und glaubt dann auch erstmal, was da erzählt wird. Dass die Dozenten teilweise gar nicht in die neuen Studienordnungen geguckt haben und selber nicht wissen, wie sie es machen sollen, das erfährt man dann eben so nach und nach."

    Die Studierendenproteste der letzten Monate seien teilweise mit ihren Forderungen an den Alltags-Problemen der Bologna-Reform vorbeigegangen, glaubt Ester N. Jetzt sei es schwierig, erneut Protest zu organisieren, der womöglich dann noch mehr aufs Kleingedruckte der Reform zielen müsste:

    "Das Ding ist eben, die Proteste haben nicht das gefordert, was hier wirklich vonnöten ist. Also da ging es eben um das Plakative, dass man keine Studiengebühren zahlen will und so weiter, aber es geht einfach darum, dass man überhaupt studieren kann. Das die Organisation des Studiums funktioniert. Unter den Kommilitonen ist die Stimmung eigentlich eher lethargisch, weil man so weinig Zeit hat und die Energie nicht aufbringt. Was man natürlich tun sollte, aber wenn man dann weiß, ich verliere wieder ein Semester und wieder eins und soll eigentlich in sechs Semestern fertig sein, da ist so ein Protest zu organisieren, schwierig. Weil eigentlich alle denken, ich will hier nur so schnell wie möglich fertig werden."