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Fälschungsskandal in Frankfurt

Nachdem sich der Frankfurter Anthropologe Rainer Protsch von Zieten in den Ruhestand hat versetzen lassen, ist die Universität auch mit der institutionellen Aufarbeitung der Affäre beschäftigt. Am Donnerstag waren Teile des schon länger vorliegenden internen Untersuchungsberichts veröffentlicht worden. Danach geht die Kommission davon aus, dass Protsch seit Jahrzehnten Untersuchungen verfälscht, und sich fremde Ergebnisse zu Unrecht angeeignet hatte.

Von Gudula Geuther | 18.02.2005
    Im Mittelpunkt steht die Fehldatierung von Schädelfunden. Der Kommissionsvorsitzende Ulrich Brandt betont, dass es dabei weder um strafrechtliche Vorwürfe noch um die bloße wissenschaftliche Richtigkeit der Angaben ging:

    Es kann in der Wissenschaft immer passieren, dass Fehler passieren, dass auch in dieser krassen Weise Fehlbestimmungen von experimentellen Daten stattfinden. Solange es dafür eine plausible Erklärung gibt und diese Fehler sozusagen nach den Regeln einer guten wissenschaftlichen Praxis entstanden sind, ist das in gewisser Weise noch in Ordnung. Es ist dann schlimmstenfalls schlechte Wissenschaft. Ernst wird es, wenn solche Fehler passieren, weil fahrlässig oder manchmal einfach nur schlampig oder gar vorsätzlich Daten verfälscht oder gar erfunden wurden.

    Die Kommission wirft auch der Universität vor, nicht rechtzeitig eingeschritten zu sein. Spätestens vor 21 Jahren sei massives Fehlverhalten bekannt geworden, dem seien frühere Hochschulleitungen nicht ausreichend nachgegangen, die lediglich - damals ergebnislos - strafrechtlich relevante Verfehlungen untersucht hätten. Instrumente und Institutionen zur internen Untersuchung hätte es lange Zeit nicht gegeben, so Brandt.

    Vielleicht gab es ja solche Probleme auch damals in so geringem Umfang, dass es vielleicht lange Zeit nicht nötig war. Die Sensibilität in der deutschen Wissenschaft gestiegen ist dann eben Ende der neunziger Jahre, als es eben da spektakuläre Fälle gab. Und dann sind eben die Hochschulrektorenkonferenz, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Max-Planck-Gesellschaft sehr aktiv geworden und haben auch Richtlinien herausgelassen und da muss man sagen, hat die Universität Frankfurt sofort reagiert und unsere Kommission, die gibt es ja auch seit 1998.

    Protsch von Zieten hatte schon in den vergangenen Wochen in Medienberichten die Untersuchungsergebnisse von sich gewiesen. Weitere disziplinarrechtliche Maßnahmen will die Universität nach Abschluss der staatsanwaltlichen Ermittlungen prüfen. Im Raum steht insbesondere die Aberkennung des Ruhegehaltes.

    Das weitere Schicksal des Lehrstuhls ist jetzt offen. Die Universitätssprecherin Britta Schemmann erklärte, wie bei jedem Wechsel werde das wie und auch das ob der Fortführung geprüft. Die kommissarische Leiterin des Instituts für Anthropologie und Humangenetik, Anna Starzinski-Powitz, verwies auf einen Beschluss des Fachbereichsrats, nach dem das Institut ohnehin aufgelöst und der Fachbereich umstrukturiert werden soll. Protsch von Zietens vorzeitige Versetzung in den Ruhestand habe das lediglich beschleunigt. Eine akademische Rätin sei in den Bereich der Didaktik versetzt worden. Vor allem betroffen ist aber ein Doktorand: Er hatte sich gerade mit den Schädelfunden beschäftigt. Ulrich Brandt:

    Das liegt daran, dass diese Promotion auf einer jüngeren Datierung beruht, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht richtig durchgeführt wurde und wo inzwischen auch ein externes Labor nachgewiesen hat, dass sie ebenfalls wieder um, na ja, zigtausend Jahre daneben liegt.

    Auch sein Vertrag wurde aber nach Angaben Starzinski-Powitz' verlängert, er arbeitet bereits an einem neuen Thema. Entsprechende Vorfälle sollen nun an der Frankfurter Uni vor allem durch ein geschärftes Bewusstsein der Wissenschaftler vermieden werden, so Brandt.

    Was uns eben aufgefallen ist: Dass viele Kollegen in der Universität ganz erstaunt sind, dass es so eine Kommission gibt. Es werden jetzt alle neuen Mitarbeiter im wissenschaftlichen Bereich der Universität, insbesondere natürlich die neu berufenen Professoren ausdrücklich noch einmal auf diese Regularien hingewiesen und darüber informiert und auch auf mögliche Konsequenzen hingewiesen.