Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Fair-Trade-Kosmetika
Neues Siegel für Lippenstifte und Cremes

Kaffee, Lebensmittel oder Textilien - sie sind seit Jahren als Faire-Trade-Produkte erhältlich. Nun kommen auch fair gehandelte Kosmetika hinzu. Ein eigenes Siegel soll ihren Marktanteil erhöhen. Dass es erst jetzt eingeführt wird, hat mehrere Gründe.

Von Thomas Wagner | 14.04.2014
    Eine Hand entnimmt am 25.06.2013 in einer Filiale der Parfümeriekette Douglas in Frankfurt am Main (Hessen) einen Lippenstift aus einem Regal.
    Zum Siegel dazu gehört eine ergänzende Auflistung jener Inhaltsstoffe, die tatsächlich fair gehandelt worden sind und deren Anteile am Gesamtprodukt. (Arne Dedert / dpa)
    "In dem Fall ist das, was Sie da in der Hand halten, eine Feuchtigkeitscreme, die auch eine schöne maskierende Eigenschaft besitzt. Hier haben wir Olivenöl im Wesentlichen verarbeitet. – Ich habe gesehen, Sie haben auch Kakao-Butter."
    Oliver Gothe, Inhaber des Kölner Unternehmens "fair squared", am Stuttgarter Messestand im Gespräch mit einer Kundin. Die erkundigt sich nach Kosmetika. Bedingung: Die Produkte müssen fair produziert und gehandelt werden. Oliver Gothe wird fündig, zeigt auf Lippenstift, Sonnen- und Gesichtscremes. Daneben ein kleines Schildchen mit der Aufschrift "Fair traded":
    "'Fair traded' heißt, dass wir die Inhaltsstoffe weitgehend aus einem fairen Handel beziehen. Das bedeutet zum Beispiel aus Olivenöl, das wir aus Palästina, aus Kanaan bezogen haben. Jedes Fass Olivenöl, das wir einsetzen, ist erst mal gut."
    Denn: Ein erklecklicher Anteil des Erlöses werde tatsächlich an die Olivenbauer in Palästina überwiesen; es gebe nur einen einzigen Zwischenhändler. Und: Der gesamte Produktions- und Vertriebsprozess sei transparent. Nur wenige Meter weiter der Messestand von Udo Reinhardt aus Balingen vom Kleinunternehmen "Gafro"; das steht für "Good African Product":
    "Der Grundstoff ist die Nuss des Marula-Baums. Sämtliche Ingredienzen werden in Südafrika und in Swasiland zusammengestellt und dann zu mir nach Deutschland exportiert."
    Verschwindend geringer Marktanteil
    Udo Reinhardt verkauft die Marula-Extrakte als Hautöl, Peeling, Body-Lotion und Seifen. Auch bei ihm der Hinweis darauf, dass die Produkte fair gehandelt werden. Die allerdings haben hierzulande einen verschwindend geringen Marktanteil von unter einem Prozent. Der Kölner Verein "TransFair e.V." hat sich zum Ziel gesetzt, dies zu ändern – durch ein eigenes "Fairtrade"-Siegel für Kosmetika.
    "Alles das, was an Fair-Trade-Rohstoffen gehandelt wird, muss an Fair-Trade-Rohstoffen drin sein. Wir haben über 200 Bestandteile: Das geht von Kakao bis zu Ölen, Nüssen, Mandeln, die von der Kosmetikindustrie genutzt werden."
    So Dieter Overath, Geschäftsführer von TransFair Köln. Das heißt: Es geht um Produkt wie Nüsse oder Öle, die ohnehin schon als fair gehandelte Lebensmittel auf dem Markt sind. Werden sie zu Kosmetika verarbeitet, dürfen diese zukünftig, nach entsprechender Zertifizierung durch Transfair, mit dem neuen Siegel ausgezeichnet werden. Dass dieses Siegel jetzt erst eingeführt wird, Jahre nach dem entsprechenden Label für fair gehandelte Lebensmittel, hat allerdings gleich mehrere Gründe, über die Transfair die Verbraucher nicht im Unklaren lassen will. So bestehen Kosmetika zumeist nur teilweise aus fair gehandelten Inhaltsstoffen, so gut wie nie zu 100 Prozent. Deshalb lesen die Verbraucher auf dem neuen Siegel auch den Zusatz:
    "Enthält Fair-Trade-Bestandteile für Kosmetikprodukte, wo eben diverse Fair-Trade-Produkte drin sind. Wir wollen damit klar machen, dass nicht alle Inhaltsstoffe 'fair' sind. Kosmetika enthält ja viel Wasser und Inhaltsstoffe ..."
    ...die grundsätzlich nicht als "Fair-Trade-Produkte" zu haben sind, für die Kosmetika-Produktion aber unerlässlich sind. Deshalb sagt das Fair-Trade-Siegel bei Kosmetika alleine noch nicht allzu viel aus. Zum Siegel dazu gehört eine ergänzende Auflistung jener Inhaltsstoffe, die tatsächlich fair gehandelt worden sind und deren Anteile am Gesamtprodukt. Daneben kennt der Balinger Händler Udo Reinhardt noch einen weiteren Grund dafür, dass es mit fair gehandelten Kosmetika bis zur Markteinführung so lange gedauert hat.
    "Das hat sicherlich auch mit dem Knowhow in den Ländern selber zu tun. Nehmen wir Swasiland: Das ist ein Land so groß wie Sachsen. Das kennt fast kein Mensch. Dort ist schlicht und ergreifend das Knowhow noch nicht so ausgebildet, um eine komplette Kosmetikserie aufzubauen."
    Nischenprodukt
    Deshalb hält es Udo Reinhardt für wichtig, dass ein Teil des Erlöses von Fair-Trade-Kosmetika auch in die Aus- und Weiterbildung der Erzeuger in den Herkunftsländern investiert wird. Sind die Bauern im südlichen Afrika oder in Palästina erst einmal in der Lage, nicht nur die Rohprodukte zu liefern, sondern diese auch nach westeuropäischen Qualitätsstandards zu verarbeiten, dürfte sich auch das Angebot an Fairtrade-Kosmetika auf dem deutschen Markt ausweiten. Der Kölner Oliver Gothe sieht beim Marktanteil einen großen Spielraum nach oben.
    "Ich glaube realistisch, dass Kosmetik mit fair gehandelten Inhaltsstoffen immer eine Nische bleiben wird. Wenn wir es aber schaffen, fünf Prozent der Verbraucher davon zu überzeugen, dann ist das ein gutes Ergebnis."
    Das halten die meisten Fachleute für realistisch. Denn: Häufig sind es Kleinbauern oder Genossenschaften in überschaubaren Größenordnungen, die die Basisstoffe herstellen, in aller Regel sehr naturnah, ohne Chemie. Das kombiniert mit dem Wissen um fairen Handel dürfte bei vielen Verbrauchern auf gute Resonanz stoßen. Ulrike Haug, Messebesucherin in Stuttgart:
    "Für mich ist es mehr Wissen, dass die Leute, die die Zutaten produziert haben, die Inhaltsstoffe, dass die halt gut bezahlt werden und davon leben können. Und natürlich ist es mir auch wichtig, dass das, was ich mir da auf die Haut schmiere, Naturkosmetik ist und keine synthetischen Stoffe."