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Fallende Blätter und fliegende Roboter

Physik. - Warum Fliegen, Libellen oder Hummeln fliegen können, obwohl sie nicht gerade stromlinienförmig sind und viel zu kleine Flügel haben, diese Frage bewegt nicht nur Biologen, sondern auch Luftfahrtingenieure. Sie versprechen sich zum Beispiel Anregungen für die Konstruktion kleiner Flugroboter. Dafür haben sie jetzt das so genannte Große Einheitliche Fliegenmodell entwickelt.

Von Sascha Ott |
    Im Herbst wird Jane Wang ständig an ihre Arbeit erinnert. Denn jedes Blatt, das von den Bäumen fällt und zu Boden segelt, ist für die Mathematikerin im Grunde ein Studienobjekt. An der Cornell University in New York versucht sie, das Flugverhalten von Libellen mit Hilfe der fallenden Blätter zu verstehen. Denn ihr war eine Parallele aufgefallen.

    " Es ist die Verknüpfung von Auf-und-ab-Bewegung und Kippbewegung, durch die eine Libelle fliegt. Genauso ist es bei einem fallenden Blatt Papier: Durch die Kombination aus Herunterfallen und ständigem Kippen um die Achse fällt das Blatt viel langsamer, als wenn es einfach wie ein Fallschirm fallen würde."

    Die Idee von Jane Wang ist nur ein Beispiel für die Vielfalt der Ansätze, mit denen der Insektenflug untersucht wird. Und fast nie handelt es sich dabei um reine Grundlagenforschung. So könnte die Arbeit der New Yorker Mathematikerin die Grundlage bilden für eine neue Generation von Flugmaschinen: Denn durch die Flügelbewegungen nach dem Vorbild der Libelle lässt sich eine hohe Manövrierfähigkeit bei gleichzeitig großer Stabilität erreichen. Die Erforschung des Insektenflugs tritt jetzt in seine entscheidende Phase, betont Michael Dickinson vom California Institute of Technology.

    " Wir verstehen schon eine Menge davon, wie Flügel aerodynamische Kräfte erzeugen, wie die Muskeln arbeiten, wie die Augen und anderen Sinne funktionieren. Aber um den Flug wirklich zu verstehen, müssen wir wissen, wie all diese Elemente zusammenwirken."

    Der Neurowissenschaftler hat sich für seine Studien ein besonders kleines Flugobjekt ausgesucht: die Fruchtfliege. Ihr Körper ist nur gut zwei Millimeter groß, aber durch 200 Flügelschläge pro Sekunde manövriert sie erstaunlich geschickt durch die Luft. Seit Jahren untersucht Dickinson die unterschiedlichen Talente dieses winzigen Flugwunders und hat daraus GUFM entwickelt, das "Great Unified Fly Model".

    " Neue Ergebnisse aus unserem Labor kommen von dem, was wir das große vereinheitlichte Fliegenmodell nennen. Das ist unser erster Versuch, die komplizierte Simulation eines Insekts zu bauen, das nicht nur flattert und in der Luft bleibt, sondern sich dort auch zurecht findet mit Sinnen, die ein Insekt auch wirklich hat."

    Das Modell kombiniert Simulationen im Computer mit Flugmodellen im Labor. Als eines der ersten Ergebnisse konnten die Forscher erklären, wie Fliegen beschleunigen. Sie dehnen ihren Körper aus, verlagern ihren Schwerpunkt und erzeugen dadurch eine Kippbewegung nach vorne. Dann bewirkt der Flügelschlag einen Vorwärtsschub. Dickinsons Arbeit wird aufmerksam verfolgt. Denn das wissenschaftliche, aber auch militärische Interesse, darauf aufbauend winzige Flugroboter zu bauen, ist enorm.

    " Etwas in die Luft zu bringen, ist nur der erste Teil des Problems. Um es lange oben zu halten, braucht man effiziente Batterien. Um nicht abzustürzen, braucht man raffinierte Sensoren, die die Bewegung solch eines Insekts steuern. Es gibt also eine Menge Hürden, aber ich bin optimistisch, dass solche Geräte möglich sein werden."

    Vor dem Griff zur Fliegenklatsche sollte man sich also vielleicht einmal genauer anschauen, was da in der Küche um die Lampe fliegt. Denn von Insekten lernen, heißt fliegen lernen.