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Familiennachzug
Der Scheinkompromiss

Die Koalition legt ihren Streit über den Familiennachzug bei: Man habe eine Lösung gefunden, erklären nun Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD). Doch wirklich viel getan hat sich nicht.

11.02.2016
    Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD)
    Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) (picture alliance/dpa/Bernd von Jutrczenka)
    An den Beschlüssen der Koalition werde nichts geändert, so die beiden Minister. Es gebe aber die Möglichkeit, in Härtefällen auch bei minderjährigen Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutz einen Nachzug der Eltern zu erlauben. Über das Vorliegen eines Härtefalls entscheide "bei dringenden humanitären Gründen" das Auswärtige Amt im Einvernehmen mit dem Innenressort.
    "Wir haben eine vernünftige Lösung gefunden - ohne die Beschlüsse der Koalition zu ändern", erklärte Maas, der die Einigung alleine in Berlin vorstellte. Für schutzbedürftige minderjährige Flüchtlinge ermögliche man "humanitäre Entscheidungen". Der Weg für zügige Beratungen im Bundestag sei damit frei.
    "Mit anderen Worten", so Gudula Geuther vom Hauptstadtstudio im Deutschlandfunk, "man hat sich geeinigt, dass die früheren Vereinbarungen gelten. Und man hat sich bemüht, das wie einen Kompromiss aussehen zu lassen." Im Prinzip gehe die SPD mit leeren Händen nach Hause, so Geuther, "bei einem Kompromiss, den sie vorher auch mit beschlossen hatte".
    Der Streit nach dem Streit
    Die Koalitionsspitzen hatten sich nach monatelangem Streit über Details Ende Januar in einem zweiten Anlauf auf das sogenannte Asylpaket II verständigt. Vor gut einer Woche hatte das Kabinett die Gesetzespläne beschlossen. Darin ist unter anderem vorgesehen, für bestimmte Flüchtlingsgruppen den Familiennachzug für zwei Jahre auszusetzen. Gelten soll dies für Menschen mit "subsidiärem Schutz" - eine derzeit nur kleine Gruppe. Es handelt sich um jene, die sich nicht auf das Grundrecht auf Asyl berufen können und auch keinen Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention genießen, aber dennoch wegen Gefahr für Leib und Leben vorläufig in Deutschland bleiben dürfen.
    In einem früheren Entwurf für das Gesetzesvorhaben waren unbegleitete Minderjährige aus dieser Gruppe noch von einer Beschränkung beim Familiennachzug ausgenommen gewesen, damit sie Eltern nach Deutschland nachholen können. In der vom Kabinett beschlossenen Fassung tauchte diese Klausel aber nicht mehr auf. SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte dies erst nach dem Kabinettsbeschluss festgestellt und Bedenken angemeldet - was wiederum für Irritationen innerhalb der Koalition führte. Maas und de Maizière hatten nun den Auftrag, eine Lösung für den neuerlichen Streit zu finden.
    Eine Auswertung des Bundesfamilienministeriums ergab, dass im vergangenen Jahr 442 Eltern eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde, weil sie ihrem zuvor eingereisten Kind nachzogen.
    (bor/dk)