Archiv


Fast 90.000 Schweine

Im Bundesland Sachsen-Anhalt gibt es Streit um eine Schweinemastanlage, ein Großprojekt für fast 90.000 Tiere. Gegen diese Pläne des niederländischen Investors regt sich, wie immer bei diesen Projekten, Widerstand. Viele Bürger befürchten Gestank und eine enorme Umweltbelastung. Die Investoren, die Gebrüder Nooren, bestreiten die Vorwürfe und verweisen auf ihre jahrelange Erfahrung. Und sie haben einen ersten Sieg errungen in diesem Streit.

Von Christian Forberg |
    Im Januar schien es schon in greifbarer Nähe, dass die Schweinemastanlage entsteht: Das Gelände des alten Militärflugplatzes war ausgeschrieben worden; die Investoren um die holländischen Gebrüder Nooren hatten mit ihrem Projekt einer gewaltigen Anlage für 60.000 Mastschweine, 7500 Sauen und 26.000 Ferkel gewonnen. Allerdings wurde die Baufläche erst jetzt verkauft: Massive Proteste aus der Bevölkerung und die Abgabe eines Gebotes von Gegnern hatten die Landesregierung den Verkauf tiefgründiger prüfen lassen.

    Doch die Proteste werden weitergehen: die Menschen rings um Allstedt fürchten Tierquälerei und Seuchengefahren, Gestank und Umweltschäden. Die Anlage würde tatsächlich enorm groß: ein Maststall hätte die Größe von drei Fußballfeldern hintereinander, weshalb Bernhard Schneider, der Sprecher der Gegner-Initiative, meint:
    "Bei dieser Größenordung handelt es sich nicht mehr um eine landwirtschaftliche Einrichtung, sondern um eine Fabrik, eine Agrarfabrik. "

    Gegner der "Schweinefabrik" sind auch die Kirchgemeinden ringsum um Allstedt:
    "Insbesondere halte ich es für Sünde, Tiere ausschließlich als Produktionsgegenstände zu betrachten und sie ihrer Natur widersprechend wegen Profit zu halten. "

    So Allstedts Pfarrer Breithaupt auf einem Waldgottesdienst, zu dem im Frühsommer Hunderte Gegner kamen. Ihre Zahl wird inzwischen auf rund 30.000 geschätzt. Für Investor Jan Nooren sind die meisten Einwände nicht akzeptabel: er ist seit seiner Jugend mit der Schweineproduktion vertraut, hat bereits drei kleinere Betriebe in Sachsen-Anhalt gekauft und erfolgreich modernisiert. Die große Anlage würde noch moderner, noch sicherer, noch umweltfreundlicher. Vor allem Vorwürfe der Tierquälerei weist er zurück. Beispiel Ferkelproduktion: die Sau steht frei, aber recht eingeengt; die Ferkel kommen nur zum Säugen an das Muttertier heran:

    "Gut, man kann die Sau auch frei laufen lassen, dann zerdrückt sie wahrscheinlich 30 Prozent von den Ferkeln. Das nenne ich Tierquälerei. "

    Bei ihm kommt etwa nur ein Ferkel von 12 nicht durch. Damit ist Nooren um Einiges besser als der deutsche Durchschnitt. Das hiesige, jahrelange Gefeilsche um den Platz je Schwein kann er nicht verstehen: ein Mastschwein bekäme einen Quadratmeter. Das ist etwa so viel, wie es in Holland Gesetz ist und auch die rot-grüne Bundesregierung wollte, aber im Bundesrat gescheitert ist: die Mehrzahl der unionsgeführten Länder will die EU-Mindestnorm von einem Meter mal 65 Zentimeter je Mastschein.

    Auch die Umweltauflagen glaubt Nooren nicht nur einhalten, sondern übertreffen zu können. Beispiel Luftreinigung durch Wasserberieselung,

    "... wo Staub rausgeholt wird, Ammoniak und Stickstoff werden rausgeholt – beides zu etwa 85 Prozent -, und ein Teil vom Geruch wird rausgeholt. "

    Die im Wasser gebundenen Schadstoffe würden mit der Gülle in einer Biogasanlage landen, die die Schweineanlage mit Wärme und Energie versorgen soll. Hier würde die Gülle zu Dünger verrührt, der den Landwirten im Umkreis von 25 Kilometern zur Verfügung gestellt würde. Könnte Nooren von ihnen Futter kaufen und in einer Bioäthanolanlage aufarbeiten, wären Wirtschaftskreisläufe hergestellt. Doch das akzeptieren die Gegner nicht. Bernhard Schneider:

    "Das, was man früher hatte in den Landwirtschaftsbetrieben, Ausgleich zwischen Tier und Landwirtschaft, ist hier nicht gegeben. Und das zweite sind die Natur- und Umweltschutzprobleme, die von einer derartigen Anlage ausgehen. "

    Sie würde zwar zwischen drei und sechs Kilometern von den nächsten Ortschaften mitten im Wald stehen, aber unmittelbar an zwei Naturschutzgebiete, an FFH-Gebiete angrenzen. Die zusätzlichen Stickstoffeinträge werden Schäden an Bäumen und Feuchtbiotopen anrichten, ist sich Bernhard Schneider sicher:

    "Dort sind die Vorbelastungen deutlich über den kritischen Werten, die ein Wald verträgt. Wenn da noch was dazu kommt, können wir den Wald abschreiben. "

    Was auf der Website der Gegner bereits geschehen ist: einer Waldidylle stehen Baumleichen gegenüber, wie sie einst zu DDR-Zeiten um derartig große Schweinemastanlagen standen.

    Ob sich einstige Umwelt-Desaster so einfach auf die Gegenwart umlegen lassen oder die Anlage als sicher eingestuft werden kann, müssen nun die Gutachten entscheiden.