Von Dagmar Röhrlich
Es steht im Lehrbuch: Haie haben an Kopf und Schnauze Hunderte von besonderen Sinnesorganen, mit denen sie elektrische Felder wahrnehmen. Es sind die Lorenzinischen Ampullen - kleine, gelgefüllte Säckchen, die dicht unter der Haut liegen. Auf der Haut ist eine Pore zu erkennen, die über einen langen, dünnen Kanal mit diesem Säckchen verbunden ist. Diese Ampullen sind mit Sinneszellen versehen, die Reize an das Gehirn des Hais weiterleiten. Brandon Brown, Physiker an der Universität von San Francisco:
Meine Mitarbeiter und ich, wir haben uns aus physikalischer Sicht mit den Lorenzinischen Ampullen beschäftigt. Mit ihnen kann der Hai elektrische Felder wahrnehmen - und zwar ebenso gut wie Geräte, die der Mensch dazu hergestellt hat. Und: Sie sind empfindlicher als alles andere, was es auf diesem Gebiet in der Biologie gibt. Wir untersuchen, wie diese Organe die elektrischen Felder wahrnehmen.
Die Kanäle und die Ampullen sind mit einem klaren Gel gefüllt. Es besteht aus großen Glyko-Proteinen, also Eiweißen, an deren "Rückgrat" Zucker angehängt sind. Das Ganze sieht aus wie eine Bürste. Die Physiker extrahierten die Substanz und untersuchten sie nach allen Regeln ihrer Kunst. Die Daten zur elektrischen Leitfähigkeit und etliche andere Parameter machten sie neugierig. Und so untersuchten sie eine Eigenschaft, die sie normalerweise nicht interessiert hätte: das thermo-elektrische Verhalten. Das heißt: Was passiert, wenn eine Seite wärmer ist als die andere? Wie groß wird die dabei entstehende elektrische Spannung? Brown:
In den meisten Substanzen ist dieser Effekt sehr klein, etwa in Kupfer. Aber bei Halbleitern haben wir einen sehr großen thermo-elektrischen Effekt. Und für das Gel fanden wir heraus, dass es einen wirklich starken Effekt aufweist. Wir haben Hunderte von Mikrovolt gemessen. Ein Mikrovolt ist ein Millionstel Volt. Wenn man pro Grad Celsius Temperaturunterschied über das Gel hinweg dreihundert Mikrovolt Spannung bekommt, hört sich das nach nichts an. Aber die Lorenzinischen Ampullen des Hais sind so empfindlich, dass sie unter diesen Bedingungen bereits ein Tausendstel Grad Temperaturdifferenz wahrnehmen können.
Dieses Gel, so betont der Physiker, ist kein Halbleiter. Aber es verhält sich wie einer, wenn man die Temperatur verändert. Das heißt: Mit steigender Temperatur leitet das Gel den Strom besser. Und das, obwohl es mit seinen großen Eiweißmolekülen ein recht chaotisches System ist, das einem ordentlichen Halbleiterkristall überhaupt nicht gleicht. Brown:
Derzeit wissen wir noch nicht, wie ungewöhnlich die Eigenschaften dieses Gels sind. Ich persönlich möchte jetzt gerne herausfinden, ob die Millionen Jahre der Evolution bei den Haien und ihren Verwandten, den Rochen und Seedrachen, zu einer Optimierung der elektrischen Eigenschaften dieses Gels geführt haben.
Schließlich können die Haie und ihre Verwandten dank dieses Gels Temperaturunterschiede von einem bis zwei Grad Celsius wahrnehmen, die sich erst über eine Distanz von Kilometern ergeben - und zwar bei normaler Schwimmgeschwindigkeit. Problemlos. Als nächstes wollen die Physiker ähnliche Gele im Labor nachbauen und ihre Eigenschaften testen. Ziel ist, herauszufinden, ob der Hai wirklich eine ganz besondere Substanz in seinen Sinnensorganen hat, durch Jahrmillionen der Evolution verfeinert - oder ob er einfach nur Glück gehabt hat mit seinem Gel, das dann bei allen anderen Fischen ebenso funktionieren würde.
Es steht im Lehrbuch: Haie haben an Kopf und Schnauze Hunderte von besonderen Sinnesorganen, mit denen sie elektrische Felder wahrnehmen. Es sind die Lorenzinischen Ampullen - kleine, gelgefüllte Säckchen, die dicht unter der Haut liegen. Auf der Haut ist eine Pore zu erkennen, die über einen langen, dünnen Kanal mit diesem Säckchen verbunden ist. Diese Ampullen sind mit Sinneszellen versehen, die Reize an das Gehirn des Hais weiterleiten. Brandon Brown, Physiker an der Universität von San Francisco:
Meine Mitarbeiter und ich, wir haben uns aus physikalischer Sicht mit den Lorenzinischen Ampullen beschäftigt. Mit ihnen kann der Hai elektrische Felder wahrnehmen - und zwar ebenso gut wie Geräte, die der Mensch dazu hergestellt hat. Und: Sie sind empfindlicher als alles andere, was es auf diesem Gebiet in der Biologie gibt. Wir untersuchen, wie diese Organe die elektrischen Felder wahrnehmen.
Die Kanäle und die Ampullen sind mit einem klaren Gel gefüllt. Es besteht aus großen Glyko-Proteinen, also Eiweißen, an deren "Rückgrat" Zucker angehängt sind. Das Ganze sieht aus wie eine Bürste. Die Physiker extrahierten die Substanz und untersuchten sie nach allen Regeln ihrer Kunst. Die Daten zur elektrischen Leitfähigkeit und etliche andere Parameter machten sie neugierig. Und so untersuchten sie eine Eigenschaft, die sie normalerweise nicht interessiert hätte: das thermo-elektrische Verhalten. Das heißt: Was passiert, wenn eine Seite wärmer ist als die andere? Wie groß wird die dabei entstehende elektrische Spannung? Brown:
In den meisten Substanzen ist dieser Effekt sehr klein, etwa in Kupfer. Aber bei Halbleitern haben wir einen sehr großen thermo-elektrischen Effekt. Und für das Gel fanden wir heraus, dass es einen wirklich starken Effekt aufweist. Wir haben Hunderte von Mikrovolt gemessen. Ein Mikrovolt ist ein Millionstel Volt. Wenn man pro Grad Celsius Temperaturunterschied über das Gel hinweg dreihundert Mikrovolt Spannung bekommt, hört sich das nach nichts an. Aber die Lorenzinischen Ampullen des Hais sind so empfindlich, dass sie unter diesen Bedingungen bereits ein Tausendstel Grad Temperaturdifferenz wahrnehmen können.
Dieses Gel, so betont der Physiker, ist kein Halbleiter. Aber es verhält sich wie einer, wenn man die Temperatur verändert. Das heißt: Mit steigender Temperatur leitet das Gel den Strom besser. Und das, obwohl es mit seinen großen Eiweißmolekülen ein recht chaotisches System ist, das einem ordentlichen Halbleiterkristall überhaupt nicht gleicht. Brown:
Derzeit wissen wir noch nicht, wie ungewöhnlich die Eigenschaften dieses Gels sind. Ich persönlich möchte jetzt gerne herausfinden, ob die Millionen Jahre der Evolution bei den Haien und ihren Verwandten, den Rochen und Seedrachen, zu einer Optimierung der elektrischen Eigenschaften dieses Gels geführt haben.
Schließlich können die Haie und ihre Verwandten dank dieses Gels Temperaturunterschiede von einem bis zwei Grad Celsius wahrnehmen, die sich erst über eine Distanz von Kilometern ergeben - und zwar bei normaler Schwimmgeschwindigkeit. Problemlos. Als nächstes wollen die Physiker ähnliche Gele im Labor nachbauen und ihre Eigenschaften testen. Ziel ist, herauszufinden, ob der Hai wirklich eine ganz besondere Substanz in seinen Sinnensorganen hat, durch Jahrmillionen der Evolution verfeinert - oder ob er einfach nur Glück gehabt hat mit seinem Gel, das dann bei allen anderen Fischen ebenso funktionieren würde.